Auf den Sendeplätzen, die im Ersten mit Filmen der ARD-Tochter Degeto bespielt werden, geht es recht überschaubar zu, was die Genres angeht. Da die Zielgruppe dieser Produktionen überwiegend weiblich ist, gibt es neben den diversen Krimireihen im Grunde nur zwei Programmfarben: die Romanze und den Selbstfindungsfilm; wobei das eine das andere selbstredend nicht ausschließt. Einigen Genres wie beispielsweise dem Abenteuerfilm sind also gewissermaßen natürliche Grenzen gesetzt – es sei denn, die Hauptfigur ist eine Frau. „Inseln vor dem Wind“ zeigt, dass diese Kombination durchaus funktionieren kann.
„Inseln vor dem Wind“ ist dem Titel zum Trotz alles andere als ein Ausflug mit dem „Traumschiff“ oder ins „Traumhotel“; selbst wenn die ausgesprochen synthetisch klingende Musik dies immer wieder nahe legen möchte. Heldin der Geschichte ist Meeresarchäologin Claudia, die dank jahrelanger Archivarbeit einer Legende auf der Spur ist: Der Überlieferung nach hat im 16. Jahrhundert eine aztekische Prinzessin einen spanischen Eroberer geheiratet. Ihre Mitgift bestand unter anderem aus einem riesigen Smaragd. Doch das Schiff ist während der Überfahrt irgendwo in der Karibik untergegangen; der Schatz ist seither verschollen. Claudia hat eine alte Seekarte entdeckt, derzufolge die spanische Galeone vor der Küste Grenadas gesunken sein muss. Ins Rollen kommt die Handlung, als sich Claudias Doktorvater die Rechercheergebnisse unter den Nagel reißen und eine eigene Expedition auf die Beine stellen will. Kurzerhand gibt sich Claudia gegenüber dem Besitzer des Schiffes, das gechartert werden soll, als offizielle Abgesandte des Instituts aus. Auf diese Weise erleben beide ihre Überraschung: Skipper Rick, weil sich der angekündigte Doktor Harding als Frau entpuppt; und Claudia, weil die vollmundig angepriesene „Diamond“ ein maroder Seelenverkäufer ist. Auch der gleichfalls promovierte Rick sucht seit Jahren nach der sagenumwobenen Galeone sucht, man wird sich also allen Ressentiments zum Trotz handelseinig. Aber weil sie dem Abenteurer nicht traut, engagiert Claudia den erfahrenen Seemann Jan, nicht ahnend, dass sie damit nicht nur das Projekt, sondern auch das Leben der Besatzung aufs Spiel setzt.
Regisseur Dietmar Klein arbeitet häufig für die Degeto, er weiß, was von ihm erwartet wird, und das liefert er auch ab. „Inseln vor dem Wind“ hätte das Zeug zu einem fesselnden Abenteuerfilm – mit Unterwasserszenen, Action, Verrat und Duellen auf Leben und Tod. Dies alles hat der Film sogar zu bieten, aber in der „light“-Version. Und so plätschert die Handlung ein bisschen höhepunktlos vor sich hin, weil Klein die spannenden Momente mit angezogener Handbremse inszeniert. Wenn Claudia zu ertrinken droht, weil sich ihr Sauerstoffschlauch an einem Stein verfangen hat, beschleunigt das den Puls ebenso wenig wie ein Zweikampf zwischen Jan und Ricks leutseligem russischen Maschinisten, der gleichzeitig auch Koch ist. Die Bilder aus der Karibik sind allerdings prachtvoll (Kamera: Gero Lasnig), die unvermeidliche Romanze wird angenehm beiläufig eingefädelt, und die Beziehung zwischen Rick und dem korrupten Polizeipräsidenten ist eine sympathische Hommage an „Casablanca“.