Wo Ideale auf der Strecke bleiben, macht sich gern Zynismus breit. Tatsächlich merkt man den Liebesfilmen, die ARD und ZDF freitags und sonntags zeigen, mitunter an, dass die Beteiligten am Beginn ihrer Karriere angetreten sind, um Filmkunst zu produzieren. Der fünfzigste Beitrag zur ZDF-Reihe „Inga Lindström“ zeigt, dass man es auch innerhalb des Genres zu einer gewissen Kunstfertigkeit bringen kann. Regisseur von „Das Geheimnis von Gripsholm“ ist Dennis Satin. Er hat nicht nur mehrere Staffel von Erfolgsserien wie „Edel & Starck“, „Der letzte Bulle“ oder „Um Himmels Willen“ inszeniert, sondern auch kurzweilige Degeto-Komödien. Für den „Herzkino“-Termin im ZDF hat er ebenfalls schon öfter gearbeitet, namentlich mit Jutta Speidel („Wir haben gar kein Auto/Trauschein“), die auch in diesem Film die Hauptrolle spielt. Geschickt verknüpft „Inga Lindström“ alias Christiane Sadlo hier kriminalistische und romantische Elemente, ohne dabei allzu gefühlsselig zu werden.
Großen Anteil an der Entwicklung der Geschichte hat die Musik von Andreas Weidinger, der Tschaikowskys bekanntes „Schwanensee“-Motiv nutzt, um die Figuren zu charakterisieren. Der Film beginnt mit einer erfolgreichen Ballettaufführung. Das Ensemble von Tanzlehrerin Helena (Speidel) gewinnt einen Wettbewerb, Helenas Foto schmückt einen entsprechenden Zeitungsbericht. Diese Zeitung flattert einem frisch entlassenen Häftling in die Hände. Das hätte man zwar auch eleganter lösen können, aber so wird Anders Silander (Jürgen Heinrich) auf Helena aufmerksam: Sie ist seine Ex-Frau, er hat als angeblicher Mörder ihres Vaters sein halbes Leben im Gefängnis verbracht. Satins Inszenierung lässt zunächst offen, ob Silander tatsächlich der Schurke dieser Geschichte ist. Allerdings werden seine Auftritte stets von jener „Schwanensee“-Melodie begleitet, zu der auch Helenas Ballettmädchen getanzt haben. Tatsächlich beteuert er eindringlich seine Unschuld, als er Helena schließlich in Mariefred trifft. Außerdem will er endlich seine längst erwachsene Tochter Leonie (Sarah Ulrich) kennenlernen. Helena hat ihr allerdings erzählt, Anders Silander sei gestorben, als sie ein Baby war.
Foto: ZDF / Arvid Uhlig
Selbst ein Profi wie Satin kann nicht verhindern, dass in „Das Geheimnis von Gripsholm“ manche Versatzstücke abgedroschen wirken, was möglicherweise auch damit zu tun hat, dass Sarah Ulrich die für Sonntagsfilme typische Tochterrolle spielt: jung, hübsch, blond und ein bisschen naiv. Allerdings ist es nicht nur der Figur geschuldet, dass die eifrig bemühte junge Schauspielerin neben zwei alten Haudegen wie Speidel und Heinrich wie eine Anfängerin wirkt. Eher unterfordert ist dagegen Roman Knižka, der als vermeintlich harmloser Urlauber Spannung in die Geschichte bringt: Der attraktive Charmeur, in den sich Leonie Hals über Kopf verliebt, entpuppt sich als Polizist; er sucht nach Juwelen, die Leonies ermordeter Großvater einst angeblich gestohlen hat. Der jungen Romanze zum Trotz ist der Erzählstrang mit dem ehemaligen Ehepaar, das wieder zueinander findet, der interessantere, zumal Helena gerade dabei ist, mit einem anderen Mann zusammenzuziehen. Dass die alte Liebe neu entflammt, deutet sich musikalisch an, als das „Schwanensee“-Motiv erstmals auch bei einer gemeinsamen Szene des Paares erklingt; und dann tanzen sie später auch noch den Walzer.
Mit dem schwedischen Mariefred hat die Produktion einen malerischen Drehort gefunden. Das aus dem Tucholsky-Roman bekannte Schloss Gripsholm – hier ist auch Helenas Ballettschule untergebracht – wird gebührend in Szene gesetzt. Ansonsten ist die Bildgestaltung (Sven Kirsten) unauffällig, aber sorgfältiges Handwerk. Das muss man auch Vielschreiberin Sadlo konzedieren, die ja nicht nur „Inga Lindström“ ist, sondern auch Romane von Rosamunde Pilcher und Barbara Wood für den Sonntagstermin im ZDF adaptiert hat. Dass sie dabei stets die Erwartungen des weiblichen Publikums sowie die Klischees des Sendeplatzes bedient, ist vermutlich Teil ihres Erfolgsgeheimnisses. (Text-Stand: 3.11.2013)