Kabale und Liebe

Paula Kalenberg, August Diehl, Leander Haußmann. Die düstere Seite der Liebe

Foto: ZDF / Petro Domenigg
Foto Rainer Tittelbach

Leander Haußmann und einem großartigen Ensemble gelingt es, Schillers Sturm-und-Drang-Drama „Kabale und Liebe“ verständlich zu machen für den heutigen Zuschauer. Und die Kamera taumelt und wankt, um anzudeuten, wie die Welt für die Helden aus den Fugen geraten ist. Es geht um die Liebe in Zeiten einer engstirnigen Standeswelt, eine Liebe, die erst im Tod ihre Erfüllung finden kann. Der Freitod erscheint wie in „Romeo und Julia“ als einzige Möglichkeit, dem individuellen Freiheitswillen Ausdruck zu verleihen.

„Er ist mir sehr vertraut in seiner Wut“, sagt Leander Haußmann über Schiller. Zum Ausklang der Feierlichkeiten zum 200. Todestag des Säulenheiligen der deutschen Klassik hat der am Theater wie im Film gleichermaßen erfolgreiche Regisseur jetzt für ZDF, 3sat und Theaterkanal zu einem Schiller-Stück gegriffen, das auf den ersten Blick tief in seiner Zeit verwurzelt zu sein scheint und kaum taugt für eine moderne TV-Adaption. Doch genau dieses Kunststück, den heutigen Zuschauer für ein scheinbar vorgestriges Sturm-und-Drang-Drama zu erwärmen, gelingt dem seit jeher Schiller-verbundenen Haußmann mit „Kabale und Liebe“. Es geht um die Liebe in Zeiten einer engstirnigen Standeswelt, eine Liebe, die erst im Tod ihre Erfüllung finden kann. Der Freitod erscheint ähnlich wie in Shakespeares „Romeo und Julia“ als einzige Möglichkeit, dem individuellen Freiheitswillen Ausdruck zu verleihen.

Kabale und LiebeFoto: ZDF / Petro Domenigg
Die schöne Verführerin hat schon bessere Zeiten gesehen: Lady Milfort (Katja Flint) kann sich die Jugend nicht erschminken.

„Wenn man Love-Storys à la Hollywood gewohnt ist, fragt man sich erst mal, was Tod und Leid mit der Liebe zu tun haben“, so Paula Kalenberg, die Darstellerin der unglücklich liebenden Luise. Sie hatte mit Schiller und seinem historischen, gesellschaftlichen Zugang zum Thema anfangs Probleme. Ihr war das alles zu pessimistisch. „Mit der Zeit empfand ich gerade diese düstere Zeichnung als besonders intensiv und irgendwie wirklicher als das meiste, was ich bisher an Liebesdramen kannte.“ Auch das Sprechen der Original-Texte fiel ihr anfangs nicht leicht. „Nicht selten habe ich mich dabei erwischt, wie ich Emotionen völlig getrennt vom Text gespielt habe“, so Kalenberg. „Die Texte kamen mir erst sehr abstrakt und alltagsfern vor.“ Es spricht für ihre Schauspielkunst, dass es einem beim Zuschauen nicht so geht. Es ist auch die klare Typisierung der Charaktere, die ein rasches Verstehen der Texte ermöglichen. Da ist August Diehl als liebender Ferdinand, in dem sich Kabale und Liebe, die Berg- und Talfahrt der Gefühle, am deutlichsten spiegelt. Da ist Götz George, der polternd Ferdinands herrischen Vater gibt. Detlev Buck als verhinderter Liebhaber und Katja Flint als Lady Milford, deren Schönheit zu Perückenpuder zerfällt, tragen, bevor sie den Mund auftun, bereits ihr Wesen deutlich vor sich her. Sie ist die in die Jahre gekommene Schönheit und er der Oberintrigant, der dem Präsidenten rät: „Machen Sie ihm das Mädchen verdächtig.“

„Die Sprache ist viel besser verständlich, als Generationen von Schülern es vielleicht in Erinnerung haben“, betont der Theaterkanal-Chef Wolfgang Bergmann. Man muss ihm recht geben. Es scheint gerade so, als ob der Schiller-Text, gesprochen in realistisch-filmischem Ambiente, sich der Psychologie des Alltags öffnet und sehr viel leichter verständlich ist als auf dem Theater. Es ist aber auch die Ästhetik des Films, die dem Text mitunter interpretierend zur Seite steht. Die Welt der standesdurchtränkten Konventionen wird in Totalen erfasst, die Liebe findet ihren Ausdruck in ganz nahen Bildern, in denen das Soziale auch optisch ausgeblendet wird. Und wenn am Ende Luise und Ferdinand das Gift nehmen, dann schwanken sie förmlich in den Tod, getragen von einer Kamera, die taumelt und wankt und die andeutet, dass die Welt der Liebenden aus den Fugen geraten ist. (Text-Stand: 9.10.2005)

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Fernsehfilm

3sat, ZDF

Mit Paula Kalenberg, August Diehl, Detlev Buck, Götz George, Katja Flint, Katharina Thalbach

Kamera: Tilman Büttner

Schnitt: Mona Bräuner

Musik: Kai Fischer

Produktionsfirma: Boje Buck Produktion

Drehbuch: Boris Naujoks, Leander Haußmann – nach Friedrich Schiller

Regie: Leander Haußmann

EA: 09.10.2005 20:15 Uhr | 3sat

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