Dieser Film aus der ZDF-Sonntagsreihe „Katie Fforde“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein anspruchsvolles und für die Betroffenen schmerzliches Thema unterhaltsam verpacken lässt. „Das Kind der Anderen“ beginnt harmlos & heiter: Auf dem Weg zum Scheidungs-Termin bringt die amerikanische Ostküstenjuristin Ella (Anna König) einen Radfahrer zu Fall. Der Mann entpuppt sich als Doktor Mitchell (Kai Albrecht), Ella war mal seine Patientin. Der attraktive Arzt kommt mit dem Schrecken davon, aber seine Cupcakes sind am Boden zerstört. Drehbuchautorin Beate Fraunholz leitet mit dem Vorfall nicht nur eine Romanze ein, sie platziert auch zwei wichtige Informationen: Ella hatte den Reproduktions-Mediziner wegen ihres unerfüllten Kinderwunschs aufgesucht; und sie praktiziert nicht mehr als Anwältin. Sie verspricht, sich wegen der Cupcakes zu revanchieren, aber jetzt hat sie erst mal den Gerichtstermin mit Adrian (Ole Eisfeld), doch dazu kommt es nicht, weil der zukünftige Ex-Mann durch ein eigentlich harmloses Missgeschick völlig aus der Bahn geworfen wird.
Dieser Handlungsstrang wird später noch hochdramatisch, aber das deutet Helmut Metzgers Inszenierung in diesem Moment nicht mal an. Stattdessen konzentriert sich die Handlung ganz auf die Titelfigur, denn Adrian hat den Scheidungsgrund gleich mitgebracht: Hope, niedlicher Traum aller Großmütter, ist das Ergebnis eines Seitensprungs mit einer Studentin. Ella wird das Kind erst mal nicht mehr los, denn Adrian muss ins Krankenhaus, und Ruby, die Mutter (Anna-Katharina Fecher), ist nicht zu erreichen. Fortan wird die ehemalige Anwältin noch öfter mehr oder weniger unfreiwillig zur Babysitterin, weil sich die überforderte Ruby auf eine wichtige Prüfung vorbereiten muss; und der Name des Kleinkinds (Hope = Hoffnung) ist selbstredend kein Zufall.
Fraunholz gelingt das Kunststück, diesen durchaus komplexen Handlungsentwurf wie in einer Ouvertüre bereits im Prolog zu skizzieren. Vordergründig geht es in der Geschichte um das beliebte Romanzenmotiv „Eine Frau zwischen zwei Männern“, aber selbst diesem schon so oft erzählten Thema gewinnt das Drehbuch eine neue Seite ab, weil sich die Frage zunächst gar nicht stellt. Ella will die Scheidung und hat überhaupt kein Verständnis dafür, dass Adrian den Termin hinauszögert und sich auch nicht mehr an die bisherige Vereinbarung hält: Er bekommt die Anwaltspraxis, die sie früher zu zweit geführt haben, sie das gemeinsame Strandhaus. Der Tonfall des Films bleibt trotzdem amüsant, was nicht zuletzt an der Hauptdarstellerin liegt. Anna König ist eine jener Schauspielerinnen, der die Sympathien schon allein wegen ihres strahlenden Lächelns scheinbar mühelos zufliegen; das hat bereits den ZDF-Film „Lügen, die von Herzen kommen“ (2018) aus der „Herzkino“-Reihe „Chaos-Queens“ zu einer vergnüglichen Romanze gemacht.
