Den Freundinnen des „Herzkinos“ im ZDF genügt vermutlich bereits dieser Satz: Eine junge Archäologin sucht nach einem Wikingergrab und findet die Liebe. Natürlich ist die Geschichte nicht ganz so einfach, schließlich ist ein Happy End umso schöner, wenn es dem Paar nicht in den Schoß fällt; deshalb ist die Idee mit den Wikingern gar nicht schlecht. Der fleißige Autor Jürgen Werner, dessen beachtliches Spektrum von „Tatort“ zu „Traumschiff“ reicht, hat zwar zuvor noch kein „Inga Lindström“-Drehbuch geschrieben, weiß aber selbstverständlich, wie es gestrickt sein muss. Also verpackt er die Liebesgeschichte als romantisches Drama.
Die Mitglieder der Familie Nordquist müssen erst die Gespenster der Vergangenheit vertreiben, bevor sie frohgemut in die Zukunft blicken können. Davon hat die Heldin zunächst noch keine Ahnung: Emilia Holm (Anne Werner) ist wissenschaftliche Assistentin am Archäologischen Institut in Stockholm und will den Lebenstraum ihres verstorbenen Vaters erfüllen. Der Geologe betrieb war Hobby-Archäologe und überzeugt, dass es unter den Wikingern auch berühmte Kriegerinnen gegeben hat. Eines Tages erhält Emilia anonym das Foto einer Grabbeigabe, die offensichtlich einer Frau gehört hat. Weil ihre Professorin den Mythos von den tapferen Wikingerinnen für Humbug hält, fährt die Assistentin auf eigene Faust zum Fundort des Schmucks. Weil auch Schweden bloß ein Dorf ist, trifft sie dort prompt den Mann wieder, der ihr schon im Blumenlanden ihrer Mutter Julia (Tamara Rohloff) ausgesprochen positiv aufgefallen ist. Eigentlich wollte Alexander Nordquist (Jan Hartmann) mit seiner Verlobten, Maja (Masha Tokareva), in Indien eine neue Existenz gründen, aber das titelgebende „Geheimnis der Nordquists“ lässt ihm keine Ruhe: Vor 26 Jahren ist sein Zwillingsbruder Liam verschwunden. Es heißt, er sei ertrunken; seiner Mutter hat der Verlust ihres Sohnes damals das Herz gebrochen. Nun sind die Alpträume, unter denen Alexander als Kind gelitten hat, zurückgekehrt. Zum riesigen Anwesen der Familie gehört eine Insel, auf der sich Alexanders Onkel Leo (Siemen Rühaak) um die Rosenzucht seiner Schwester kümmert. Weil niemand außer ihm das Eiland betreten darf, ahnt Emilia, die von den Nordquists irrtümlich für die neue Landschaftsgärtnerin gehalten wird, dass sich hier die Lösungen für den Mythos um die Kriegerin und das Rätsel von Liams Verschwinden befinden.
Dank mehrerer hundert Drehbücher für Filmreihen und Serien hat Werner ein gutes Gespür dafür, wie Spannung aufgebaut, Handlungsbögen strukturiert und Geschichten mit einem bestimmten Rhythmus versehen werden. Dass der Verlauf der Handlung en gros, aber auch en detail vorhersehbar ist, hat vor allem mit dem Sendeplatz zu tun. Onkel Leo ist Single, Emilias Mutter ist Witwe, beide haben ein Herz für Blumen: Es ist klar, wie das enden wird, zumal sich rausstellt, dass er einst ihre große Liebe war. Typisch für „Herzkino“-Produktionen ist auch die Besetzungsvorschrift, dass Antagonisten und chancenlose Nebenbuhler bereits bei ihrem ersten Auftritt als solche identifizierbar sein müssen. Da das mutmaßlich konservative Publikum eine Verlobung als Eheversprechen betrachtet, darf der jeweilige Partner nur dann verlassen werden, wenn er ganz offenkundig nicht der Richtige ist. Diese Maxime hat allerdings meist zur Folge, dass die entsprechenden Beziehungen völlig unglaubwürdig sind. Deshalb disqualifiziert sich Maja umgehend, zumal Masha Tokareva eine ausgesprochen kühle Blonde ist: Als sich Alexander angesichts seiner nächtlichen Panikattacken der Vergangenheit stellen will, sagt sie Sätze wie „Reiß dich zusammen“ und „Denkst du ausnahmsweise auch mal an mich?“ Kein Wunder, dass er umgehend schwach wird, als er der brünetten Emilia mit ihrem sympathischen Lächeln begegnet. Er tut ihr leid, weil er „gefangen in seiner Traurigkeit“ sei, und schon schmelzen beide dahin. Eine ähnlich schlichte Figur wie Maja ist Alexanders spielsüchtiger Bruder Viktor (Gerrit Klein). Eigentlich würde er viel besser zu Maja passen. Die Verbündung der beiden hat zur Folge, dass Emilia auffliegt und Alexander glaubt, sie habe ihm bloß was vorgemacht, um das Wikingergrab zu finden.
Das Inszenierungstempo ist moderat und orientiert sich an den Sehgewohnheiten der älteren Mitglieder des „Herzkino“-Publikums. Immerhin verzichtet Regisseurin Tanja Roitzheim auf die am Sonntagabend gern auch mal überhand nehmenden Sonnenuntergänge. Außerdem stimmt die Chemie zwischen Anne Werner und Jan Hartmann, und das ist beim „Herzkino“ aus Sicht der Zielgruppe neben einer halbwegs glaubwürdigen Geschichte am wichtigsten. Beide gehören zumindest in Neunzigminütern eher in die Kategorie Nebendarsteller und beweisen mit „Das Geheimnis der Nordquists“, dass sie auch einen Film tragen können.