„Eigentlich müssten Frauen Frauen heiraten, dann wäre Schluss mit den Problemen“
Eine gut gelaunte Braut, das perfekte Brautkleid, die beste Freundin als Wedding-Planerin, ein Hotel mit Meerblick: Da kann eigentlich nicht viel schief gehen für die Traumhochzeit in Weiß. Doch dann kommt alles ganz anders. Emily (Nadja Bobyleva) wird wenige Stunden vor dem Gang zum Traualtar von ihrem Frank (Nicholas Reinke) betrogen. Für die junge Frau war’s das. Auch Freundin Paula (Henriette Richter-Röhl), Hotelbesitzerin mit Leib und Seele, steckt in einer Krise: Ein Aneurysma im Kopf und kein Mensch, der im schlimmsten Fall der Fälle sich um ihre Tochter Lucy (Momo Beier) kümmern würde. „Eigentlich müssten Frauen Frauen heiraten, dann wäre endlich Schluss mit den Problemen“, findet Emily. Und impulsiv wie sie ist, macht sie Paula ein solches Angebot – sprich: einen Heiratsantrag. Emilys liberale Eltern (Hanns Zischler, Petra Zieser) nehmen es locker. Es bleibt im Übrigen bei der Hochzeit ins Weiß, sogar die Kirche soll ihren Segen geben zu diesem Deal unter besten Freundinnen, der gut gemeint, aber nicht bis zum Letzten durchdacht ist. Denn eine nicht ganz unbedeutende Sache könnte das „Eheglück“ der Frauen gravierend stören: der fehlende Sex. Paula geht nach der Trennung von Lucys Vater offensichtlich ganz in ihrer Arbeit auf, nicht aber Wildfang Emily. Schon bei der zweiten (Wieder-)Begegnung mit ihrem Ex Frank, der weiterhin um sie kämpft, wird sie schwach. Wie wird wohl Paula darauf reagieren?
Foto: ZDF / Rick Friedman
Ein unterhaltsames Was-wäre-wenn-Szenario mit originellen Beziehungsvarianten
Der sich wandelnde Zeitgeist, die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe, erweitert ganz nebenbei auch die narrativen Möglichkeiten romantischer Geschichten. So spielt „Ziemlich beste Freundinnen“ aus der ZDF-Reihe „Katie Fforde“ mit der Option, dass die Titel gebenden Heldinnen sich das Ja-Wort geben. An der Oberfläche des Plots sorgt dies für vielfältigere und originellere Beziehungsvarianten, als man sie für gewöhnlich im „Herzkino“ präsentiert bekommt. Selbst das so beliebte Hochzeitsmotiv verliert in diesem Kontext etwas von seiner ursprünglichen Bedeutung, die es in konventionellen Love Stories besitzt. Freundschaft, Verantwortung, Verbundenheit – allein daraus resultiert bei Paula und Emily der Wunsch zu heiraten. Und Sex geht ganz gut ja auch ohne Trauschein. So heißt es denn auch auf der Zielgeraden des Films – zwischen Emily und Frank – augenzwinkernd: „Fremdgehen, bis dass der Tod uns scheidet“. Gender-politisch sollte man das in dem Film von Frauke Thielecke Erzählte nicht auf die Goldwaage legen. Die konkrete Geschichte, an dessen Drehbuch gleich drei Autoren (Neithardt Riedel, Ansgar Vogt, Jenny Maruhn) mitgewirkt haben, ist so nah an der Realität wie der Mythos vom Wünsche erfüllenden Weihnachtsmann. Die (juristische) Wirklichkeit kann einen Einfluss auf die Kultur der populären Märchen haben, sie bleiben aber Märchen. Und so sind auch diese munteren 90 Minuten eine Versuchsanordnung allein zum Zwecke der Unterhaltung, ein Was-wäre-wenn-Szenario, das zwar letztlich nicht grundlegend ausbricht aus dem Regelwerk der standardisierten Genre-Emotionen, das allerdings dem Zuschauer durchaus auch das eine oder andere (abwegige?) Gedanken-Spiel ermöglicht. Vielleicht hätte ja die Ehe unter sich platonisch liebenden Freunden tatsächlich einen längeren Bestand als die herkömmliche Verbindung zwischen Mann und Frau oder auch die Zivilehe zwischen Liebespartnern gleichen Geschlechts?