Soundtrack: First Aid Kit („My Silver Lining“), Ed Sheeran („Perfect”), Eva Cassidy („Kathy’s Song”), Judith Owen („Hot Stuff”), Bellini („Samba de Janeiro”), Elvis Presley („They Remind Me Too Much Of You”)
Im weiteren Verlauf der Handlung, wenn sich eine zweite Ebene langsam in den Vordergrund schiebt, darf König auch andere Seiten zeigen, aber in der ersten Hälfte ist der Film nicht zuletzt dank des Schabernacks der kleinen Hope eine Komödie. Weil Ella keine Lust mehr hatte, die Welt in Gewinner und Verlierer aufzuteilen, hat sie eine Mediationspraxis aufgemacht, in der ihre eher undiplomatische Mutter Liza (Michaela May) am Empfang sitzt. Erster Klient ist ein Kaufhausbesitzer (Leonard Lansink), der Ella bittet, bei einem Dauerstreit zwischen zwei Mitarbeiterinnen zu vermitteln. Mit diesem Auftrag ist der Film bei seinem Subthema, das Fraunholz geschickt in Ellas Aufgabe spiegelt, als sich herausstellt, dass Kinder die Ursache für den ständigen Ärger zwischen den beiden Frauen sind: Die eine ärgert sich darüber, dass sie immer wieder für die andere einspringen muss, wenn deren Nachwuchs wieder mal Zahnschmerzen hat. Als sich die Mutter in die Enge getrieben fühlt und auch in Ella eine Gegnerin sieht, platzt es aus ihr heraus: Sie beschimpft ihre Kollegin und die Juristin pauschal als „egomane Karriereweiber“ und spricht von „kinderlosen Frauen ohne wirklichen Lebensinhalt“. Diese Bemerkung hat zur Folge, dass sich Ella plötzlich sehr unprofessionell verhält. Nun wandelt sich der Tonfall des Films spürbar, zumal sich kurz darauf herausstellt, dass Adrian keineswegs bloß unter einer Gehirnerschütterung leidet. Die unerwartet ernsten Töne wären allerdings noch überzeugender, wenn die synchronisierten Szenen mit den einheimischen Schauspielern glaubwürdiger klängen.
Die routinierte Inszenierung durch Helmut Metzger, der sich dank anderthalb Dutzend „Katie Fforde“-Episoden an der amerikanischen Ostküste mittlerweile vermutlich bestens auskennt, lässt den Film ohnehin nicht weiter aus dem durchschnittlichen ZDF-„Herzkino“ herausragen. Das Stammpublikum wird sich wohl dennoch über die mit gefälliger Musik (Ingo Ludwig Frenzel, Rainer Oleak) untermalten Kameraflüge und die entsprechenden schönen Bilder von Strand und Meer freuen; Sonnenauf- und untergänge sind auf diesem Sendeplatz sowieso im Preis inbegriffen (Kamera: Meinolf Schmitz, gedreht wurde in der Nähe von Boston). „Das Kind der Anderen“ lebt daher vor allem von Anna König, zumal Fraunholz die Geschichte erzählt, ohne in typische Rollenklischees zu verfallen. Ihr „Inga Lindström“-Beitrag „Das Postboot in den Schären“ (2017) war hingegen „Herzkino“ von der Stange und präsentierte eine einfache Handlung unnötig kompliziert, und auch das eher mittelprächtige „Katie Fforde“-Drama „Die Frau an seiner Seite“ beeindruckte in erster Linie wegen Regula Grauwiller als Gattin eines aufstrebenden US-Politikers, der seine Ideale verliert.
Metzger wiederum steht bei seiner Arbeit für „Katie Fforde“ ohnehin für die guten Leistungen seiner Hauptdarstellerinnen, die auch durchschnittlichen Filmen eine gewisse Qualität verleihen; zuletzt zum Beispiel Minh-Khai Phan-Thi („Tanz auf dem Broadway“, 2016), Wanda Perdelwitz („Meine verrückte Familie“, 2017) oder Catherine Bode („Zimmer mit Meerblick, 2018). Anna Königs energiegeladene Ausstrahlung hat zwar zur Folge, dass sich die beiden männlichen Co-Stars kaum profilieren können, aber damit wird die überwiegend weibliche Zielgruppe leben können; Hauptsache attraktiv. Ein Wonneproppen ist auch die kleine Hoffnungsträgerin, die allerdings den ganzen Film hindurch immer die gleiche Kleidung trägt. Hope ist von Zwillingen verkörpert werden; vielleicht sollten auf diese Weise Anschlussfehler vermieden werden. (Text-Stand: 31.3.2019)