Seine Herkunft liegt im Dunkeln. Der junge Kämpe Isenhart, der nicht nur vorzüglich mit dem Schwert umzugehen weiß, sondern dem auch außergewöhnliche Bildung zuteil wurde, schickt sich an, eine Art Profiler des Mittelalters zu werden. Nach dem bestialischen Mord an seiner Jugendliebe Anna begibt er sich mit deren Bruder auf die Suche nach dem Verbrecher, der seiner Liebsten das Herz aus dem Leib gerissen hat. Er spürt ähnlichen Gräueltaten nach. „Es ist ein Muster, ein vorgezeichneter Weg, nach dem er mordet“, erkennt der Mann, der die Privilegien des Adels genießen durfte und der mit der Kirche mehr und mehr auf dem Kriegsfuß steht. Eine tiefe Seelenverwandtschaft in dem Streben nach Wissen verbindet ihn bald mit Henning, dem Zögling eines freigeistigen Medicus’. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach dem brutalen Schlächter, den offenbar auch die wissenschaftliche Neugier zu seinen blutigen Taten treibt. Will dieser die Existenz der Seele erforschen? Kommt Isenhart damit dem Geheimnis seiner Herkunft auf die Spur? Ist vielleicht sogar sein Vater der Mörder?
Foto: Pro Sieben / Gabor Klinsky
Ritterspiele mit Krimi-Einlage, Profiling im finsteren Mittelalter – ein nicht alltäglicher Genre-Mix, eine Idee mit Potenzial. Trotz des fernsehungewöhnlichen Ambientes zieht einen das Event-Movie „Isenhart – Die Jagd nach dem Seelenfänger“ rasch in seinen Bann. Nach der figurenorientierten Exposition und dem ersten überaus ansehnlichen „Gemetzel“ ist der Weg frei für ein schlagkräftiges Road-Movie zu Pferde in Kettenhemd und Kutte. Schade nur, dass Holger Karsten Schmidt in Anlehnung an die Geschichte vom gelehrten und gelernten Schmied Isenhart nicht das Eisen schmiedet, solange es heiß ist. So wird die langwierige Jagd nach dem Seelenfänger überlagert von einer Reise ins Ich des Helden, die zwischenzeitlich in eine Suche nach seinem geheimnisvollen Vater übergeht. Das mag ein Kern des 800-seitigen Romans von Holger Karsten Schmidt sein, den Spannungsfluss hemmen diese Exkurse aber immer wieder und sie nehmen der Geschichte zwischenzeitlich ihre Geschlossenheit. Nach 70 Minuten ist man plötzlich nicht mehr richtig drinnen im Geschehen. Man vermisst die Hitze der Erzählung. Und trotz der Thematisierung der biographischen Wurzeln des Helden ist man als Zuschauer von jenem Isenhart sehr viel weiter weg als von „Wanderhure“ Marie Schärer, mit der man als Zuschauer förmlich zwei Stunden gefangen war im tiefsten Mittelalter.
Foto: Pro Sieben / Gabor Klinsky
Vielleicht ist es auch ein wahrnehmungspsychologisches Problem. Wer in realistischen Gegenwartsgenres zuhause ist, der ist anfangs fasziniert von der sinnlichen Anmut und der physisch kraftvollen Direktheit dieser dreckigen Epoche – und beeindruckt von Szenen, die man so in einer deutschen TV-Produktion noch nicht gesehen hat: Obduktionen im Mittelalter nach „CSI“-Manier, eine furios aufgelöste dramatische Schlüsselszene im Kloster Maulbronn, das Wald-WG-Camp mit der entlastenden, wiederkehrenden Romantik am Fluss etc. Was Hansjörg Thurn, die Ausstatter, die Kamera oder der Cutter 120 Minuten zaubern, liegt handwerklich noch über dem, was Thurns „Die Wanderhure“ zu bieten hatte.
Doch irgendwann lässt die Aufmerksamkeit nach. Wenn dann in der ermüdenden Dunkelheit der rote Faden der Handlung nicht mehr deutlich genug auszumachen ist, wenn er sich verläuft in den engen Gassen und verbalen Exkursen in Toledo, wird es schwer für den Zuschauer und schwer für das Genre. Zunächst gehen im düsteren Mittelalter-Look des Films und durch die schwindende Konzentration des Zuschauers die geistesgeschichtlichen Implikationen (Glauben vs. Wissen, Kirchen vs. Wissenschaft, Religionskonflikte, Grundlagen des antiken Denkens) verloren, dann bleibt das Spannungsempfinden auf der Strecke. Da helfen auch die ästhetischen Referenzspuren zu Umberto Ecos „Im Namen der Rose“ oder Patrick Süskinds „Das Parfüm“ nicht. Der Zuschauer hat sich gewöhnt an die visuelle Brillanz. Jetzt wäre es an der Story, einen wieder zu packen. Das aber passiert erst wieder in den letzten 25 Minuten. Da gelangt die Geschichte über ein verbales Duell in bizarrer Ausstattung und einen Zweikampf zu ihrem eigentlichen Kern – zur Seele des Films.