Foto: ZDF / Rick Friedman
Einige nicht ganz überraschende Wendungen & zwei präsente Schauspielerinnen
Handwerklich bewegt sich „Ziemlich beste Freundinnen“ allerdings weitgehend im üblichen Rahmen. Sonnige Ansichten, malerische Aussichten, kräftige Farben – und der Plot gehorcht den üblichen dramaturgischen Mustern und psychologischen Versatzstücken. Die Figuren und die Schauspielerinnen sind das Herzstück des Films und doch ist die Narration alles andere als „character driven“. Dass Henriette Richter-Röhl und Nadja Bobyleva trotzdem für ihre Charaktere den Schein von Individualität wahren, spricht für deren Präsenz und die Fähigkeit, die für diese Rollen so wichtige Sympathie auf den ersten Blick herzustellen. Auch Nicholas Reinke sammelt im Verlauf der Handlung deutlich Pluspunkte beim Zuschauer. Ihn nicht nur als (vorübergehend) abgelegten Liebhaber, sondern ihn auch noch zum Arzt und damit Vertrauten von Paula zu machen, ist geschickt, weil sich dadurch frühzeitig zeigt, dass dieser Frank doch eigentlich ein Guter ist. Und wann bekommt schon mal ein untreuer Mann im „Herzkino“ die Chance, sich zu rehabilitieren?! Dass er dann am Ende auch noch Paulas OP selbst durchführen muss (weil der Chefarzt beim Golfen ist), gehört – wie der Schlaganfall als Antwort auf einen Streit der Freundinnen, der letztlich den Weg zur Versöhnung freimacht – zu den üblichen Handlungsstereotypen, auf die man am Sonntag im ZDF künftig ruhig öfter mal verzichten sollte. Insgesamt aber sind die Wendungen der Geschichte schon etwas abwechslungsreicher als in vielen anderen Romantic Dramedys im Zweiten. Die Frage, ob es zur Freundinnen-Hochzeit kommen wird oder nicht, steht lange im Raum. Auch wer hier wen belügt, hintergeht oder im Ungewissen lässt, kann man als Zuschauer (aufgrund einiger Äußerungen von Emilys Mutter) zwar früh erahnen, mit einem abgegriffenen dramaturgischen Muster aber kriegt man es hier nicht zu tun. Stichwort: neue romantische Optionen.
Foto: ZDF / Rick Friedman
Die spannende Frage: Wie werden die Zuschauer auf „die Freundinnen“ reagieren?
Ähnlich wie gut erzählte Coming-out- oder gleichgeschlechtliche Liebesgeschichten mittlerweile auch bei den meisten heterosexuellen Zuschauern funktionieren, so dürfte der Kritiker wohl nicht der einzige sein, der sich im Verlauf der Handlung eine – wie auch immer geartete – „Verbindung“ zwischen den beiden Frauen erhofft. Diese „Hoffnung“ mag wegen der Sache mit dem Sex ziemlich abwegig sein. Trotzdem wird sie vom Film emotional genährt (und vom Zuschauer imaginiert). Das kleine filmische Beziehungsexperiment scheint also – vor allem dank Bobyleva und Richter-Röhl – geglückt zu sein. Das Interessanteste an diesem Sonntagsfilm ist aber wahrscheinlich die Frage, wie er rezipiert werden kann. Gibt es eine männliche und eine weibliche Wahrnehmung? Gibt es wirkungsästhetische Unterschiede zwischen hetero- und homosexuellen Zuschauern? Wünschen sich Männer vielleicht eine Verschmelzung der weiblichen Hauptfiguren zu einem einzigen Objekt des Begehrens: hier die spontane wilde Frische, der Narzissmus, die Neugierde, dort die emotionale Vernunft, die Ernsthaftigkeit und tiefe Verletzlichkeit. Aber auch heterosexuelle Frauen oder Männer ohne erotisch motivierten Blick dürften die Qualitäten dieser Freundinnen zu schätzen wissen. Hadern mit der finalen Ausrichtung des Films dürften wohl am ehesten lesbische Frauen, aber 100%ig glücklich (wie bei einem klassischen Liebesfilm) wird aus dem Film sowieso niemand entlassen; dafür ist die emotionale Gemengelage einfach zu kompliziert. Mag „Ziemlich beste Freundinnen“ – aus der üblichen Kritiker-Sicht – auch kein richtig guter Film sein, so ist er doch eine der interessantesten der bislang 35 „Katie-Fforde“-Episoden, weil er sehr viel mehr Fragen aufwirft als herkömmliche „Herzkino“-Produktionen. (Text-Stand: 14.5.2018)