Inga Lindström – Tanz mit mir

Sina Valeska Jung, Hoffmann, Sadlo, Kiefersauer. Flüssig erzählt, aber belanglos

Foto: ZDF / Daniel von Malmborg
Foto Tilmann P. Gangloff

Sonntagsfilme im ZDF sollen nicht die Welt verändern, sondern die Zeit vertreiben. Trotzdem müssen sich reine Unterhaltung und ein gewisser Anspruch nicht gegenseitig ausschließen. „Tanz mit mir“ über eine Frau, in deren Leben von einem Moment auf den anderen sämtliche Gewissheiten wegbrechen, ist jedoch ein Film, der schon Tags drauf wieder vergessen ist. Das liegt nicht zuletzt an den Darstellern: Während die „Herzkino“-Beiträge sonst häufig für die eine oder andere schauspielerische Entdeckung gut sind, agieren hier gerade die weiblichen Mitwirkenden wie in den täglichen Serien, durch die sie bekannt geworden sind.

Zuletzt waren „Inga Lindström“-Episoden wie etwa „Willkommen im Leben“ im Rahmen des sogenannten ZDF-„Herzkinos“ durchaus sehenswert. Bei „Tanz mit mir“ macht Lindström-Autorin Christiane Sadlo die Geschichte seltsamerweise kleiner, als sie eigentlich ist, obwohl der Film sogar recht handlungsreich ist. Eva (Sina Valeska Jung, ehemals „Verbotene Liebe), Mitte dreißig, droht innerhalb kürzester Zeit erst ihren Job und dann ihre Bleibe zu verlieren: Sie lebt davon, Möbel zu restaurieren, träumt von einem Dasein als Innenarchitektin und kündigt kurzerhand, als ihr egoistischer Chef (Thomas Arnold) sie wieder mal ungerecht behandelt. Räumlichkeiten für eine eigene Firma gäbe es auch schon: Mutter Meret (Teresa Harder) betreibt eine Tanzschule, wird aber langsam zu alt für die Arbeit und sähe es gern, dass Eva ihre Nachfolge antritt; die würde das Studio jedoch lieber nutzen, um ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. Aber dann platzen beide Träume auf einen Schlag: Es stellt sich raus, dass sowohl die Tanzschule wie auch die angrenzende Wohnung, in der die verwitwete Meret mit Eva und deren 15jähriger Tochter Lissi (Katharina Stark) lebt, keineswegs Merets Eigentum sind, wie alle drei immer dachten; zumindest gibt es keine entsprechenden Dokumente. Deshalb werden die Frauen demnächst auf der Straße stehen, denn das Haus gehört der Immobiliengruppe von Sten Stenmark (Matthias Ziesing), und der hat eigene Pläne.

Nun entwickeln sich auf gleich drei Ebenen amouröse Verhältnisse: Meret hatte einst eine Affäre mit Stenmark senior (August Schmölzer), deren Ergebnis, man ahnt es, Eva ist, was aber außer ihr und ihm niemand weiß. Der alte Stenmark war damals verheiratet und hat Meret Wohnung und Tanzstudio überlassen. Der junior möchte nun aus dem Saal ein Liebesloft für sich und seine Freundin Ira (Anna Lena Class, ehemals „Rote Rosen“) machen. Ira ist frisch geschieden; ihr Ex-Mann Alban (Mike Hoffmann) ist Evas neuer Nachbar, zu dem sie gerade zarte Bande geknüpft hat. Aber dann wird ihr das alles zu kompliziert, weil sich Ira und Alban für ihren Geschmack viel zu oft sehen: Sie haben nicht nur einen gemeinsamen Sohn, sondern auch ein Architekturbüro; und ausgerechnet Alban hat, ohne es zu ahnen, Iras Entwurf für den Umbau des Tanzsaals perfektioniert.

Inga Lindström – Tanz mit mirFoto: ZDF / Daniel von Malmborg
Der offensichtliche Gegenspieler: Eigentümer Sten Stenmark (Matthias Ziesing) überbringt Eva (Sina Valeska Jung) keine guten Neuigkeiten. Anna Lena Class

