Im Schleudergang

Schneeberger, Anthoff, Wachtveitl, Harather. Alles dreht sich, nichts bewegt sich

Foto: BR / Barbara Bauriedl
Foto Rainer Tittelbach

Gisela Schneeberger spielt eine patente Schwabinger Wäschereibesitzerin in der neuen BR-Serie „Im Schleudergang“. Die ersten sechs Folgen von Peter Bradatsch („Franzi“) und Paul Harather („Indien“) stehen in der Tradition starker Münchner Serien wie „Monaco Franze“ oder „Die Hausmeisterin“. Diese Serie zielt aber weniger auf die Soziologie des Viertels, als vielmehr auf die Psychologie der Gruppe. Da stimmen die Rollenbilder, „alles ausgesprochen schwierige Menschen“, so Bradatsch, die die Voraussetzungen sind für die vielfältigen Kommunikationsprobleme im Sechs-Figuren-Biotop, „allüberall glimmende Konfliktherde“. Dazu ein spielfreudiges Ensemble & ein pfiffiger Erzählrhythmus!

Diese Frau ist anstrengend, aber sie hält den Laden zusammen: Christa Bachmaier ist die Chefin einer traditionsreichen Schwabinger Wäscherei. Obgleich sie stramm auf die Sechzig zumarschiert, ist ihre Lebenslust ebenso groß wie ihr Drang, zur besseren Münchner Gesellschaft gehören zu wollen. Seit 30 Jahren pflegt sie eine Ein-Mal-die-Woche-Beziehung mit Frisör Freddy Biber. Der ist seit fünf Jahren geschieden – für seine Gaby aber tut er noch immer alles. So „ineinander verwurschtelt“ sei er mit ihr, dass er sich noch immer nicht traut, seiner Ex von Christa zu erzählen. Die kann damit leben – nur etwas „mehr Schwung, Abwechslung, raus aus der Routine“ wäre ihr schon recht. Sich jeden Montagnachmittag zum Schäferstündchen im Gasthaus „Zum Gockel“ zu treffen, wird ihr nach drei Jahrzehnten langsam fad. Zu Hause wartet im Übrigen Untermieter und Hausfreund Max, ein ehemaliger Opernsänger, der schon bessere Zeiten gesehen hat – auch mit Christa. Aber darüber wird geflissentlich geschwiegen. Auch Sieglinde zuliebe, Christas Tochter, dem Sorgenkind, geplagt von Panikattacken. Wobei wir wieder bei Mutter und Macherin Christa wären.

Im SchleudergangFoto: BR / Barbara Bauriedl
Zwischen Brotzeit und Schäferstündchen. Seit Jahrzehnten ein mehr oder weniger heimliches Paar. Schneeberger & Anthoff

Alles dreht sich um Gisela Schneebergers patente Geschäftsfrau und Wäschereibesitzerin in der neuen BR-Serie mit dem wunderbar passenden Titel „Im Schleudergang“. Paroli bieten kann ihr eigentlich nur ihre Angestellte und engste Vertraute Gitti. Die weiß stets, was Sache ist im ständigen Mutter-Tochter-Clinch oder im „Gewurschtel“ mit dem verdrucksten „Haarschneider“. Die Männer dagegen wollen es sich mit der noch immer attraktiven, fast mädchenhaft quirligen Christa nicht verderben. Was Besseres kommt selten nach. Köstlich dieser mit fein ondulierter Haartracht komödiantisch aufspielende Gerd Anthoff; auch Udo Wachtveitl macht sich gut als gelegentlich grantelnder Gentleman mit Seidentuch, Bademantel und Boxershorts. Bleibt der dritte Mann im familienbetrieblichen Bunde: Michi, meist gut gelaunt, etwas sprunghaft, mit fatalem Hang zum Zweitjob. Alle sechs Hauptfiguren der sechsteiligen neuen Serie pflegen ihre kleinen Lebenslügen, alles etwas reifer, abgeklärter und ausgelebter, verglichen mit der Vorgängerserie „Franzi“. Gute Vorsätze sind dazu da, gefasst zu werden, sie sind Balsam für den Augenblick. Und morgen ist wieder alles so, wie es schon immer war. Hilft ja nichts, das Leben geht weiter – darauf ein Piccolöchen oder ein Glas Rotwein. Christa & Co kommen nicht vom Fleck, sie drehen sich im Kreis wie der Trommelinhalt einer Waschmaschine. Ob eine Reise nach Rom zur Papst-Audienz oder ein Wohlfühlwochenende am Gardasee – nichts klappt. In München ist es ja auch schön.

„Im Schleudergang“ setzt die intelligent unterhaltsame Serien-Tradition des Bayerischen Rundfunks fort. Waren die Serien von Franz Xaver Bogner („Irgendwie und sowieso“), Helmut Dietl („Monaco Franze“) oder Cornelia Willinger („Die Hausmeisterin“) aus den 80er und 90er Jahren noch stärker einem Gruppen- oder Milieu-Gefühl verpflichtet, begeben sich „Franzi“ und nun auch die neue Serie von Autor Peter Bradatsch stärker in ein fast freundschaftlich-familiäres Biotop. Man würde gern gesellschaftlich Anschluss finden, bleibt letztlich aber gefangen im liberalen Kleinbürgermief. Diese Entwicklung mag dem Zeitgeist, aber auch dem schmaleren Budget der neuen Serien geschuldet sein. Kurzum: „Im Schleudergang“ ist anders, die Serie zielt weniger auf die Soziologie des Viertels, als vielmehr auf die Psychologie der Gruppe. Da stimmen die Rollenbilder, „alles ausgesprochen schwierige Menschen“, betont Bradatsch, die die Voraussetzungen sind für die vielfältigen Kommunikationsprobleme im Biotop Bachmaier, „allüberall glimmende Konfliktherde“. Dazu ein spielfreudiges Ensemble, ein pfiffiger Erzählrhythmus ohne überzogene Pointen als Schnittstellen, dafür mit einer ausgesprochen launigen Musik. Was will man mehr (am Freitagabend)?! Unterhaltung auf hohem Niveau! Und darauf erst mal ein Piccolöchen…

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Serie & Mehrteiler

BR

Mit Gisela Schneeberger, Gerd Anthoff, Maria Peschek, Udo Wachtveitl, Judith Richter, Stephan Zinner

Kamera: Andy Löv

Szenenbild: Betty Morell;

Schnitt: Britta Nahler

Musik: Bernhard Moshammer

Produktionsfirma: Infafilm

Drehbuch: Peter Bradatsch

Regie: Paul Harather

EA: 05.04.2013 22:00 Uhr | BR

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