Eine junge Frau probt den Aufstand gegen ihre Eltern und deren luxuriöse Hochglanzwelt. Sie will das Überleben ausprobieren, ohne den monatlichen Scheck und das hartherzige Wohlwollen ihrer Sippe. Sie schmeißt ihr Studium, lässt sich treiben, gerät an Männer, die ihr nicht immer gut tun, landet zwischenzeitlich auf dem Strich, fängt sich in ihrer Verzweiflung wieder und versucht schließlich, das Spiel der Eltern zu spielen – nach neuen Regeln. “Kalter Frühling” ist nach “Bittere Unschuld” und “Deine besten Jahre” der dritte Film, in dem Dominik Graf und Markus Busch von einer Frau erzählen, die ohne den Traumprinzen aus dem Schneewittchenschlaf erwacht, die Opferrolle abstreift und zum Gegenangriff übergeht.
Doch der Film singt nicht das Hohelied seiner Heldin, lässt den Zuschauer nicht emotional auskosten, was die neureiche Lebenshärte der Eltern bei ihr angerichtet hat. Sie wird erwachsen, aber sie opfert zugleich ihre offene, unbeschwerte Art. Ihre Wandlung kostet alle einen hohen Preis. Die Familie kommt wieder zusammen und doch sind sich Vater, Mutter und Tochter fremder denn je. “Dabei meinen es alle eigentlich scheinbar gut miteinander”, so Graf, “sie können nur alle nicht so ganz aus ihrer Haut, und verbergen darunter zu viele Ängste und zu viel Gefühlsarmut – auch vor sich selbst.” Eine wohlfeile Moral kann der Film nicht bieten – zu komplex sind die Beziehungen im Familienverbund.
“Kalter Frühling” ist ein Melodram – Individuum und Gesellschaft begegnen sich in einer tragischen Abhängigkeit, die so etwas wie Glück in weite Ferne rückt. Und es ist ein Film, der von einem magischen Rhythmus beseelt ist, wo Schicksalslinien früh ausgelegt werden und wo nach und nach alles in eins fließt, ohne dass der Zuschauer zu Beginn weiß, wohin die Reise mit der Heldin geht. Der Liebesverrat der Eltern an der Tochter geht sogar bis in die Pubertät zurück. Hinter liberaler Fassade griente die Fratze der Großmannssucht.
Dominik Graf gelingt es in diesem Film, ästhetisch perfekt die Probleme beim Erwachsenwerden zu beschreiben. Sein lakonischer Erzählstil und die ausgefeilte Montagetechnik mit zeitlichen Sprüngen geben dem Film einen ungewöhnlichen Rhythmus, der mehr einem Musikstück als einem herkömmlichen Fernsehfilm nachempfunden wurde. Und dem ehemaligen Viva-Girl Jessica Schwarz dürfte nach ihrer Leistung in diesem Film eine Karriere – ähnlich der von Heike Makatsch – sicher sein. (Text-Stand: 12.3.2004)