Dieser Film wird weder Fernsehgeschichte schreiben noch irgendwelche Preise gewinnen; und vermutlich wird er selbst bei Zuschauern, die sich neunzig Minuten sehr gut unterhalten gefühlt haben, bald in Vergessenheit geraten. Trotzdem ist „Liebe verjährt nicht“ ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich für einen Sendeplatz, der gern als seicht eingeschätzt wird, Qualität produzieren lässt. Ja, die Geschichte ist nicht originell, und die optisch wie akustisch konsequent auf Wohlgefallen getrimmte Umsetzung entspricht den bekannten Rahmenbedingungen des „Herzkinos“; aber im Unterschied zu manch’ anderen Produktionen, mit denen das ZDF seinem Publikum sonntags um 20.15 Uhr einen anspruchslosen Ausklang des Wochenendes bescheren will, bietet das romantische Drama Genuss ohne Reue. Selbst wenn sich aus Sicht vieler Kritiker der Begriff „Kunst“ verbietet, weil sie solche Filme nicht für Zeitvertreib, sondern für Zeitverschwendung halten: Regisseur Oliver Dieckmann hat dank Buch, Bildgestaltung und Musik ein stimmiges Gesamtkunstwerk gestaltet. Die Einzelteile mögen für sich genommen nicht außergewöhnlich sein, aber in ihrer Komposition ergeben sie gerade auch dank der erfrischenden jungen Darsteller ein rundum gelungenes Filmvergnügen.
Dieckmann hat das Buch gemeinsam mit Aline Ruiz Fernandez geschrieben; die beiden haben zuletzt auch bei dem ähnlich sympathischen „Inga Lindström“-Liebesdrama „Feuer und Glas“ zusammengearbeitet. Das erklärt die eine oder andere inhaltliche Parallele sowie einen kleinen Insider-Gag: Als sich das zukünftige Paar das erste Mal begegnet, improvisieren die beiden ein Rollenspiel; etwas Ähnliches gab es auch in „Liebe in Glas“. Dort ging es um die (fiktive) Glasmanufaktur Vikander, die Hauptfigur Maren (Lena Meckel) hier erwähnt, um den Preis für eine stinknormale Vase in die Höhe zu treiben. In beiden Geschichten ist ein Vater ein ziemlich grantiger Typ, dem es niemand recht machen kann. Maren bekommt seinen Unmut besonders zu spüren, zumal über der Familie seit 25 Jahren ein Schatten des Zweifels schwebt.
Zunächst erzählt „Liebe verjährt nicht“ jedoch eine ganz andere Geschichte: Die junge Frau will mit einem Kompagnon in der Bretagne eine Surfschule eröffnen. Sie möchte die Silberhochzeit ihrer Eltern nutzen, um sich zu verabschieden, aber dann entdeckt sie in einem Trödelladen bei der Suche nach einem Geschenk ein Aktgemälde, das zweifelsfrei ihre Mutter Anna (Ursula Buschhorn) zeigt. Außerdem trifft sie in dem Geschäft auf Lennart (Tommy Schlesser), in den sie schon zu Schulzeiten verliebt war. Der junge Mann ist mittlerweile Kunsthistoriker und erkennt in dem Bild die Handschrift eines nur unter Pseudonym bekannten Künstlers, um den es seit einiger Zeit still geworden ist. Zwischen Marens Eltern, die gemeinsam ein Hotel mit Restaurant führen, sorgt das Gemälde für einigen Wirbel. Endlich erfährt die Tochter, warum ihr Vater, der patriarchalische Sternekoch Adam (Carl Achleitner), immer so abweisend zu ihr ist: Anna hatte einst ein Verhältnis mit einem Maler. Natürlich will Maren wissen, ob der Mann ihr Vater ist. Lennart hilft ihr gern bei der Suche …
Dieckmanns Filme waren bislang stets sehenswert, vom traurig-schönen Debüt „Pizza und Marmelade“ (BR 2009) über das ARD-Weihnachtsmärchen „Dornröschen“ (2009) bis hin zum Kinofilm „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ (2011). Auch „Liebe verjährt nicht“ wirkt wie aus einem Guss, zumal sich gleich mehrere junge Schauspieler für weitere Aufgaben empfehlen. Lena Meckel ist bereits als Hauptdarstellerin des Pilcher-Films „Das Vermächtnis unseres Vaters“ (2018, ZDF) positiv aufgefallen und hat diesen guten Eindruck zuletzt als Filmtochter von Adnan Maral in der ARD-Komödie „Servus, Schwiegersohn!“ (2019) bestätigt. Eine Entdeckung ist Tommy Schlesser, der in jeder Hinsicht eine gute Figur macht. Und während Nebenbuhlerinnen im „Herzkino“ meist als Zicke eingeführt werden, damit nur ja keine Zweifel an der Bestimmung des Liebespaars aufkommen, darf Lea Louisa Wolfram Lennarts Exfreundin Sophie durchaus liebenswürdig verkörpern. Deshalb tut ihr die ahnungslose Maren auch den Gefallen, ein romantisches Versöhnungsdinner zu arrangieren.
Zu den vielen charmanten Ideen des Drehbuchs gehört eine witzige Schrankszene, in der sich Maren und Lennart buchstäblich näherkommen, als sie im Büro der Friedhofverwaltung nach der Adresse des unbekannten Künstlers suchen. Sehr gut ins Gesamtgefüge passen auch die Besuche Marens bei ihrem vermeintlichen Vater, dem Thomas Balou Martin das angemessene Format gibt. Ebenfalls mehr als bloß Stichwortgeberin ist Meriel Hinsching als Nellis Schwester, die im Hotel hilft, aber viel lieber auf dem nachbarschaftlichen Gestüt arbeiten würde; die Szenen mit den beiden Schwestern wirken sehr natürlich. Selbstverständlich hat Dieckmann nicht auf die üblichen Fernwehbilder mit Sonne und Meer verzichtet, aber die Bildgestaltung (Sebastian Wiegärtner) versucht dennoch, aus den optischen Klischees des Sendeplatzes das Beste zu machen. Auch die Musik (Martina Eisenreich), anfangs stramm auf zuckrigem „Lindström“-Kurs, emanzipiert sich bald von der gewohnten Gefälligkeit und sorgt für ansprechende sanfte Untermalung. Gegen Ende überschlagen sich die Ereignisse, als sämtliche Beteiligten aufeinander treffen und zu allem Überfluss auch noch eine Restaurantkritikerin auftaucht, aber schließlich kann sich sogar der Grießgram Adam, dessen flüchtige Ähnlichkeit mit Alfons Schubeck sicher kein Zufall ist, ein Lächeln nicht verkneifen.