Für Karger kommt es schlimm. Zunächst die Scheidung, mit der er sich nicht so richtig abfinden kann. Dann seine Entlassung im Rohrwerk, der letzten Bastion eines ehemaligen Kombinats. Jetzt weiß der Mann, Mitte 30, gar nicht mehr, wie es weitergehen soll. Andere ziehen aus Riesa weg nach Leipzig oder Dresden. Dazu kann Karger sich nicht entschließen. Er hängt lieber alten Zeiten nach, geht seiner Ex-Frau auf die Nerven oder hängt in der Kneipe herum. Dort lernt er Ulrike kennen. Sie ist Kellnerin, allein erziehend – und sie sehnt sich nach einem Mann an ihrer Seite. So treibt Karger schneller als gedacht in die nächste Beziehung und eine neue Familie. Doch – ist es das, was er sucht? Karger weiß es selbst nicht.
Die Hauptfigur in Elke Haucks Film steckt mehr als nur in der Midlife-Crisis. „Karger“, der Name ist Programm. Der Alltag des ehemaligen Stahlarbeiters ist trist, sein Lebensstil dürftig, seine Sprache schlicht, er ist keiner, der viele Worte macht. Karger „spricht“ mit seinem massigen Körper. Jens Klemig, wie alle Darsteller im Film Laie, gibt ihn als den ewigen Jungen mit dem trotzigen, leeren Blick: Jeansjacke, Roller, eine Dorf-Lolita, so würde er am liebsten weitermachen, wenn er könnte. Doch er gehört nicht mehr dazu. Weder ist er jung & wild, noch privat oder beruflich gesattelt. Karger tritt auf der Stelle. Langsam merkt er es.
Foto: MDR / Albrecht Pische
„Karger“, der Titel passt auch zur Dramaturgie und Filmsprache dieser 2007 produzierten Kino-Koproduktion. Der Alltag der Hauptfigur wird ausschnitthaft nachgezeichnet. Die Situationen, zwischen Fabrikhalle, Familienfeier, Krankenhaus, Disco und nächtlichen Straßen allesamt dem Leben abgelauscht, ergeben ein Porträt eines Menschen in der Krise. Das ist weitgehend undramatisch inszeniert und so geschnitten, dass nicht ein Ereignis, sondern die Reaktionen der Menschen darauf in den Fokus rücken. Doch die Ereignisse zeigen bei Karger wenig Wirkung. Man muss sich einsehen in diese rohe Ästhetik, diesen spröden Film, der irgendwo zwischen gespieltem Sozialreport und der Berliner Schule (Köhler, Grisebach, Arslan) zu verorten ist. Mit Laien in Spielfilmen zu drehen ist so alt wie die Filmgeschichte, es ist immer ein Wagnis – und es ist zumeist spannend. Und einer Filmfigur zuzuschauen, die kein Ziel hat (und keinen von der Dramaturgie verordneten Plan) und auf die Arbeit einer Regisseurin zu schauen, die keine „Botschaft“ in der Hinterhand hat, ist erholsam und schärft den Blick dafür, wie Filme jenseits der Hochglanz-Bilder auch erzählt werden können.