Käthe und ich – Freundinnen für immer / Verbotene Liebe

Schechinger, Pirzad, Brandhoff, Brigitte Müller, Liliensiek. Mehr Zeit fürs Wesentliche

Foto: Degeto / Christiane Pausch
Foto Rainer Tittelbach

Emotionale Aufräumarbeiten und Neuanfänge an der Müritz: Die ARD-Freitagsreihe „Käthe und ich“ (Degeto / Bavaria Fiction) geht in die vierte Runde, wieder mit einem sehenswerten, mit Ulrike Krumbiegel, Christine Schorn und Paula Kalenberg in den Episoden-Hauptrollen perfekt besetzten Doppelpack. In „Freundinnen für immer“ wird das Thema Freundschaft von Autorin und Produzentin Brigitte Müller geschickt auch in alle Subplots eingearbeitet, während sich in „Verbotene Liebe“ der Psychotherapeut in seine (blinde) Patientin zu verlieben droht. Das Gefühl bleibt in den Geschichten die treibende Kraft bei der Heilung seelischer Störungen, die diesmal allerdings weniger systemischen Ursprungs sind. Die filmische Anmutung bleibt sommerlich-luftig, der Erzählrhythmus flüssig, die Kamera beweglich. Sichtlich gut tut der Reihe, dass der Held nicht länger mit schmerzverzerrter Betroffenheitsmiene die Filme durchleiden muss. Überhaupt haben die neuen Episoden Ballast abgeworfen: fort ist die Pflegerin, die Paul die Fälle zugeschustert hat, also keine Mariele Millowitsch (in einer immer unbedeutenderen Rolle) mehr, keine Klinik, kein nerviger Chefarzt, keine unnötigen Nebenschauplätze, keine nichtigen äußeren Konflikte.

So heilsam eine schöne Landschaft auch sein mag – die Seele kann selbst an der mecklenburgischen Seenplatte Trauer tragen. Gut für den auf tiergestützte Therapien spezialisierten Psychologen Paul (Christoph Schechinger), der hier direkt am Wasser mit Freunden privat wie beruflich ein ideales Domizil gefunden hat. Aber die Idylle trügt auch bei ihm und seine Nächsten. Der Mann, gerade mal Mitte 30, hatte schon einige Schicksalsschläge zu verkraften: die Traumfrau im Koma, Wiedererwachen und Reha mit psychologischen Hindernissen, dann Trennung mit langwieriger Trauerarbeit. Momentan geht es ihm vergleichsweise gut, jetzt holen sich die anderen ihre alltäglichen Beziehungsblessuren. Die Ehe von Jule (Mona Pirzad), Pauls bester Freundin seit Kindertagen, steht vor dem Aus. Ihr Mann Aaron (Ben Braun) ist ausgezogen und hat mehr als eine Affäre mit seiner Kollegin (Sinja Dieks). Und Eric (Ulrich Friedrich Brandhoff), der verschwiegene Tierarzt, der mit Jule zusammenarbeitet und auffallend gut psychologisch geschult ist, gibt etwas aus seiner Vergangenheit preis, was ein völlig anderes Licht auf ihn wirft. Und da problematische, aber auch vorbildliche Interaktionsmuster ihre (Familien-)Geschichte haben, wird Paul einmal mehr bewusst, was er seiner Mutter Helga (Hildegard Schroedter) zu verdanken hat.

Käthe und ich – Freundinnen für immer / Verbotene LiebeFoto: Degeto / Christiane Pausch
Zwischen Damals und Heute hat sich im Schlafzimmer von der als Schauspielerin gescheiterten Marianne (Ulrike Krumbiegel) nicht viel verändert. Aber sie ist einsam. Einige Kinoplakate hängen noch: einst Sehnsuchtssymbole, heute bittere Nostalgie.

