Sechs Menschen, München, drei Episoden, die sich bald zu zwei verhinderten Liebesgeschichten verdichten. Da sind Dr. Frick, ein übertrieben pflichtbewusster Psychiater, und seine labile Frau, ein Ehepaar, das sich nicht nur wegen der schweren Krankheit der Tochter auseinander gelebt hat. Da sind Christoph und Sarah, die nachdenkliche DJane und der manische Partyveranstalter, bei dem nichts mehr geht ohne die passende Droge. Und da ist Ben, der bärige Mann mit Zottelfrisur, der gut fotografiert und sich seinen Frust gern mal saufend wegtanzt. Bald gesellt sich auch noch Luisa in diesen Reigen dieser mit sich selbst und dem Leben nicht allzu zufriedener Zeitgenossen: Sie ist Galeristin und hat sich Frick, den ehemaligen Arzt ihrer psychisch kranken Schwester, die unlängst Selbstmord begangen hat, als Objekt ihres unterkühlten Begehrens ausgeguckt. „Wissen Sie, in meinem Leben ist gerade viel los“, wehrt er ihre ersten Annäherungen ab. Wenig später lässt er sich dann doch auf sie ein. Bei Ben und Sarah geht es sehr viel schneller. Die beiden sind jung, impulsiv, neugierig. Alles könnte gut werden. Doch dann kommt Sarahs Ex Christoph auf eine hirnrissige Idee.
Soundtrack: u.a. Iggy Pop & The Stooges („Johanna“), Vibrators („Baby, Baby“), The Reekys („Dad’s gone mental“), Cat Sun Flower („Heaven’s not fair“), The Tibby Vaughan („Beautiful or sad“)
Foto: BR / X-Filme
Dass es nichts wird mit dem Glück in dem Debütfilm von Jan Fehse ist bald abzusehen. Zu viele Schicksalsboten, zu viele Szenen im Dunkel der Nacht, zu viele symbolhaft düstere Metaphern, als dass man an ein Happy End glauben könnte. Der Ensemblefilm „In jeder Sekunde“ ist ein schicksalsträchtiges Drama, dem man seine Schwere nicht zum Vorwurf machen sollte, wie es einige Kritiker zum Kinostart getan haben. Zwar haben die Figuren alle ihre „Befindlichkeiten“, doch der Film suhlt sich nicht im Jammertal des modernen Großstadtlebens. Sicher hätten der Geschichte etwas weniger Kausalitäten gut getan. Der Knalleffekt, der die Geschichten zusammen und zu einem gnadenlosen Endpunkt führt, vergewaltigt das Gesehene und drängt dem Zuschauer die Botschaft geradezu auf: leben, lieben, fühlen in jeder Sekunde, denn jeder Augenblick könnte der letzte sein. „Was bleibt, ist die Aufforderung, das Leben in seiner gesamten Breite und in jeder Sekunde wahrzunehmen, und auch in diesem Bewusstsein zu handeln“, bringt es der Filmemacher auf den Punkt.
Diese Botschaft klingt banal. Ähnlich wie man der Geschichte um Selbstmord, Schuld, Verführung und Depression auch beim Nacherzählen einen Hauch übertriebener deutscher Schwermut angedeihen lassen kann. Die Umsetzung, die Dramaturgie, die Inszenierung machen „In jeder Sekunde“ – und nicht nur das Thema. Jan Fehse, ein gestandener Kameramann („Alaska.de“), ist ein handwerklich nahezu perfekter Debütfilm gelungen: stark elliptisch erzählt, ein ungemein stimmiger Score im Stile von David-Lynch-Komponist Angelo Badalamenti, eine ausgereifte stimmungsvolle, sehr bewegte Kamera von Philipp Kirsamer und Schauspieler, alles Hochkaräter, denen es gelingt, ihre Figuren nicht einem übergeordneten Fatalismus zu überlassen. Deshalb hätte Fehse gut auf den tragischen Schlussakkord verzichten können. Die Botschaft – was riskieren! – wäre auch so angekommen!