Jasmin

Anne Schäfer, Wiebke Puls, Jan Fehse. Aus dem Leben einer Totmacherin

Foto: BR / Campino-Verleih
Foto Rainer Tittelbach

Jasmin hat ihr Kind umgebracht. Dr. Feldt muss eine sogenannte Exploration der jungen Mutter erstellen. Ein Raum, ein Tisch, zwei Frauen. Die eine stellt knappe, sachliche Fragen. Die andere antwortet, indem sie erzählt von sich und ihrem Leben. Es ist kein therapeutisches Gespräch, das die beiden Protagonisten in dem Zwei-Personen-Drama „Jasmin“ führen. Der Film von Jan Fehse ist die Rekonstruktion eines Lebens in Form eines nüchternen Kammerspiels. Lässt man sich als Zuschauer auf das Experiment ein, macht es einem vor allem Anne Schäfer mit ihrem Fast-Monolog über Jasmins Leben nicht schwer.

Jasmin hat ihr Kind umgebracht. Dr. Feldt muss eine sogenannte Exploration der jungen Mutter erstellen, die Grundlage für das gerichtlich angeordnete psychiatrische Gutachten sein wird. Drei bis vier Sitzungen sind geplant. Ich bin „eigentlich ein lebensfroher Mensch“, beginnt Jasmin ihre Erinnerungen an die Kindheit. Sie lächelt, wenn sie von ihrem Vater erzählt, der starb, als sie sechs war, und sie wird sehr ernst, wenn es um ihre Mutter geht – das Verhältnis zu ihr war immer gespannt. Früh schmeißt sie sich ins Leben und wird stets enttäuscht – von den Männern, den Freunden, dem Berufsleben. Allein erziehend eröffnet sie ein Café: es ist ihr großer Traum – ein kurzer Traum. Ihr Kind ist schwer krank, müsste einer Herztransplantation unterzogen werden. Seine Prognosen sind gut, ihre nicht. Jasmin kann nicht mehr. Einziger Ausweg, den sie sieht: „Ich bringt mich um und nehme Franziska mit.“

Ein Raum, ein Tisch, zwei Frauen. Die eine stellt knappe, sachliche Fragen. Die andere antwortet, indem sie erzählt von sich und ihrem Leben. Es ist kein therapeutisches Gespräch, das die beiden Protagonisten in dem Zwei-Personen-Drama „Jasmin“ führen. Aber es ist mehr als die bloße Fakten-Sammlung eines Lebens. Die Ärztin muss sich ein Bild machen von dieser Frau, die ihr Kind umgebracht hat, während sie selbst – ausgerechnet von der verhassten Mutter – gerettet wurde. Jetzt steht sie als Kindsmörderin da, wird bespuckt und verachtet. Dr. Feldt will verstehen, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte. Dafür dankt Jasmin der Psychiaterin, die immer wieder nachhakt, die alles ganz genau wissen will und ständig mitschreibt: „Sie nehmen mich ernst, das bin ich nicht gewohnt.“ Auch wenn die junge Frau zu Beginn der ersten Sitzung feststellt, „Irgendetwas sagt mir: wir haben etwas gemeinsam“ – die Kommunikation bleibt einseitig, die Patientin/Täterin monologisiert und Dr. Feldt wird kaum mehr über sich verraten, als es die Regel bei solchen Explorationsgesprächen ist. Es wird nicht zur fiktional-filmischen Annäherung der Frauen kommen, in kleinen Gesten spiegelt sich allenfalls, dass diese Psychiaterin professionelle Distanz nicht mit Gefühlskälte verwechselt. Sie scheint eindeutig starke Depressionen bei Jasmin zu diagnostizieren, erkennt die Neigung, „Dinge grüblerisch zu denken“, während Jasmin von „einer beschissenen Aneinanderreihung von falschen Entscheidungen“ spricht und von eigenen Fehlern.

Regisseur Jan Fehse über die Dreharbeiten:
„Das Konzept, diesen Film mit sieben Kameras gleichzeitig und an nur vier Tagen zu drehen, war für mich der logische und konsequente Weg, diesen Stoff umzusetzen. So konnte ich mich vollständig auf die Schauspieler konzentrieren. Und sie wussten: Sie können ihre gesamte Energie und Emotionen in einen Take legen, teilweise 50 Minuten am Stück.“

„Jasmin“ ist die Rekonstruktion eines Lebens in Form eines nüchternen Kammerspiels. Kein Duell, wie Filmkritiker schrieben, sondern eine Reise in die düstere Vergangenheit einer Kindsmörderin – mit dem Ziel der Tatnacht. Ein Erinnern an jene Zeit, „wo sie selbst nicht mehr am Steuer ihres Fahrzeuges saß, sondern von der Krankheit gesteuert wird“, so Jan Fehse. Der Regisseur hatte sofort große Lust, das Drehbuch von Christian Lyra, dessen Interesse  während seines Zivildienstes „an solchen Themen“ geweckt wurde, zu verfilmen. Die „Verhörsituation“ ist nicht nur dem schmalen Budget geschuldet. Spätestens seit Romuald Karmakars „Der Totmacher“ mit Götz George weiß man um den Reiz solcher Filme. Das Experiment, nur mit Sprache und zurückgenommenen darstellerischen Mitteln zu arbeiten, ist auch für den Zuschauer ein Experiment. Kann ich im Zeitalter der Bilder noch zuhören? Will ich das überhaupt?… Lässt man sich darauf ein, dann macht es einem besonders Anne Schäfer mit dem Monolog über Jasmins Leben nicht schwer. (Text-Stand: 16.5.2013)

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