In den besten Familien

Rainer Kaufmanns wunderbare Familienkomödie mit Kuckuckskind & Top-Besetzung

Foto: ZDF / Christian Hartmann
Foto Rainer Tittelbach

In Rainer Kaufmanns „In den besten Familien“ (ZDF) ist Familie alles andere als etwas Wunderbares. Für den Zuschauer allerdings ist diese Komödie mit dramatischem Urgrund und situationskomischem Szenario ein großes Vergnügen. Friedrich von Thun ironisiert köstlich sein Rollenfach, Sophie von Kessel verkörpert das Ernsthafte im Komischen und Misel Maticevic überzeugt als humorvoll gebrochener Romantiker. Berglandschaft & Jagdhütte, Kamera & Montage geben dem Ganzen seinen Flair: eine fließende Leichtigkeit!

Anna kann sich nicht loseisen von ihrer Familie und von ihrem Vater Karl Maillinger. Als Mutterersatz hält sie die großbürgerliche Familie zusammen – auch jetzt noch, wo die Hochzeit des Herrn Papa mit seiner moldawischen Haushälterin bevorsteht und Anna schon längst in Neuseeland hätte sein wollen, um ihren beruflichen und privaten Neubeginn zu starten. Doch dem Familienunternehmen, das ihr Bruder Vince leitet, geht es schlecht – und so findet sie sich ein mit ihren Geschwistern zur Hochzeit auf der Jagdhütte der Familie. Sie soll den Vater überreden, Geld aus dem Privatbesitz für die Firma locker zu machen. Und auch der hat mal wieder eine Aufgabe für sie: Er kann nicht heiraten – Anna soll es Dina beibringen. Doch der Tod von Karls bestem Freund Archie erschüttert erst so richtig das Familiengefüge. Macher Maillinger scheint in Depression zu verfallen. Alles wegen Archies Tod? Nicht direkt. Ein Abschiedsbrief stellt Karls Vaterschaft bezüglich Anna in Frage. Ein heimlicher Gentest soll Klarheit bringen. Bis dahin muss der Familienpatriarch alles versuchen, um die sich anbahnende Liaison zwischen Anna und Archies Sohn Ben zu verhindern.

In den besten FamilienFoto: ZDF / Christian Hartmann
Gibt es unter den Maillinger-Kindern ein Kuckuckskind? Anneke Schwabe, Fabian Hinrichs, Sophie von Kessel, Marc Hosemann

Komödien über Familien könnten so schön sein – sind es aber nur selten. „In den besten Familien“ zeigt, wie es gehen kann – und das, obwohl die mit 5,22 Millionen Zuschauern erfolgreiche Ouvertüre zum launigen Familienchaos ums Thema Kuckuckskind, „Das Beste kommt erst“ (2008), noch nicht das Gelbe vom Ei war. Der Fortsetzungsfilm besitzt einen schrägeren Humor, schreckt nicht vor überspitzter Situationskomik zurück und er beweist, dass Komödie oft sehr viel besser funktioniert, wenn die Figuren etwas zu verlieren haben. „Die ganze Familie sieht ihre Felle davonschwimmen“, betont Regisseur Rainer Kaufmann („Marias letzte Reise“). Die Autorität des Patriarchen, die durch sein merkwürdiges Verhalten erschüttert wird, hält die Familie nur noch bedingt zusammen, so wie Maillingers Schrauben offenbar die Welt im Angesicht der Finanzkrise nicht mehr zusammenzuhalten imstande sind. Bisher war immer genug Geld da – aber plötzlich muss sich die Generation der vermeintlichen Millionenerben zum ersten Mal Sorgen machen. Andere Probleme sind allerdings erst mal dringlicher: Wie beispielsweise den Leichnam des betrügerischen Freundes ins Tal kriegen? Wie den völlig verstörten Vater beruhigen? Wie mit der abgestellten Braut umgehen? Wie die körperliche Nähe zwischen den Vielleicht-Halbgeschwistern verhindern? Wie das Gentest-Ergebnis verarbeiten? „Jeder steht an einem Punkt, an dem er seine Lebensentwürfe hinterfragt – und auch seine Position innerhalb der Familie“, so Kaufmann.

„In den besten Familien“ ist eine wunderbar leichte Komödie, die das großbürgerliche Familien-Setting  tragikomisch überhöht, ohne dass dabei die Ernsthaftigkeit auf der Strecke bliebe. Der Urgrund der Handlung ist dramatisch, die Situationen sind häufig urkomisch. Einen Dialog mit einer Leiche oder einen flirtenden Patriarchen im Bademantel sieht man nicht oft im deutschen Fernsehfilm. Und Übersinnlich-Phantastisches in Shakespeare-Woody-Allen-Tradition ist auch nicht das, wofür deutsche Komödien-Autoren bekannt sind. Friedrich von Thun ironisiert wunderbar sein angestammtes Rollenfach zwischen klassischem Übervater und Sugardaddy. „Er lässt die Demontage zu, ohne sich zu schämen“, lobt auch der Regisseur. Misel Maticevic, sonst eher der coole Macho, überzeugt auch als sanfter Take-it-easy-Typ, den der Tod des Vaters nachdenklich und den die schöne Anna ganz wuschig macht. Auch Sophie von Kessel darf ihr komödiantisches Talent zeigen. Als zugeknöpfte Vorbildtochter, die so souverän wirkt und sich doch die Kritik der anderen („Du bist ja steif wie ein Stock“) zu Herzen nimmt und fortan die Bluse etwas weiter aufknöpft, ist sie die Verbindungsfigur der zentralen Geschichten des Films.

In den besten FamilienFoto: ZDF / Christian Hartmann
Eine Hauptrolle in dieser Zwischenton-starken ZDF-Komödie spielen Landschaft, Locations und Licht. Kamera: Klaus Eichhammer. Szenenbild: Petra Heim. von Kessel in „In den besten Familien“ (2012) von Rainer Kaufmann, dem zweiten Maillinger-Abenteuer

Ein weiterer Hauptdarsteller ist die Voralpenlandschaft mit Berghütte. Erst die Locations geben dem Film seinen besonderen Flair, die luftige Flüchtigkeit, die fließende Leichtigkeit. Da hilft auch Klaus Eichhammers Kamera kräftig mit. Auch ein Hauch Erotik liegt immer wieder in der Luft in dieser Ausnahmekomödie, bei der der Zuschauer mit einem Lust steigernden Informationsvorsprung ausgestattet ist: „die Krise schwillt weiter an“, heißt es im Dialog – aber nicht nur die! Brigitte Hobmeier als Hundetrainerin mit Faible für „Old School“ bringt das Familienoberhaupt ins Schwitzen, und ein Bienenstich auf Bens bestem Stück versetzt die hölzerne Anna dann doch in eine gewisse „Erregung“.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Sophie von Kessel, Friedrich von Thun, Misel Maticevic, Marc Hosemann, Fabian Hinrichs, Anneke Schwabe, Franziska Schlattner, Petra Schmidt-Schaller, Brigitte Hobmeier, Fred Stillkraut, Maria und Milena Will

Kamera: Klaus Eichhammer

Szenenbild: Petra Heim

Schnitt: Nicola Undritz

Musik: Martin Probst

Produktionsfirma: Roxy Film

Produktion: Annie Brunner, Andreas Richter, Ursula Woerner

Drehbuch: Kathrin Richter, Jürgen Schlagenhof

Regie: Rainer Kaufmann

Quote: 5,30 Mio. Zuschauer (15,9% MA)

EA: 03.12.2012 20:15 Uhr | ZDF

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