Man muss Regisseur Matthias Kiefersauer und Autorin Christiane Sadlo, die sich in der Regel hinter dem Sammelpseudonym „Inga Lindström“ verbirgt, zugute halten, dass sie die kompliziert klingende Geschichte sehr flüssig erzählen. Trotz der vielen Verwicklungen fließt die Handlung schnörkellos geradeaus. Genau dies ist neben den mit Ausnahme von Teresa Harder, August Schmölzer & Mike Hoffmann überwiegend ausstrahlungsarmen Schauspielern jedoch das Problem des Films: Subjektiv sind die geschilderten Probleme fraglos existenzieller Natur, aber weil alles so schön bunt und sonnig ist, wirken die Herausforderungen gänzlich undramatisch. Selbst die Erkenntnis, dass ihr verstorbener Vater nicht ihr Erzeuger war und sie 35 Jahre lang mit einer Lüge gelebt hat, scheint Eva nicht weiter zu irritieren. Diese Reibungsarmut hat fast zwangsläufig zur Folge, dass sich die Anteilnahme mit den Figuren in Grenzen hält, erst recht, wenn sie mangels darstellerischer Tiefe oberflächlich bleiben; dann kann so ein Film nicht funktionieren, weil er bestenfalls aus hübscher Verpackung besteht.

Prompt fallen auch Aspekte negativ ins Gewicht, über die sich ansonsten hinwegsehen ließe; etwa, dass Eva-Darstellerin Jung ihre Sätze am Ende oft in die Höhe zieht, als würde sie eine Frage stellen. Wenig ersprießlich ist auch die titelgebende zentrale Drehbuchidee: Beim Tanzen, findet Eva, werde die Seele sichtbar, weshalb sie ihrem großen Talent mangels Partner irgendwann abgeschworen hat. Natürlich kommt es dennoch zu Tanzszenen, bei denen sich aber keinerlei Magie einstellt. Beim Pas de deux mit Erik (Vladimir Kornejew), der im Studio für einen Wettbewerb trainiert, passt das sogar zur Handlung, denn Eva erwidert seine Gefühle nicht. Trotzdem liegt es nicht nur daran, dass beim gemeinsamen Tanz keinerlei Knistern entsteht. Die Bilder sollen offenkundig sinnlich und betörend sein, aber gerade Jung sieht aus, als frage sie sich, welcher Gesichtausdruck angemessen sei. Letztlich hat die Szene ohnehin nur den sehr durchschaubaren dramaturgischen Zweck, dass Alban denken soll, Eva hätte was mit Erik. Regelrecht zum Fremdschämen ist ein Moment, in dem Eva Alban bittet, für die Tanzschüler Musik zu machen. Er gesteht, er habe als Jugendlicher davon geträumt, als Rockstar oder DJ gefeiert zu werden, woraufhin sie in peinlichen Jubel ausbricht.

Anders als die sonstigen „Lindström“-Beiträge, die stets auch von den traumhaft schönen Schauplätzen profitieren, spielt „Tanz mit mir“ in Stockholm; die Geschichte könnte sich genauso gut in Berlin zutragen. Nett ist immerhin die Drehbuchidee, Eva und Alban ganz unzeitgemäß miteinander kommunizieren zu lassen: Der Architekt wohnt Luftlinie nur einen kurzen Steinwurf entfernt, und da sie keine Telefonnummern ausgetauscht haben, verständigen sie sich mit DIN-A-4 großen Zeichnungen. Viel mehr aber hat der Film nicht zu bieten, zumal einige Einfälle viel zu ungelenk umgesetzt sind, etwa der „Schubser“ durch die zuschwingende Hecktür eines Transporters, der dafür sorgt, dass Eva in Albans Armen landet, oder ein über Kreuz montierter Dialog der beiden Paare Eva/Alban und Ira/Sten, die das gleiche Gespräch führen; ein Stilmittel, das in guten Komödien charmant und amüsant, hier aber bloß erzwungen wirkt. Eine lobende Erwähnung verdient immerhin die junge Katharina Stark, die ihre Sache als Evas Tochter recht gut macht. Lissi ist es auch, die ihrer Mutter eine Lektion verpasst, als Eva die Beziehung mit Alban zu kompliziert wird. Dabei nicht altklug zu erscheinen, ist ein echtes Kunststück. (Text-Stand: 23.12.2016)

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Reihe

ZDF

Mit Sina Valeska Jung, Teresa Harder, Mike Hoffmann, August Schmölzer, Katharina Stark, Anna Lena Class, Matthias Ziesing, Vladimir Kornejew, Max Florian Hoppe

Kamera: Thomas Etzold

Szenenbild: Dieter Bächle

Kostüm: Martina Korte

Schnitt: Christian Nauheimer

Musik: Christoph Zirngibl

Soundtrack: Stevie Wonder („Signed, Seals, Delivered I’m Yours“), Elvis Presley (“Can’t Help Falling In Love”)

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Christiane Sadlo

Regie: Matthias Kiefersauer

Quote: 5,08 Mio. Zuschauer (13,6% MA); Wh. (2020): 3,68 Mio. (10,3% MA)

EA: 15.01.2017 20:15 Uhr | ZDF

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