Diese Bilder werden einem in Erinnerung bleiben. Die junge Frau, die mit dem Moped durch die thüringische Landschaft fährt, der ausgemusterte Fußballtrainer, der mit hängenden Schultern über den Sportplatz schlurft, der fragende, unsichere Blick eines Jungen, dem offensichtlich der Vater fehlt. Auch die Menschenbilder wird man als Zuschauer nicht so schnell vergessen. Vor allem jenes Stehauffrauchen Jeanette, das immer wieder eine Idee hat, wie sie sich selbst aus der Enge des Alltags befreien und wie sie ihrem zehnjährigen Sohn ein wenig Freude bereiten könnte. Stefanie Stappenbeck spielt sie liebenswert – nach außen unverzagt und geradezu unbekümmert, doch man ahnt, wie es in ihr drinnen aussieht.
“Jena Paradies” ist ein poetischer Film. In der guten Beobachtungsgabe liegt das besondere Talent des dffb-Absolventen Marco Mittelstaedt. Dass er die renommierte Kamerafrau Judith Kaufmann für seinen Abschlussfilm gewinnen konnte, ist neben der grandiosen Hauptdarstellerin ein weiteres Plus dieses durchweg stimmigen Films, in dem es so vieles zu entdecken gibt. Da ist die Stadt Jena und ihre Umgebung. Da sehen wir, wie Erwachsene Kinder als Rettungsanker für ihre Einsamkeit missbrauchen. Wir erkennen, dass sich nicht nur die Heldin von ihren spießigen Eltern abschottet, sondern dass sich auch ihr antiautoritär erzogene Sohn verschließt. Man spürt Lebenshunger, Sehnsucht, Verzweiflung.
Es ist ein Film der leisen Botschaften. Ausgangspunkt der Geschichte war für Autorin Karen Matting die klettenhafte Liebe einer Freundin zu ihrem verheirateten Nachbar. Auch Jeanette klammert sich fast krankhaft an eine aussichtslose Leidenschaft. “Der Fokus richtete sich schließlich aber immer mehr auf die Mutter/Sohn-Beziehung, die sichtlich aus dem Gleichgewicht geraten ist”, so Matting. Neben Stefanie Stappenbeck, Hans-Jochen Wagner und Bruno F. Apitz als Wendeverlierer spielt auch die Landschaft, Thüringens sanfte Hügel, eine Hauptrolle. Matting: “Jena und seine Umgebung schien mir ideal als Bild und Spieglung für unsere Heldin, die eine ständige Berg- und Talfahrt durchlebt.” (Text-Stand: 14.8.2006)