Katie Fforde – Meine verrückte Familie

Wanda Perdelwitz, Michaela May, Kirsten Peters, Metzger. Mit Augenzwinkern

Foto: ZDF / Keiko Hirom
Foto Tilmann P. Gangloff

Im Fußball sprechen Reporter gern von Spielern, die „den Unterschied“ machen. Beim Sonntagsfilm des ZDF gibt es dieses Phänomen auch: Filme, die nicht weiter der Rede wert wären, erfahren eine Aufwertung, weil schon allein die Hauptdarstellerin das Einschalten wert ist. In der „Katie Fforde“-Episode „Meine verrückte Familie“ (Network Movie) gebührt diese Ehre Wanda Perdelwitz: Die „Großstadtrevier“-Darstellerin macht aus der durchschnittlichen Komödie über eine Anwältin mit Beziehungsproblemen ein überdurchschnittlich kurzweiliges Vergnügen, zumal Regisseur Helmut Metzger auf sympathische Weise keinen Hehl daraus macht, dass viele Gags aus der Kategorie „Oldie, but goodie“ stammen.

Wanda Perdelwitz, seit 2012 Ensemble-Mitglied der ARD-Vorabendserie „Großstadtrevier“,  gelingt nun schon zum dritten Mal das Kunststück, in einem Sonntagsfilm des ZDF den Unterschied zu machen; es wird Zeit, dass sie endlich aus dieser Nische rausgeholt wird. Die Berlinerin hat bereits den Pilcher-Film „Haustausch mit Hindernissen“ (2016) und die Katie-Fforde-Verfilmung „Harriets Traum“ (2010, damals unter dem Namen Wanda Colombina) über das Durchschnittsniveau des „Herzkinos“ gehoben. Mit ihrer stets spontan wirkenden Natürlichkeit sorgt die attraktive Hauptdarstellerin dafür, dass auch „Meine verrückte Familie“ ein Vergnügen ist, selbst wenn sich die Geschichte nicht gerade unvorhersehbar entwickelt.

Provinzanwältin Stella hat ein Topstudium absolviert, aber ihr Arbeitsalltag dreht sich um Nutztierstreitfälle. Als sie die Chance bekommt, mit dem Sorgerechtsstreit von Senatorin Holmes (Fiering) ihren ersten großen Fall zu angeln, steht Mutter Barbara (May) vor der Tür: Gatte Stanley (Schmidt-Schaller) hat eine Jüngere. Weil Stella die Mutter in ihrem Kummer nicht allein lassen will, nimmt sie sie notgedrungen mit, als sie der Politikerin ihre Aufwartung macht; prompt schluchzt Barbara jedes Mal laut auf, wenn Ms. Holmes Wörter wie „Scheidung“ oder „Ex-Mann“ erwähnt. Stella ist überzeugt, dass sie das Mandat vergessen kann, aber die Senatorin ist so gerührt davon, wie sie sich um ihre Mutter kümmert, dass sie die junge Anwältin engagiert. Privat läuft es weniger gut: Freund Josh (Sondermann), ebenfalls Jurist, hat ihr zwar einen Antrag gemacht, aber seit sich die einsame Barbara nicht nur in Stellas Haus, sondern auch in ihrem Bett eingenistet hat, kommt es ständig zu Spannungen, zumal die von der Liebe enttäuschte Mutter ihr die Hochzeit ausreden will.

Katie Fforde – Meine verrückte FamilieFoto: ZDF / Keiko Hiromi, Rick Friedman
Verrückt ist vielleicht – aber alle halten zusammen. Kristina Pauls, Andreas Schmidt-Schaller und Wanda Perdelwitz

Autorin Kirsten Peters hat schon bei ihren „Inga Lindström“-Drehbüchern „Liebesreigen in Samlund“ und „Alle lieben Elin“ bewiesen, dass bekannte Geschichten gut funktionieren können, wenn sie kurzweilig erzählt und mit Hingabe gespielt sind. Der erfahrene Helmut Metzger gehört zu jenen Regisseuren, bei denen solche Bücher in guten Händen sind, wie er gerade im Rahmen von „Katie Fforde“ (zuletzt unter anderem mit „Tanz auf dem Broadway“ und „Mein Sohn und seine Väter“) schon öfter gezeigt hat. Neben der ausnahmslos guten Führung der Schauspieler zeichnet sich Metzger bei „Meine verrückte Familie“ durch eine besondere Gabe aus: Die Figuren sind durch die Bank bekannte Komödienstereotype, aber das fällt kaum ins Gewicht, weil Buch und Regie immer wieder mit den Klischees spielen. Vater Stanley zum Beispiel (von der Oberbayerin May hartnäckig „Stan Lee“ ausgesprochen, wie die Marvel-Comic-Ikone) ist im Grunde eine traurige Gestalt. Aber Schmidt-Schaller versieht diesen Mann auch dann noch mit großer Würde, als Freundin Jazzy (Aléa Figueroa), Fitness-Trainerin und einstige Mitschülerin Stellas, ihn in ein knallbuntes und sich hauteng über dem dicken Bauch spannendes Hemd steckt. Später, nachdem Barbara bei Stella wieder aus-, aber dafür ihre in New York gescheiterte Schwester Maddie (Kristina Pauls) eingezogen ist, steht irgendwann auch Stanley vor ihrer Tür. Metzger macht sich einen Spaß daraus, jeden dieser Überraschungsbesuche auf gleiche Weise zu gestalten: Es klingelt, Stella öffnet die Tür, und  die Kamera hüpft mit Hilfe zweier Jump-Cuts direkt in die Nahaufnahme ihrer Verblüffung.

Katie Fforde – Meine verrückte FamilieFoto: ZDF / Keiko Hiromi
„Verrückte Familie“. Stella (Wanda Perdelwitz) und ihre Schwester Maddie (Kristina Pauls) sind noch die „normalsten“ – und sie haben ein sehr liebevolles Verhältnis.

Bei Stanley verzichtet Metzger allerdings darauf, was vielleicht daran liegt, dass Stella nichts mehr erschüttern kann, denn zwischenzeitlich hat sie auch Besuch von Richard Duncan (Herrle) bekommen, dem Star-Anwalt der Gegenseite im Fall Holmes. Weil ihrer Mutter durch eine Wahrsagerin (Therese Hämer) eine neue Liebe mit dem Anfangsbuchstaben R prophezeit worden ist, reagiert Barbara wie vom Blitz getroffen, als sie Duncan erblickt; Metzger inszeniert das fast schon ironisch. Das gilt auch für die Art, wie Michaela May ihre Rolle anlegt: Barbara ist eine Nervensäge am Rande der Erträglichkeit, also exakt die Figur, die May in den letzten Jahren ständig spielen muss; hier allerdings derart übertrieben, dass sie sich am Rande der Parodie bewegt. Josh-Darsteller Sondermann hat im Vergleich zu den beiden Frauen die etwas undankbarere Rolle, zumal er zunächst von Perdelwitz schlicht überstrahlt wird, aber er gewinnt im Verlauf des Films, weil sich die Figur vom Freund und Kollegen zum Exfreund und Gegenspieler entwickeln darf: Josh gehört zur gleichen Kanzlei wie Duncan und übernimmt dessen Fall, als der alte Anwalt voller Vorfreude auf eine Liebesnacht mit Barbara von Herzproblemen übermannt wird. Derweil hat Stella festgestellt, dass sie schwanger ist, was weder die Beziehung zu Josh noch das juristische Kräftemessen vereinfacht. Selbst der Sorgerechtsstreit ist jedoch nicht bloß Mittel zum Zweck: Vor Gericht geht es letztlich um die Frage, ob man seine Kinder überbehüten oder möglichst viel Freiraum geben soll; irgendwann stellt Stella fest, dass sie die Helikopterhaltung ihrer Mandantin überhaupt nicht teilt.

Für die gespielten Gags gilt das gleiche wie für die Figuren, sie sind alles andere als originell: Maddie, die auf der Straße Kaffee verkauft, lästert beim Telefonieren mit Stella über ältliche Ehepaare, die die gleichen bunten Jacken tragen, und natürlich steht so ein Paar direkt hinter ihr. Ist Stella aufgeregt, bekommt sie einen Schluckauf, der sie selbstredend immer dann heimsucht, wenn sie ihn gar nicht brauchen kann. Aber Metzger inszeniert diese Momente nie mit großer Geste; auch die unvermeidlichen Panoramablicke über die malerische Bucht, gern mit Vollmond – gedreht wurde in Massachusetts, Stella bewohnt ein traumhaft gelegenes Haus direkt am Meer – fügen sich gut in den Filmfluss ein. Ein einziges Mal verstößt Metzger gegen seine Understatement-Methode, als er Stella, Maddie und Barbara am letzten Prozesstag wie die drei Musketiere in Zeitlupe ins Gerichtsgebäude einmarschieren lässt; das passt weder inhaltlich noch stilistisch. Ansonsten aber ist „Meine verrückte Familie“ vor allem dank Wanda Perdelwitz rundum ein Genuss ohne Reue. (Text-Stand: 22.11.2017)

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Reihe

ZDF

Mit Wanda Perdelwitz, Michaela May, Robin Sondermann, Andreas Schmidt-Schaller, Kristina Pauls, Aléa Figueroa, Cassandre Fiering, Therese Hämer, Robert Herrle

Kamera: Meinolf Schmitz

Szenenbild: Lars Brockmann

Schnitt: Angelika Sengbusch

Musik: Jens Fischer.

Soundtrack: Christina Perri („Be My Forever“)

Redaktion: Verena von Heereman

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke, Sabine Jaspers

Drehbuch: Kirsten Peters

Regie: Helmut Metzger

Quote: 4,93 Mio. Zuschauer (13,9% MA); (2021): 4,32 Mio. (15% MA)

EA: 17.12.2017 20:15 Uhr | ZDF

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