Schon die ersten Bilder mit ihrer gleichermaßen schwungvollen wie zärtlichen Musik geben den Rhythmus dieses Films vor. Kristie Kristofferson (Maya Haddad) platzt geradezu vor Lebensfreude, und sie hat auch allen Grund dazu: Vor einem halben Jahr ist ihr ein neues Herz eingesetzt worden. Sie soll sich zwar noch schonen, schafft das jedoch nur mit Mühe. Am Strand lernt sie einen Mann kennen, der sich als ihre große Kindergartenliebe entpuppt. Die beiden waren einst wie Pech und Schwefel, bis Sixten quasi über Nacht verschwand. Damals sind seine Eltern gestorben, weshalb er sich kaum noch an diese Zeit erinnern kann. Der erwachsene Sixten (Max Koch) entpuppt sich als liebenswerter Chaot, dessen ausgefallene Geschäftsideen allerdings regelmäßig scheitern. Rasch stellt sich heraus, das sich die beiden perfekt ergänzen: Maya, mittlerweile um die dreißig, kann eine Prise Chaos in ihrem seit vielen Jahren sehr behutsam geführten Leben gut brauchen, und dem geschiedenen Sixten fehlt offenkundig der Rückhalt eines Menschen, der an ihn glaubt. Dem gemeinsamen Glück steht also im Grunde nichts mehr im Wege; bis auf die Tatsache, dass Kristie verheiratet ist.
Wie stets in den Sonntagsfilmen des ZDF sind die Rollen klar verteilt, zumal ein Blick genügt, und jeder weiß: Gegen Sixten hat der brave Bedenkenträgergatte (Dominik Weber), der Kristie dauernd wie ein schlechtes Lenor-Gewissen zur Schonung ermahnt, selbstredend keine Chance. Dass er am Ende dennoch nicht zum Verlierer der Geschichte wird, ist gleichfalls früh zu erahnen. Das macht aber nichts, weil Ensemble und Inszenierung sämtliche Einwände hinwegwischen. Gerade Maya Haddad, schon in ihrer Hauptrolle als Sozialpädagogin der ZDF-Reihe „Gipfelstürmer – Das Berginternat“ die perfekte Wahl, versieht Kristie mit derart überschäumender Energie, dass die weiteren Mitwirkenden in ihrem Glanz eigentlich verblassen müssten. Davon kann aber keine Rede sein, weil selbst kleine Sprechrollen sehr treffend besetzt sind, auch wenn die Ensemble-Mitglieder außer Haddad und Oliver Nägele als Schlossgärtner kaum bekannt sind. Stefanie Sycholts „Inga Lindström“-Beiträge zeichnen sich ohnehin stets durch eine auffallend gute Arbeit mit den Schauspielern aus.
Foto: ZDF / Arnim Thoma
Soundtrack:
Jamie Lidell („Another Day“), Billie Eilish („Watch“), Jason Mraz („Make It Mine”), The Temptations („My Girl”), Courtney Marie Andrews („Guilty”)
Die Regisseurin hat auch das abwechslungsreiche Drehbuch geschrieben. Einige Szenen mögen ebenso vorhersehbar sein wie das Happy End, aber davon abgesehen steckt die Geschichte voller überraschender Einfälle, die meist mit dem unberechenbaren Sixten zusammenhängen: Kaum haben sich die beiden wiedergesehen, wird Maya als vermeintliche Entführerin seiner Kinder verhaftet. Als sie sich im Schlossmuseum bewirbt und eine Probe als Führerin absolvieren soll, bringt er sie mit einem Gartenzwerg völlig aus dem Konzept. Später rückt eine ganze Wichtelkompanie an, um ein bisschen Leben in das verstaubte Gemäuer zu bringen, was die steife Leiterin aber nicht lustig findet. Außerdem ergänzt Sycholt, auch ein beliebtes Muster im „Herzkino“, die Handlung um eine Romanze für ältere Semester: Kristies überbehütende Mutter Ebba (Justine Hirschfeld) nutzt die Tochter als Vorwand, um sich vor dem eigenen Leben zu drücken. Das ändert sich, als sich herausstellt, dass der neue Polizist Gunnar (Michael Schiller) ihr mal sehr wichtig war. Weil Ebba ein Abschleppunternehmen besitzt, lässt sich kaum vermeiden, dass sich die Wege der beiden mehrfach kreuzen, was Gunnar clever zu seinem Vorteil zu nutzen weiß.
Natürlich führt die Herzspende irgendwann zu einer bewegenden Szene, doch das dominierende Vorzeichen des Films ist ganz klar „Komödie“; der Herzschmerz, an dem Kristie zwischenzeitlich leidet, hat nichts mit dem neuen Organ zu tun. Mit großem Geschick verknüpft Sycholt die Liebesgeschichte mit Sixtens Geschäftsideen. Zwei haben es Kristie besonders angetan: ein mobiler Fahrradkaffeestand, bei dem die Kunden auch ein passendes Gedicht mit auf den Weg bekommen; und ein Radiosender, in dem die Menschen ihre Geschichten erzählen können. Beide Projekte tragen schließlich dazu bei, dass sich sämtliche romantischen Kreise schließen. Neben der Musik (Christoph Zirngibl) haben auch die anderen Gewerke großen Anteil daran, dass „Das gestohlene Herz“ neunzig Minuten Wohlbehagen verbreitet. Das Kostümbild (hier: Tanja Wagner) ist bei „Inga Lindström“ ohnehin meist von ausgesuchter Sorgfalt, weil Kleider Leute machen (Max lässig, Björn bieder). Kristie trägt überwiegend rote Farben, die perfekt zu ihrem Typ passen und eine gewisse Aufmüpfigkeit signalisieren; das Rot findet sich auch in ihrer Umgebung wieder, etwa bei ihrem Fahrrad oder bei Ebbas mit vielen gehäkelten Utensilien ausgestatteten Abschleppwagen. Die Bildgestaltung (Birgit Bebe Dierken) rundet den Film mit ihren warmen bunten Farben zu einem gelungenen gutgelaunten Fernsehabend ab. (Text-Stand: 31.10.2020)
Foto: ZDF / Arnim Thomaß