Sage und schreibe vier Fünftel lang will dieser Film mit dem treffenden Titel „Das Schweigen der Männer“ seine weibliche Hauptfigur und damit auch die Zuschauer an der Nase herumführen. Bei Lynn (Ursula Buschhorn) ist das sogar plausibel, weil sie allen Grund hat zu glauben, dass ihr Mann Howard (René Ifrah) eine Affäre hat; sie macht ihre Entdeckung ausgerechnet wenige Tage, bevor sich das Paar einen zwanzig Jahren alten Traum erfüllen und zu einer sechsmonatigen Segeltour aufbrechen will. Weil Howard aber ein netter Kerl ist, ahnen alte „Herzkino“-Häsinnen recht bald, dass es sich bei Sam, deren Botschaft auf Howards Mailbox allerdings in der Tat missverständlich klingt, vermutlich um seine kleine Schwester oder eine Cousine handelt. Die Auflösung ist dann sogar überraschend, aber ansonsten begeht das Drehbuch von Neithardt Riedel und Jenny Maruhn einen der größten Fehler, den Autoren machen können: Es unterschätzt die Kompetenz seines Publikums.
Sieht man darüber hinweg, ist „Das Schweigen der Männer“ für die Zielgruppe durchaus sehenswert. Ursula Buschhorn ist eine sympathische Heldin, deren Bestürzung gut nachvollziehbar ist, zumal sie, einmal misstrauisch geworden, weitere Ungereimtheiten entdeckt. So ist zum Beispiel die vermeintlich gut gefüllte Reisekasse völlig leer, weil kurzfristig ein Sponsor abgesprungen ist und Howard Sams Miete übernommen hat; er kann nicht mal den Segellieferanten Burnett (Felix von Manteuffel) bezahlen. Lynn ist als Besitzerin einer Kajakschule zwar finanziell unabhängig, hat die Geldgeschäfte aber immer dem Gatten überlassen. Die Affäre liefert ihr auch eine schlüssige Erklärung dafür, warum das Paar seit Monaten keinen Sex mehr hatte. In Wirklichkeit ist natürlich alles ganz anders: Howard hat Herzprobleme. Der Grund für seine kurzfristige Reise nach New York ist nicht etwa der Abschiedsbesuch bei Sam, sondern der Termin bei einem Herzspezialisten.
Die Frage, warum der Mann seine Frau nicht schon längst eingeweiht hat, darf erlaubt sein; die Erklärung dafür ist etwas dünn, aber ohne sein Schweigen gäbe es auch keine Geschichte. Viel origineller ist die Drehbuchidee, Lynn nach New York fahren zu lassen, weil sie ihre Nebenbuhlerin kennenlernen will. Als sie Sam sieht, wird ihr alles klar: Die langbeinige Anwaltsgehilfin (Jasmin Lord) könnte zwar Howards Tochter sein, entpuppt sich aber als ausgesprochen liebenswerte junge Frau, die gerade ihren unzuverlässigen Mitbewohner und Freund Tommy (Will Noonan) vor die Tür gesetzt hat. Kurzerhand nimmt Lynn ihr Angebot an, als Untermieterin in das frei gewordene Zimmer zu ziehen: Sollte es ihr gelingen, Sam und Tommy wieder zusammenzubringen, könnten sie und Howard noch mal von vorn anfangen.
Sigi Rothemund, der mit seinem Stammkameramann Dragan Rogulj in den letzten zwanzig Jahren fünfzig Fernsehfilme gedreht hat (darunter allein über 20 Donna-Leon-Verfilmungen), hat die Geschichte solide, aber auch völlig frei von erwähnenswerten Regieeinfällen inszeniert. Der Routinier weiß genau, was er dem Sendeplatz schuldig ist, weshalb sich die Küste New Englands von ihren schönsten Seiten zeigen darf; mal steht ein Vollmond überm Leuchtturm, mal spiegelt sich die aufgehende Sonne in den Wellen. Der Meerblick des Traumhauses von Lynn und Howard ist ohnehin unbezahlbar, und die Großstadtbilder in den „Katie Fforde“-Filmen (die längst nicht mehr auf Vorlagen der Autorin basieren) lassen die Metropolen an der amerikanischen Ostküste ohnehin stets wie verlockende Reiseziele wirken.
Wichtiger aber sind naturgemäß die Rollen und ihre Besetzung. Alle Darsteller passen gut zu ihren Figuren. Buchhorn zeichnet sich durch eine ansprechende bodenständige Attraktivität aus; die Zielgruppe wird damit leben können, dass sie „Burnett“ hartnäckig auf der falschen Silbe betont. Ifrah ist überzeugend als Ehemann, der nur das Beste will, aber alles falsch macht, und die durch „Verbotene Liebe“ bekannt gewordene junge Jasmin Lord, als Titelheldin des Pilcher-Films „Evitas Rache“ (2014) eine komplette Enttäuschung, ist als Sam vor allem hübsch, aber auch natürlich. Und dann ist da noch Leslie Malton, die mit ihrer gern überkandidelten Art die perfekte Darstellerin von Lynns Schwester Ann-Margret ist, eine Frau, die nichts anbrennen lässt und unversehens in dem ungebundenen Robert (Daniel Aichinger), dem besten Freund von Lynn und Howard, einen Seelenverwandten findet.