Es herrscht eine seltsame Stimmung zwischen den drei Freundinnen in dem Fernsehfilm “Katzenzungen”. Zwar kennen sie sich seit ihrer Jugend, doch vieles zwischen den Mittdreißigerinnen bleibt unausgesprochen. Thorsten C. Fischer und Niklas Becker ist ein vielschichtiger Film über eine Frauenfreundschaft gelungen, ein Film, der nach dem Lebensglück fragt, den Träumen, den Sehnsüchten, den Ängsten.
Schweigend wie Fremde stehen sich die drei Frauen bei der Ankunft auf Rügen, dem Ziel ihrer diesjährigen Reise, gegenüber. Die spätherbstliche Ostsee verdichtet die Stimmung, stellt die Gesichter aus wie Fassaden. Leben wie hinter Glas. Nach und nach erfährt der Zuschauer das Wichtigste der gemeinsamen Vergangenheit. Eine hat der anderen den Mann ausgespannt. Eine hat Minderwertigkeitsgefühle wegen der Herkunft ihrer Familie. Eine trägt den Schmerz über den jahrelangen Missbrauch durch ihren Adoptivvater mit sich herum. Alle drei sind unfähig, miteinander zu reden. Höchstens zu zweit kommen sie sich näher. Die Dritte bleibt ausgegrenzt.
Die geradezu autistische Fixierung der drei Heldinnen auf sich selbst, die auch das Herzstück des gleichnamigen Romans von Martina Borger und Elisabeth Straub ist, hat der Regisseur übernommen, indem er die Gedanken der Frauen zum eigentlichen Erzähler des Films macht. “Es war für mich ein Experiment, mit den Stimmen der Frauen zu arbeiten, die ihre Gedanken offenbaren”, so Fernsehpreisträger Fischer (“Der Anwalt und sein Gast”). Der Zuschauer muss sich darauf einlassen. Tut er es nicht, wird er “Katzenzungen” als Zumutung empfinden. “Er ist gewissermaßen ein Film zum Zuhören“, so Fischer. Im Idealfall ziehen einen die Stimmen in den assoziativen Strudel aus Erinnerungen und Ereignissen.
Beeindruckend bei ihrem Spagat zwischen Zuneigung und Rivalität agieren die drei Darstellerinnen: Meret Becker spielt die Forsch-Provokative, Ina Weisse die vom Seelenschmerz am meisten Gepeinigte und Birge Schade die Frau, die am besten verdrängen kann. Doppeln sie anfangs in ihren Gesichtern noch die Künstlichkeit der Inszenierung, so wachsen sie mit den lebendigen Gedanken ihrer Figuren sukzessiv in das Geschehen aus Gegenwart und Vergangenheit hinein. (Text-Stand: 31.10.2003)