Emotionale Aufräumarbeiten und Neuanfänge an der Müritz: Die ARD-Freitagsreihe „Käthe und ich“ geht in die vierte Runde, wieder mit einem sehenswerten Doppelpack. In „Freundinnen für immer“ wird das Freundschaftsthema auf mehreren Ebenen von Autorin Brigitte Müller, zugleich die Produzentin der Reihe, in die Geschichte(n) eingearbeitet. Wie bereits in den bisherigen Episoden wirken diese narrativen Projektionen nie übertrieben, fallen weder als dramaturgische Methode unangenehm auf, noch beeinträchtigen sie die Stimmigkeit des Erzählten. Christine Saalefeld (Christine Schorn), eine ältere Dame, wendet sich an Paul: Sie macht sich Sorgen um ihre vereinsamte Tochter Marianne (Ulrike Krumbiegel). Eine Demenz-Diagnose der Mutter verschärft das Problem. Wenn sie mal nicht mehr ist, hat Marianne niemanden, keine Freunde, keine Bekannten. Das war mal ganz anders. Als Teenager zu DDR-Zeiten hatte sie eine beste Freundin. Lange gingen die beiden durch dick und dünn, doch irgendwann kam es zum Zerwürfnis. Lag es daran, dass Marianne als hoffnungsvolle Schauspielerin ihr Glück in Westdeutschland suchte, während die Freundin in der Heimat blieb? Jetzt jedenfalls braucht die depressiv wirkende, als Schauspielerin gescheiterte Frau dringend Hilfe. Vielleicht wäre ja ein Hund mal ein Anfang.

Auch in der zweiten Episode, „Verbotene Liebe“, korrespondiert ein altes Ereignis mit einem aktuellen. Paul betreut eine blinde junge Frau, die von ihrem Führhund gebissen wurde. Mal probiert er es mit „Schocktherapie“, mal auf die sanfte Tour. Dabei fällt besonders Tierarzt Eric auf, dass sich da offenbar mehr als ein professionelles Psychotherapeut-Patient-Verhältnis entwickelt. Paul ist äußerst engagiert, und die „Übungseinheiten“ mit der äußerst aparten Lehrerin mit dem nicht weniger aparten Namen Ina Meyrose (Paula Kalenberg) werden zunehmend auch in die Abendstunden verlegt. Und als es Probleme an der Schule wegen des Blindseins gibt, legt sich Paul besonders ins Zeug. Das alles scheint Eric sehr nachdenklich zu stimmen; für Arzthelferin Jasmina (Anna Hausburg) ist dies ein klarer Fall von Eifersucht. Doch es steckt mehr dahinter. Derweil versucht Jule, ihren akuten Trennungsschmerz zu lindern, indem sie sich auf ein Date mit dem attraktiven Praktikanten Justus (Justus Johanssen) einlässt, das höchst romantisch beginnt, aber völlig anders endet, als von Jule erwartet.

Käthe und ich – Freundinnen für immer / Verbotene LiebeFoto: Degeto / Christiane Pausch
„Mitleid hat in der Liebe nichts verloren“, findet Ina Meyrose (Paula Kalenberg). „Die Grenze zwischen Mitleid und Mitgefühl ist fließend“, meint Paul (Schechinger), „eine Liebe ohne Mitgefühl, das würde mit Angst machen.“ Beide sind sich im Großen und Ganzen recht ähnlich, was zu einer ungewöhnlichen Nähe zwischen Therapeut und Patientin führt. Für die Zuschauer*innen entsteht so eine zarte „Liebes“-Geschichte.

Die Grundstimmung der neuen „Käthe und ich“-Episoden ist ähnlich wie in den bisherigen sechs Filmen: Das Gefühl bleibt in den Geschichten die treibende Kraft bei der Heilung seelischer Störungen, die diesmal allerdings weniger systemischen Ursprungs sind. Familie ist in beiden Geschichten nicht der Ort allen Übels. Stattdessen sorgen die besten Freunde für Traumatisierungen unterschiedlichster Art. Und in „Verbotene Liebe“ könnte es zudem ein altes Muster der Hauptfigur sein, das hier auf Wiederholung drängt: Man kann sich schon fragen, weshalb Paul es nun zum zweiten Mal mit einer Frau – aus Erina wird Ina! – zu tun bekommt, die (seine) Hilfe benötigt. Mit dem Unterschied: Die Lehrerin verweigert sich der liebevollen Fürsorge ihres Therapeuten nicht. Was das psychologisch heißt, das kann man vertiefen, muss man aber nicht. So verzichtet Jule, den Freund auf die Couch zu legen, und selbst Eric psychologisiert einmal nicht oberlehrerhaft, sondern weist Paul nur mehrfach auf das „Abstinenzverbot“ hin. Autorin Müller hat sich gewiss etwas gedacht dabei. Sie überlässt es aber dem Zuschauer, daraus Schlüsse zu ziehen. Lockerer und legerer sind auch die „Lösungen“ gestrickt. In der Freundschafts-Episode wird zwar alles gut, aber ohne Buhmann, ohne Gefühlskitsch, dafür mit einem Goethe-Zitat („Ohne Aufopferung lässt sich keine Freundschaft denken“). Dagegen endet „Verbotene Liebe“ melancholisch. Es ist die richtige Tonlage für einen Film, bei dem sich wohl jede Zuschauerin ein Liebes-Happy-End gewünscht hätte. Aber „Käthe und ich“ ist kein Wunsch(erfüllungs)programm. Das Leben steckt voller Dramen und trauriger Momente. Trotzdem geht es weiter – wie auch diese Reihe.

