Katie Fforde – Tanz auf dem Broadway

Minh-Khai Phan-Thi, Hertneck, Metzger. Den Körper verbiegen, das Herz nicht

Foto: ZDF / Rick Friedman
Foto Tilmann P. Gangloff

Die ZDF-Reihe „Katie Fforde“ basiert zwar schon länger nicht mehr auf Romanen der britischen Schriftstellerin, aber der Name ist immer noch Garantie für eine gewisse Qualität. Das Drehbuch zu „Tanz auf dem Broadway“ stammt von Marcus Hertneck, der hier auf anspruchsvolle Weise vom Älterwerden in jungen Jahren erzählt: Broadway-Tänzerin Skye, Mitte 30 und eben noch gefeiert, ist nun angeblich zu alt für die Bühne und soll einer Jüngeren weichen. Sie zieht sich zu ihren Eltern aufs Land zurück und arbeitet mit Hilfe eines verwitweten Musikers an ihrem Comeback. Geschickt verknüpft Hertneck den Hauptstrang mit einer Vielzahl weiterer Geschichten. Die Überraschung des „Herzkino“-Highlights ist Minh-Khai Phan-Thi, die nicht nur in den Tanzszenen eine gute Figur macht.

In früheren Jahren, als die Freitagsfilme im „Ersten“ noch dem banalen Zeitvertreib dienten, waren Romanzen nach Drehbüchern von Marcus Hertneck angenehme Ausnahmen. Inhaltlich passten die Geschichten des einstigen Kritikers, der zuletzt die Degeto-Reihe „Reiff für die Insel“ geschrieben hat, durchaus in den Rahmen, aber Filme wie „Ein Geschenk des Himmels“ (2005) oder „Liebe vergisst man nicht“ (2010) zeichneten sich auch durch einen gewissen Anspruch aus. Für „Tanz auf dem Broadway“ aus der ZDF-Sonntagsreihe „Katie Fforde“ gilt das nicht minder. Reduziert man die Handlung auf ihren Kern, geht es ums Älterwerden. Tatsächlich erzählt Hertneck jedoch eine Vielzahl von Geschichten, die er geschickt mit seiner Hauptfigur verknüpft: Skye (Minh-Khai Phan-Thi), Mitte dreißig, ist eine gefeierte Broadway-Tänzerin, deren Vertrag aus Altersgründen nicht verlängert wird. Star-Choreograf Ryan (Tyron Ricketts), der vor zehn Jahren mit Skye liiert war, will ihr zumindest die Chance geben, für sein neues Stück vorzutanzen. Für die entsprechenden Proben in der Scheune ihrer Eltern engagiert sie einen verschuldeten Klavierspieler aus der New Yorker Nachbarschaft. Allerdings zeigt sich, dass Michael (Thomas Unger) zwar ein begnadeter Pianist und Komponist ist, aber keinerlei Erfahrungen als Repetitor hat. Und das ist bei Weitem nicht das einzige Problem, das die Tänzerin lösen muss, bevor sie schließlich den Mut findet, die Veränderung in ihrem Leben – „Herzkino“-like – als Chance zu begreifen.

Regieroutinier Helmut Metzger hat knapp die Hälfte der bisherigen „Katie Fforde“-Filme gedreht und auch Hertnecks Erzählungen angemessen umgesetzt. Die diversen Nebenhandlungen sorgen für unterschiedliche Stimmungen, weil die Geschichte neben der sich eher beiläufig entwickelnden Romanze zwischen Skye und Michael gleich mehrere Dramenstoffe enthält: Michael ist Witwer und Vater zweier Kinder. Gerade der kleine Liam leidet sehr unter dem Verlust der Mutter; seit ihrem Tod spricht und lacht er nicht mehr. Skye hat als Kind Vater und Mutter bei einem Autounfall verloren und ist von Freunden ihrer Eltern adoptiert worden. Für Fanny (Angelika Thomas) und Matt Rhodan (Walter Kreye), selbst kinderlos, war sie die Tochter, die sich die beiden immer gewünscht haben, wie Matt ihr und damit auch dem Publikum in einer typischen „Du weißt ja“-Szene erzählt. Seit dem Unfall hat Skye jedoch ein Autotrauma. Wenn sie irgendwo mitfährt, müssen die Scheibenwischer laufen, damit das Geräusch sie beruhigt. Mit dieser kleinen Geste ruft Hertneck nicht nur den Schmerz in Erinnerung, sie dient auch als Signal für Nähe und Vertrauen: Als sich Skye zu Ryan oder Susan (Claudia Geisler), der langjährigen Angestellten ihrer Eltern, ins Auto setzt, schalten beide die Scheibenwischer an, ohne dass sie sie darum bitten muss. Natürlich kann Skye besser als jeder andere nachempfinden, was Michaels Kinder durchgemacht haben, und selbstredend hat sie am Ende maßgeblichen Anteil daran, dass sein Lächeln zurückkehrt.

Katie Fforde – Tanz auf dem BroadwayFoto: ZDF / Rick Friedman
In die Jahre gekommen. Skye (Minh-Khai Phan-Thi) stellt dem Choreografen Ryan (Tyron Ricketts) den Pianisten Michael (Thomas Unger) vor. Ex trifft künftigen Freund?

Bis dahin aber lassen Buch und Regie noch viel passieren, zumal Hertneck immer wieder Überraschungen aus dem Ärmel schüttelt; bei einem gemeinsamen Konzertbesuch von Skye und Michael stellt sich heraus, dass der vermeintliche Amateur eine erfolgreiche Hollywood-Vergangenheit hat. Wichtiger für die Geschichte ist jedoch das Kernthema, denn nicht nur Skye hat Last mit dem Älterwerden: Ihre Eltern betreiben im malerischen Poughkeepsie nördlich von New York ein Hotelrestaurant, sind aber mittlerweile völlig überlastet. Matt hat Schulterprobleme, kann einen Arm nicht mehr bewegen und daher auch nicht kochen, ist jedoch zu stolz, um sich helfen zu lassen; Fanny lastet sich daher umso mehr auf – und bricht zusammen. Skye wiederum erlebt einen herben Rückschlag, als Ryan sie in Poughkeepsie besucht: Mit Hilfe von Michaels eigenwilligem Klavierspiel (Musik: Jens Langbein & Robert Schulte-Hemming) hat sie einen Stil entwickelt, der all das enthält, was ihr als Kind geholfen hat, durchs Tanzen den Verlust der Eltern zu verkraften. Als Ryan sie wie ein militärischer Ausbilder in sein Korsett zwingen will, wird es Michael zu bunt. Der Pianist verpasst dem Choreografen eine knallharte Rechte; ein schlichtes, aber treffendes Bild für den Konflikt zwischen der Individualität der Kunst und den Mainstream-Bedingungen des Showbusiness. Am Ende erkennt Skye, dass sie weiterhin ihren Körper, nicht jedoch ihr Herz verbiegen will.

Metzger hat seine Schauspieler ausnahmslos gut geführt; trotzdem ist die Leistung der Hauptdarstellerin eine Überraschung. In den „Nachtschicht“-Krimis wirkte Minh-Khai Phan-Thi oft wie im falschen Film; hier dagegen ist sie jederzeit glaubwürdig. Kameramann Nicolay Gutscher zeigt nicht nur New York und das Hudson Valley von den schönsten Seiten, er hat auch dafür gesorgt, dass die Hauptfigur ausgesprochen attraktiv aussieht. Für Skyes Erschütterung nach ihrem Rauswurf haben Gutscher und Metzger ebenfalls eindrucksvolle Bilder gefunden: Die Tänzerin steht regungslos inmitten einer Menschenmasse, die im Zeitraffer rechts und links an ihr vorbeiwogt. Auch in den Tanzszenen macht Phan-Thi eine ausgezeichnete Figur. Die Tochter vietnamesischer Einwanderer hat zwar in der RTL-Show „Let’s Dance“ mal den zweiten Platz belegt, aber nie professionell Tanzen gelernt. Für den Film hat sie daher eigens mit „Let’s Dance“-Choreograf Kim Willecke gearbeitet, der im eindrucksvollen Pas de deux am Schluss als Skyes Tanzpartner mitwirkt.

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Reihe

ZDF

Mit Minh-Khai Phan-Thi, Thomas Unger, Tyron Ricketts, Angelika Thomas, Walter Kreye, Claudia Geisler

Kamera: Nicolay Gutscher

Szenenbild: Marcus Berndt

Kostüm: Carola Neutze

Schnitt: Friederike von Normann

Musik: Jens Langbein, Robert Schulte-Hemming

Produktionsfirma: Network Movie

Drehbuch: Marcus Hertneck

Regie: Helmut Metzger

Quote: 4,19 Mio. Zuschauer (11,9% MA)

EA: 11.12.2016 20:15 Uhr | ZDF

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