Eine Krise kommt selten allein
Mal wieder kann Max Mangold nur reagieren. Seine Frau Susanne bestimmt den Kurs in der Ehe – und sie hat beschlossen: „Wir brauchen eine Pause.“ Sie hat gut reden. Auf sie wartet in ihrer alten Heimat Rostock eine Gastprofessur – und vielleicht auch ihre alte Jugendliebe, befürchtet Max. Aber das sind die Phantasien eines Mannes, der plötzlich allein dasteht, verloren in der coolen Berliner Altbauwohnung, und der feststellen muss, dass er auch in beruflicher Hinsicht „ein Nichts“ ist: 25 Jahre hat er erfolgreich unter dem Pseudonym Jana van Hausten historische Liebesromane geschrieben. Jetzt fällt ihm nicht nur nichts mehr ein zur romantischen Heldin seiner Bücher, jetzt wird ihm plötzlich auch zunehmend klar, auf was er sich da eingelassen hat: 25 Jahre in der Gedankenwelt einer Frau des späten 19. Jahrhunderts zu leben ist für einen Profi da noch das kleinste Übel, aber der Zwang, das eigene Ego völlig zu unterdrücken, sich nicht mal den Freunden als Urheber der Bestseller offenbaren zu dürfen, kratzt gehörig am Selbstbild. Und so schliddert der Ehemann von der „Trennung auf Bewährung“ in eine handfeste Identitätskrise. Als Max, der seiner Frau an die Ostsee nachgereist ist und ihr stur auf die Pelle rückt, irgendwann in Frauenkleidern an der Schreibmaschine sitzt, merkt Susanne, dass ihr Mann in einer tiefen Lebenskrise steckt.
Kulturelle Vorherrschaft der Frauen
Die intelligente Verquickung der Ehekrise mit dem seelischen Niedergang einer männlichen Existenz macht aus „Keine Ehe ohne Pause“ weder eine der aus Hollywood importierten Remarriage Comedies noch eine filmische Eheberatung für die (jüngere) ARD-Zielgruppe. Thomas Kirdorf geht vielmehr dorthin, wo es vor allem für den männlichen Protagonisten wehtut. Papi hat seine Schuldigkeit getan, der Mann an der Seite einer starken, erfolgreichen Frau, der für sie einst den Stillkurs besuchen musste und von den unwissenden Freunden nur belächelt wurde, ob des vermeintlichen Wunsches, neben seinen Hausmanndiensten mal einen Roman zu schreiben. Damit kehrt der renommierte Komödien- und Dramödienautor mit seiner Geschichte die alten Geschlechterverhältnisse um und schickt den verunsicherten Ehemann zum psychischen Rundum-Check. Und er projiziert auf diese vermeintlich so alltägliche Beziehungsgeschichte so manches, was den populären Geschlechter-Diskurs der letzten Jahrzehnte bestimmt hat und im Alltag sicherlich zu endlosen Küchen- und Schlafzimmer-Gesprächen geführt haben dürfte. Wann ist ein Mann ein Mann? Wie viel „Mann“ darf „Frau“ sein? Leben wir in einer weiblichen Gesellschaft? Sind die zu Vätern erzogenen Männer, wenn die Kinder aus dem Haus sind, nicht mehr das, was sich die Ehefrauen wünschen? Sind Männer zu bequem, zu unflexibel und geben sie sich emotional zu schnell mit Mittelmaß ab?
Ein würdiger Vertreter seines Geschlechts?
„Max, wann haben wir das letzte Mal miteinander geschlafen“, fragt die von Inka Friedrich gespielte Ehefrau und sagt damit den wohl häufigsten Satz in einer Degeto-Beziehungs-Dramödie. „Keine Ehe ohne Pause“ wird dann aber erfreulicherweise nicht zur ernsthaften TV-Therapiesitzung nach der „Tagesschau“, sondern zu einer ernsthaften Geschlechter-Komödie. Dass die Ehekrise etwas mit der jahrelangen beruflichen Fremdbestimmung des Helden zu tun haben könnte, rückt erst in der zweiten Hälfte ins Zentrum der Handlung. Zunächst fährt der von Heino Ferch verkörperte Ehemann die Mitleidsmasche, kombiniert mit billigen Komplimenten, über die sich vielleicht eine Frau mit Ende 20 freut („jeder Tag ohne dich ist ein verlorener Tag“), nicht aber eine, die mitten im Leben steht. „Max, ich bin deine Frau und nicht deine Krankenschwester oder eine Buchstütze“, reagiert die Professorin entsprechend genervt auf die Hilfloser-Junge-Masche. Obwohl Inka Friedrich die meiste Zeit einen strengen Blick aufsetzen muss, eine Mischung aus es satt haben und Selbstschutz (diese Ehekrise kommt nicht aus heiterem Himmel), wird sie nicht zur Buhfrau gemacht. Denn mit vielen Dingen, die sie ihrem Ehemann vorwirft, hat sie recht, was er ihr final auch bestätigt. Der Zuschauer bekommt es schon früher mit, dass die männliche Hauptfigur in dieser Ehe-Dramedy nicht nur das Opfer ist. „Du kennst dich vielleicht im Kleiderschrank von Königin Luise aus, aber die Menschen um dich herum, interessieren dich einen Scheiß“, bringt es die Ehefrau in einer wunderbar lebendigen und wahrhaftigen Szene mit Ferch und Friedrich auf den vorläufigen Endpunkt. Zuvor hat man gesehen, wie er einer Diabetikerin Pralinen von der Tanke schenkt oder in einer vielsagenden Szene der Schwiegermutter nicht nur nichts zu sagen hat, sondern auch noch den Namen des verstorbenen Ehemanns mit dem ihres Hundes verwechselt. Beim Zuschauer, egal welchen Geschlechts, dürfte die Mitleidstour schon besser funktionieren. Der depressive Max ist die Hauptfigur, seine Gefühle, auch wenn er sie für einen Mann des Wortes und des Geschichtenerzählens erst spät zu artikulieren weiß (eben doch ein Mann!), bestimmen den Erzählfluss und Heino Ferch ist letztlich doch ein würdiger Vertreter seines Geschlechts; seine sensible, nachdenkliche Darstellung, diese stille Verzweiflung, die sich mehr und mehr ausbreitet, ist maßgeblich ausschlaggebend dafür, dass man diese Geschichte glauben und ihr auch thematisch durchaus etwas abgewinnen kann.
„Ein Mann schlüpft aus Rock und Bluse“
Und wann gab es schon einmal Momente in einem Fernsehunterhaltungsfilm, die irritierend sind und sich nicht sofort psycho- oder handlungslogisch erklären lassen. Als die Hauptfigur da plötzlich in Frauenkleidern an der Schreibmaschine sitzt, lässt sich das nur schwer entschlüsseln. Muss sich da der Held ganz bewusst in die Rolle, in die er 25 Jahre als Autor gedrängt wurde, begeben, um sich am Ende von ihr zu befreien? Will er über das Schreiben aus der Sicht einer Frau endlich zum Leben als Mann gelangen? Oder ist diese Mimikry – so wie es die Ehefrau begreift – nur eine Metapher für die Verwirrung und Desorientierung des Helden? Für diese Geschlechterkollision spricht auch eine wunderbare Szene, in der der Held in Frauenkleidern, der gerade noch mit der Schwiegermutter eine Tanzstunde abhielt, sich mit dem vermeintlichen Nebenbuhler prügelt – wie es sich für einen richtigen Mann gehört. Von all dem abgesehen ist es ein großartiges Bild, Heino Ferch, den Schauspieler, der lange Zeit als deutscher Bruce Willis gehandelt wurde, in Frauenkleidern zu sehen – und zwar nicht im „Charley’s-Tante“-Look, sondern mit dem Gestus der Verzweiflung. Nicht ganz schlüssig ist dabei die Rolle der Friseurin, die alle Bücher von Jana van Hausten gelesen hat: Wie gerade sie auf die Idee kommen kann, dass sich mit Hilfe dieser Gender-„Verwandlung“ die Schreib-Blockade – und vielleicht ja auch der Ehekonflikt – lösen könnte, ist nicht ersichtlich. Was vom Ende bleibt, ist dann auch wieder ein Bild: eine große Bühne – und eine „Frau“, die sich demaskiert. Das ist die finale Schlüsselszene von „Keine Ehe ohne Pause“, den Patrick Winczewski angenehm gefällig, mit reizvollen Bildideen (die beispielsweise die Paarbeziehung versinnbildlichen) inszeniert hat. Diese Szene macht deutlich, dass es in erster Linie um die Lebenskrise des Mannes geht. Erst wenn sie bewältigt ist, könnte wieder was gehen zwischen den beiden. Dass der Film das nur andeutet und auf ein klassisches Happy-End verzichtet, stärkt die Glaubwürdigkeit, die sich Ferch & Co von Szene zu Szene erarbeitet haben.