Und wer diesen geschmeidigen Geschichten aus dem Alltag eines Psychologen prinzipiell zugeneigt ist, wem ernsthafte, feinfühlige Gespräche beim Spazierengehen in wohltuender Landschaft oder ein Blick in die blauen Augen von Käthe lieber sind als ein intellektuelles Psycho-Kammerspiel oder ein ins Krimigenre übersetztes Drama einer dysfunktionalen Familie, der dürfte sich mit den beiden neuen „Käthe und ich“-Filmen gut unterhalten fühlen. Je mehr die Geschichten die weiteren durchgehenden Charaktere entscheidend in den Nebenplots einbeziehen, umso besser findet die Reihe ihren erzählerischen Ton. Die filmische Anmutung (Regie: Oliver Liliensiek) bleibt sommerlich-luftig, der Erzählrhythmus flüssig, die Kamera beweglich. In „Freundinnen für immer“ sind ästhetisch besonders reizvoll die Rückblenden in die drei Jahrzehnte einer Freundschaft, bei denen vor allem Kostüm und Szenenbild (auch für die Semantik der Figuren) ganze Arbeit geleistet haben.

Käthe und ich – Freundinnen für immer / Verbotene LiebeFoto: Degeto / Christiane Pausch
Nach der Trennung von ihrem Ehemann lässt sich Jule (Mona Pirzad) rasch auf ein romantisches Date mit Justus (Justus Johanssen), ihrem neuen Praktikanten, ein.

Sichtlich gut tut der Reihe, dass der Held nicht länger mit betroffener, schmerzverzerrter Miene die Filme durchleiden muss. Überhaupt haben die neuen Episoden Ballast abgeworfen: fort ist die Pflegerin, die Paul die Fälle zugeschustert hat, also keine Mariele Millowitsch (in einer immer unbedeutenderen Rolle) mehr, keine Klinik, kein nerviger Chefarzt, damit keine unnötigen Nebenkriegsschauplätze, keine nichtigen äußeren Konflikte. So hat man mehr Zeit für die wesentlichen Interaktionen, für die entscheidenden Gespräche, die geführt werden müssen; sie sind der dramaturgische Kern der Reihe. Dadurch kommt man noch näher an die Episoden-Hauptfiguren heran. Sind diese dann mit Ulrike Krumbiegel, Christine Schorn und Paula Kalenberg besetzt, hat man schon das Meiste richtig gemacht. (Text-Stand: 8.2.2022)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto

Mit Christoph Schechinger, Mona Pirzad, Ulrich Friedrich Brandhoff, Ben Braun, Anna Hausburg, Hildegard Schroedter, Thelma Buabeng, Sinja Dieks, Ulrike Krumbiegel, Christine Schorn, Daria Wolf, Ella Lee, Paula Kalenberg, Justus Johanssen

Kamera: Jochen Braune

Szenenbild: Myriande Heller

Kostüm: Heike Fademrecht

Schnitt: Tobias Peper

Musik: Maurus Ronner

Redaktion: Sascha Mürl, Christoph Pellander

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Brigitte Müller, Karsten Günther

Drehbuch: Brigitte Müller

Regie: Oliver Liliensiek

Quote: (1): 3,09 Mio. Zuschauer (10,8% MA); (2): 2,96 Mio. (11% MA)

EA: 04.03.2022 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach