“Mit 25, da macht sich ein Mädchen Gedanken.“ Das wusste bereits Marilyn Monroe in “Manche mögen’s heiß”. Auch Emma, die erfolglose Schauspielerin, die kaum erfolgreicher in einer Frankfurter Hochhaussiedlung versucht, Videofilme an den Mann zu bringen, hat in wenigen Stunden das viertel Jahrhundert erreicht. Etwas muss sich ändern. “Ich bin Zaungast in meinem eigenen Leben”, klagt sie, während sie gerade mit ihrem besten Freund Max im Aufzug fest hängt und mal wieder ein Casting verpasst. Der kennt das Gejammere und reagiert entsprechend gelassen: “Guter Satz – hast du den aus n’em Film?” Mit Emotionen hat es Max nicht gerade. Dafür aber mit Filmen. Speziell beim Porno-Genre erfreut sich Max, der für die Pharmaindustrie Pillen testet, einer besonderen Kennerschaft.
Foto: ZDF / Krause-Burberg
“kiss and run” erzählt von zwei besten Freunden, die spät merken, dass auch das Leben Kinogeschichten wie “Harry & Sally” schreiben kann. Der Film von Annette Ernst und Maggie Peren entwirft noch andere tragikomische Geschichten von jungen Leuten, die in einer Hochhaussiedlung leben. Da sind Christo und Malia, das Paar, das in zwei Wochen heiraten will und plötzlich spürt, dass nichts mehr geht – kein Gespräch, kein Verständnis und vor allem kein Sex. Banu und Leo sind jünger und sie haben nur ein Thema: wann verlieren sie endlich ihre Jungfräulichkeit? Jeanette und Nicole, die beiden Hochhaus-Beauties, wollen ihnen nicht dabei helfen. Alle suchen nach Liebe und Sex, nach Glück und einer besseren Zukunft, doch sie drehen sich um sich selbst & verlieren so das große Ganze aus dem Blick.
Annette Ernst wollte mehr als die 2001. Liebesgeschichte machen. Wie auch in ihrem zweiten Langfilm “Mutter, mein erster Freund und ich”, der für eine gute Quote und eine überraschende Grimme-Preis-Nominierung sorgte, geht es neben der Last mit der Lust und den Frust mit der Liebe um die liebe Mühe mit der Selbstfindung. “Emma nimmt lieber die Meinungen der anderen über sich selbst als höchste Instanz, als sich selbst zu vertrauen”, sagt Ernst über die weibliche Hauptfigur. Max dagegen, liebenswert gespielt vom deutschen Brad Pitt, Ken Duken, verkauft sich als Individualist auf Kosten wahrer Nähe.
Filme gucken ist nicht schwer, erwachsen werden dagegen sehr – die Hauptfiguren in “kiss and run” sind mit Filmheroen und Kinomythen besser vertraut als mit den Dingen des Lebens. Bei Hauptdarstellerin Maggie Peren und dem von ihr außerdem verfassten äußerst launigen Drehbuch voller pointierter Dialoge ist das anders. Filmzitate werden nicht selbstverliebt ausgestellt, wenn von Filmen die Rede, dann deshalb, weil sie zur Identität dieser handvoll unfertigen Vorstadt-Neurotiker gehören. (Text-Stand: 2.7.2004)