Brüder und Schwestern verbindet ein besonderes Band. Anders als bei Ex-Männern und -frauen gibt es keinen Begriff für beendete Beziehungen zwischen Geschwistern. Entsprechende Geschichten handeln daher immer auch von einer Balance zwischen Glück und Unglück, erst recht, wenn bereits vorhandene Konflikte eskalieren, weil sich zum Beispiel zwei Schwestern um die dreißig in denselben Mann verlieben… Und genau darum geht es in der „Inga Lindström“-Romanze „Schmetterlinge im Bauch“. Genau genommen erzählt Stefanie Sycholt (Buch und Regie) sogar von drei Geschwisterbeziehungen. In einem Fall handelt es sich zwar nur um Cousins, aber die beiden Männer sind als Rivalen um die Gunst des gemeinsamen Großvaters aufgewachsen. Dessen Testament bringt die Handlung ins Rollen, als Love (Max Woelky) und Karl (Stephen Appleton) den letzten Wunsch ihres Opas erfüllen und die Asche seines geliebten Hundes auf dem Meer verteilen wollen. Eher zufällig ebenfalls mit an Bord ist Insektenforscherin Liv (Sinja Dieks). Sie kommt wie gerufen, zumindest aus Sicht von Love, denn das Testament fordert die beiden Erben zu einem Wettstreit heraus: Karl muss eine sinnvolle Nutzung für das geräumige Eigenheim finden, Love soll dafür sorgen, dass die Schmetterlingszüchtung in die richtigen Hände kommt. Liv hat jedoch gar keine Zeit für Nebenschauplätze: Ihre Masterarbeit gilt der Ausbreitung der asiatischen Tigermücke in Schweden, und wenn sie den bevorstehenden Abgabetermin nicht einhält, kann sie ihre anschließende Promotion vergessen. Love und seine Schmetterlinge gehen ihr zwar nicht mehr aus dem Kopf, doch es gibt zwei weitere Gründe, die gegen eine Beziehung sprechen: Ihre Schwester Smilla (Maxine Kazis) ist überzeugt, dass der schmucke Pilot die große Liebe ist, die ihr einst von einer Wahrsagerin prophezeit wurde. Und dann ist da noch Per (Marian Kindermann), dessen Antrag Liv gerade erst angenommen hat.
Foto: ZDF / Ralf Wilschewski
Natürlich gibt es keinerlei Zweifel, wie die Sache ausgehen wird, und es wird auch niemanden überraschen, dass fünf einer zuviel sind; Per sieht aus wie Clark Kent, allerdings ohne ein Alter Ego als Superman. Der Reiz des Films resultiert also aus der Frage, wie sich die Paare finden werden; und wie gut die Regie die Mitwirkenden geführt hat. „Schmetterlinge im Bauch“ ist Stefanie Sycholts achte „Inga Lindström“-Episode seit 2016. Ihre Geschichten waren mal heiter, mal moderat dramatisch, aber fast ausnahmslos sehenswert; und sie zeichneten sich stets durch besondere Hauptdarstellerinnen aus. Das gilt auch diesmal. Bei Sinja Dieks („Der Bozen-Krimi“) ist das keine Überraschung, sie kennt das Genre gut, aber die interessantere Rolle hat Maxine Kazis. Die Schweizerin mit griechischen Wurzeln wirbelt derart temperamentvoll durch die Handlung, dass alle anderen Mitwirkenden kaum eine Chance haben, sich ähnlich zu profilieren. Die ältere Liv hat sich stets für Smilla verantwortlich gefühlt und darüber ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigt. Smilla wiederum konnte sich immer auf die Schwester verlassen und ist vielleicht auch deshalb bis heute nicht erwachsen geworden; die beiden sind wie Kosmos und Chaos, auch wenn sich hinter der notorischen guten Laune der Jüngeren selbstredend eine sensible Seele verbirgt. Als die Balance erheblich ins Wanken gerät, weil Livs Liebe zu Love letztlich stärker ist als ihre Vorbehalte, brechen die unterdrückten Gefühle aus Smilla heraus wie aus einem Vulkan.
Die Gegensätze zwischen den Schwestern prägen auch das Kostümbild: Smilla trägt gern Knallrot, Liv bevorzugt dunkle Grüntöne. Allerdings mehren sich im Verlauf der Handlung die roten Farbtupfer, und unter dem Grün offenbart schließlich auch sie rote Farben. Außerdem gibt es einen Spiegel für ihre Beziehung: Ihre Mutter und die dement in einem Pflegeheim lebende Tante (Gudrun Gabriel), von deren Existenz Smilla gar nichts weiß, hatten in ihrer Kindheit offenbar ein ähnliches Verhältnis. Angesichts der gerade durch die Kontraste zusätzlich aufgewerteten zauberhaften Schwestern verblassen die Männer fast zwangsläufig, selbst wenn sich Max Woelky, der Zielgruppe nicht zuletzt als Wolfflüsterer aus der ARD-Freitagsfilmreihe „Reiterhof Wildenstein“ bekannt, alle Mühe gibt, dem Namen seiner zu allerlei Wortspielen einladenden Rolle gerecht zu werden („Love“, mit langem O, ist die skandinavische Variante von Louis). Stephen Appleton verkörpert Cousin Karl fast zu sehr als Schurke, um ihm ein Happy End zu gönnen, aber wie es Sycholt gelingt, selbst Livs steifem Professor (Steffen Münster) zu einem glaubhaften Glück zu verhelfen, ist hübsch eingefädelt.