Ein westfälisches Vorstadt-Idyll bekommt dicke Kratzer. So aufgeräumt wie die Vorgärten ist das Leben der drei Ruhrpottler-Ehen keineswegs. Bei Sabine & Georg steht am Hochzeitstag, den der Gatte mal wieder vergessen hat, der Gerichtsvollzieher auf der Matte. Die Beziehung von Moni und Helmut leidet unter ihrer sexuellen Enthaltsamkeit. Und Nicole und Frank strampeln sich ab, um endlich ein Kind zu bekommen – in vitro, an echten Sex ist kaum noch zu denken. Dabei denkt Nicole außer an ihr Nagelstudio an nichts anderes. Da hat sie etwas gemein mit Helmut, der nicht länger den Pantoffelheld geben möchte – und so haben die sexy Sächsin und das Alpha-Männchen bald eine Affäre. Georg steht das Wasser bis zum Hals, die Zwangsvollstreckung des Eigenheims droht. Geld brauchen auch die Freunde. Da gibt es nur eins: einen Raubüberfall. Ein verhasster Baumarktkönig wird als Opfer ausgeguckt. Doch kann das gut gehen mit drei Laien-Kriminellen, die den Überfall mit Playmobilfiguren proben?
„Jetzt sind wir dran“ ist eine typenstarke, handlungsintensive Ruhrpott-Komödie um ein liebenswertes Sextett. Der Überfall bleibt Mittel zum Zweck, im Zentrum steht das klein karierte Kleinstadtleben der drei Paare, die ihren Lebensstandard unbedingt halten wollen, sich in der Mitte des Lebens aber auch fragen, ob das denn nun bis zum Grab so weitergehen soll. Die Grundhaltung der Komödie von Heiko Schier, der sich nach „Wedding“ und „Wer hat Angst vor RotGelbBlau?“ als Autorenfilmer zurückmeldet, ist lebensbejahend. Die Figuren haben ihre Macken, werden aber liebevoll gezeichnet. Auch die Ehebrecher, die zwar vom Autor ihre Strafe bekommen, sind im tiefsten Inneren ihres Herzens zwei Nette. Wie im echten Leben unterliegen die Figuren starken Stimmungsschwankungen. Dramaturgisch kann man das als Schwachpunkt sehen, im Rahmen einer quirligen Charakter-Komödie ist es eher eine Stärke. Die sechs fast gleich gewichteten Figuren sorgen für Abwechslung, der Film hat außerdem Tempo und ist nie langweilig. Getragen wird er vom trockenen westfälischen Humor, gespickt mit kernigen Sprüchen, und von einer nahezu perfekten Besetzung.
Jan-Gregor Kremp hält wunderbar Tuchfühlung zum Drama, Rüdiger Klink verrät etwas von der Tragik, die in seiner Figur schlummert, und Ingo Naujoks macht einfach immer wieder Spaß. Aber auch die Frauen, bis auf Rebecca Immanuel, weniger prominent, sind ideal gecastet. Der Film über Fußball und Freundschaft, über Triebe und Hormone, über große Notlagen und kleine Notlügen ist keine intellektuelle Herausforderung, er kippt aber auch nie ins Deutsch-Klamaukige. Der Film zeigt Probleme, die viele Zuschauer kennen, aber sie werden nicht zur Last. Im Gegenteil. „Jetzt sind wir dran“ macht Spaß, weil er entlastet, entlastet vom Zwang, permanent intellektuell gefordert zu sein, permanent funktionieren zu müssen. Von daher ist er auch eine willkommene Abwechslung für einen Fernsehkritiker.