Natürlich ist die Welt auch am Sonntagabend im ZDF nicht in Ordnung, aber das „Herzkino“ ist einer der letzten Sendeplätze hierzulande, in denen sie zumindest überschaubar ist: weil Sympathieträger & Gegenspieler meist mit eindeutig identifizierbaren Merkmalen ausgestattet sind. Krawattenträger zum Beispiel gehören selten zu den Guten; stark geschminkte Frauen auch nicht. Deshalb ist in „Die Frau an seiner Seite“ umgehend ersichtlich, wem Julie Turner (Regula Grauwiller), die Titelheldin des Films, auf keinen Fall vertrauen sollte.
Gatte Eric (Martin Rapold) ist Politiker und somit Mitglied einer Gattung, die im Film ohnehin stets Dreck am Stecken hat. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass Eric mit seiner aufgebrezelten Pressesprecherin Robin (Anja Nejarri) unter einer Decke steckt, und das buchstäblicher, als Julie lieb sein kann. Die wiederum ist Physiotherapeutin und wird mit einer Yogastunde eingeführt; wer Yoga unterrichtet, ist in den Frauenfilmen des ZDF generell über jeden Verdacht erhaben. In unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrer Praxis befindet sich das Büro des Journalisten Coleman (Matthias Ziesing). Trotz gelegentlich zweifelhafter Methoden macht er mit seiner hemdsärmeligen Art einen ungleich bodenständigeren Eindruck als Eric, dessen Aussehen und Verhalten exakt dem Klischee des aufstrebenden US-Politikers entspricht, wie es seit Jahrzehnten von Hollywoodfilmen verbreitet wird. Tatsächlich hat ihn seine Partei soeben zum Kandidaten für den Kongress aufgestellt. Leider sind ihm auf dem Weg nach oben die einstigen Ideale abhandengekommen, weshalb er bereit ist, den Neubau einer Inklusionsschule, für die sich seine Frau einsetzt, einem Einkaufszentrum zu opfern.
Damit die Fallhöhe noch ein bisschen größer wird, führt das mitnichten auf einer Vorlage von Katie Fforde beruhende Drehbuch das Paar samt wohlgeratenem Sohn Jacob (Noah Kraus) und der fröhlichen brasilianischen Haushaltshilfe Rafaela (Diana Marie Müller) als vorbildliche Ostküstenfamilie ein; selbst wenn Julie ihren Mann nach seinem ersten Auftritt als frisch gebackenem Kongresskandidaten bei der Polizei abholen muss, weil er angeblich betrunken nach einem Unfall die Flucht ergriffen hat. Ein zwar sehr schlichter, aber effizienter Drehbucheinfall genügt, um zu zeigen, dass das Leben der „Frau an seiner Seite“ nichts für Julie ist: Für das offizielle Foto des Ehepaars muss sie sich ihre wilde Lockenpracht glätten lassen. Sie bleibt trotzdem unbezähmbar, und das bekommt Eric zu spüren, als Coleman Bilder entdeckt, die den Politiker intim mit seiner Pressefrau zeigen: Julie schmeißt ihn raus und unterstützt fortan Bill Frasier (Jürgen Haug), den Mann, dessen politische Laufbahn durch Erics Kandidatur schon beendet schien. Frasier ist ein sympathischer älterer Witwer, der Flanellhemden trägt und auch sonst so aussieht, als besäße er gar keine Krawatten. In seiner Freizeit repariert er elektrische Spielgeräte, die er aus einem Vergnügungspark gerettet hat. Außerdem ist er natürlich für die Inklusionsschule; mehr Sympathieträger geht nicht.
Den Drehbuchautorinnen Beate Fraunholz und Jenny Maruhn lässt sich also beim besten Willen nicht vorwerfen, sie hätten die Geschichte unvorhersehbar gestaltet. Das gilt auch für Details. Als nach den Schlagzeilen mit der vermeintlichen Unfallflucht die Schule anruft, ist völlig klar, was nun kommt: Jacob hat sich mit einem Mitschüler geprügelt, der seinen Vater verbal mit Dreck beworfen hat. Später findet der Junge zufällig raus, dass Robins einjährige Tochter – ebenfalls keine wirkliche Überraschung – seine Halbschwester ist und rennt weg; auch das ein beliebtes Versatzstück von Ehedramen. Aber während die Sorge ums Kind die Paare sonst meist wieder zusammenführt, bleibt Julie zum Glück ihren Prinzipien treu. Das ändert jedoch nichts an der desillusionierenden Botschaft, die der Film vermittelt: In dieser Welt handelt niemand ohne Eigennutz, für jede Gefälligkeit muss man einen Deal eingehen.
Am Ende gibt es immerhin noch eine live im Fernsehen übertragene überraschende Offenbarung, die zur Folge hat, dass Erics Ansehen wieder steigt. Trotzdem spräche ansonsten nicht viel für „Die Frau an seiner Seite“, zumal Carlo Rolas Inszenierung ähnlich erwartbar ist wie die Geschichte; inklusive der für die ZDF-Sonntagsreihen „Rosamunde Pilcher“, „Inga Lindström“ und „Katie Fforde“ obligaten Küstenflüge übers malerische Massachusetts sowie des unvermeidlichen Schmusepops. Dafür passt das zentrale Darstellerquartett gut zu den Figuren und spielt seine Rollen glaubwürdig. Außerdem gibt es einige hübsche Buc-Einfälle für Rafaela, die aufdringliche Reporter mit dem Gartenschlauch verscheuchen darf oder mit ein bisschen Voodoo dafür sorgt, dass auch der böse Drahtzieher im Hintergrund eine Abreibung bekommt. Seltsam nur, dass Zeitungen und TV-Sender mit englischen Schlagzeilen aufmachen, der Fotoapparat des Journalisten jedoch eine deutsche Menüführung aufweist.