Eva Sellgren wirft nichts aus der Bahn, mal wieder hat es der alleinerziehenden Mutter die Existenzgrundlage zerschlagen. Ihr idyllisch gelegener Kiosk am Meer soll abgerissen werden. Und was macht sie? Sie verdingt sich als Haushälterin bei einem Unternehmensberater, der zurückgezogen mit seinem Sekretär einen prächtigen Landsitz bewohnt. Der Spaß am Leben scheint diesem Mann vergangen zu sein. Er versteckt sich hinter strengen Ritualen, flüchtet sich in seine edle Trutzburg, hält stille Einkehr in einem für die anderen verbotenen Zimmer. Als Eva das Geheimnis um diesen Eigenbrötler zugetragen wird, der zwanghaft gefangen ist in seinen ungesunden Gefühlen, ist sie hin und her gerissen. Als liebende Mutter einer studierenden Tochter und eines 13jährigen Sohns aber kann sie diesen Mann nicht verstehen. Immer wieder konfrontiert sie jenen Kristian mit seiner kühlen, autistischen Art. Doch der Mann mit dem Herz aus Eis schafft es nicht, über seinen Schatten zu springen.
Längst hat es das ZDF aufgegeben, die frauenaffine Zuschauerschaft des „Herzkinos“ am Sonntag mit simplen Liebesgeschichten zu beglücken, in denen es um nichts anderes als die Variation des immergleichen Glücksversprechens geht, das da heißt: Happy End für ein neues Paar. Die Nebenplots werden stattdessen dichter, die Beziehungsprobleme allgemeingültiger, die Gefühlslagen alltagsnäher. Die „Inga-Lindström“-Reihe wildert seit Jahren mehr oder weniger geschickt in den verschiedensten Genres und mixt immer wieder die Tonlagen der Filme. So ausgedacht die Storys oft auch klingen und so stereotyp die Handlungen im Großen auch verlaufen mögen, im Detail ist vieles dramaturgisch und psychologisch durchdachter, als man annehmen mag. Das gilt auch für Christiane Sadlos „Herz aus Eis“, der Geschichte von der verletzten Kinderseele, dem vereisten Männerherz und der patenten weiblichen „Retterin“. In Genrefilm-Manier spiegelt das Melo von Martin Gies unterhaltsam zwischen seinen trivialen Motiven viele kleine Wahrheiten – sei es über das Verhalten von Trennungskindern, die sich gern angepasst und überrücksichtsvoll ihren Schmerz schön reden, sei es über die Psychologie verlassener Frauen oder trauender Männer. Da wird einiges in den Dialogen an- und von weiblicher Seite deutlich ausgesprochen, doch Sadlo setzt in guter alter Trivialliteraturmanier stets auch auf verdichtende Metaphern. So wird die kindliche Verletzung im Bild einer offenen Wunde, die durch ein im Teenagertrotz gestochenes Tattoo hervorgerufen wurde, nicht nur noch einmal sichtbar gemacht, nein, diese Wunde spiegelt zugleich auch die Angst und das Gefühl der eigenen „Wertlosigkeit“. Solange nicht mindestens eine Blutvergiftung droht, nimmt das Kind seinen eigenen Schmerz gar nicht erst wahr.
Die Besetzung scheint auf dem Papier nicht der Renner zu sein. Doch Carin C. Tietze und Philippe Brenninkmeyer, beides nicht gerade frische TV-Gesichter, erweisen sich als sehr geeignet für ihre Rollen. Sie überzeugt als Sponti-Frau mit dem Herz am rechten Fleck und ein bisschen Küchenpsychologie im Gepäck. Und ihm gelingt nicht zum ersten Mal die Gratwanderung, kultivierte Unnahbarkeit auszustrahlen und dennoch den Pflichten einer männlichen Melodram-Hauptfigur nahezukommen – sprich: nicht völlig unsympathisch zu erscheinen. Die zweite Hälfte des Films wird maßgeblich mitgetragen vom großen Talent der während der Dreharbeiten 12jährigen Meira Durand („Die Sterntaler“). Bei allen darstellerischen und trivialen Qualitäten – „Inga Lindström“ bleibt immer auch eine Frage des Gefühls. So wie man in „Herz aus Eis“ Zeuge wird, wie Gutes zu tun, ein angenehmes Gefühl erzeugen kann, so kann es eben auch ein wohliges Gefühl nach sich ziehen, als Zuschauer solch einer Szene beizuwohnen. Kann, muss aber nicht! (Text-Stand: 29.8.2013)