Trojan, entlassen aus dem Knast, hält Ausschau nach neuen Jobs. Von einem Ex-Kompagnon holt er sich noch einen ersten Anteil einer alten Beute. Den Rest wird er nicht kriegen. Stattdessen warten Killer in seiner Wohnung. Trojan nimmt sich ein Hotel, taucht ab. Sein Plan: ein großes Ding – und für lange Zeit weg aus Berlin. Auf einen Schmuckraub mit einem Junkie und Alkoholiker lässt er sich nicht ein. Ein Überfall auf einen Geldtransporter ist eher etwas für den vorsichtigen Planer. Drahtzieher ist Trojans Geliebte, eine Pflichtverteidigerin mit gutem Informationsnetz. Mit im Boot sind Trojans alter Partner und ein Security-Mann, der sein spärliches Gehalt aufbessern möchte. Der Coup gelingt. Doch der korrupte Bulle Meyer hat die vier beobachtet – und macht sich nun daran, die Anteile „einzusammeln“.
Regen in Berlin. Drei, vier Szenen und der Zuschauer weiß auch ohne viele Worte, was Sache ist. Misel Maticevic ist Trojan. Ein ganz Ausgeschlafener, kein eiskalter Engel, sondern ein Profi in Sachen Raub. Die Anonymität der Großstadt ist sein Schutzraum, Vorsicht sein ständiger Begleiter. Nur so lässt es sich überleben in einer Welt, in der jeder jedem misstraut. Ansonsten ist solides Handwerk gefragt. „Gute Leute werden immer gebraucht“ – auch bei einem professionellen Raub oder Einbruch. Das Verbrechen ist ein Geschäftsfeld wie jedes andere in Thomas Arslans Gangsterfilm „Im Schatten“. Das ist Genrekino nach Arthaus-Regeln im Tempo der Berliner Schule. Die Handlung wird entkernt, die Psychologie entfernt – was bleibt, ist die Mechanik eines Verbrechens. Aus dieser Strenge, dieser Kargheit kann sich im Idealfall eine entschleunigte Wahrnehmung beim geneigten Zuschauer entwickeln, die empfänglich macht für kleinste Nuancen. So kann aus relativ aktionslosen Sequenzen Spannung entstehen. Keine Spannung hoch emotionalen Thrills, sondern eine Spannung gesteigerten Interesses, die Kopf und Augen beim Sehen nicht auszuschalten versucht.
Es kann sich auch eine Spannung des Gezeigten, des Sichtbaren einstellen. Alles eine Frage von Kino- und Genre-Vorlieben. Es ist die Ikonographie des urbanen Alltags, die in Arslans Kino-Koproduktion eine Hauptrolle spielt: Parkplätze, schäbige Hotels, eine Autowerkstatt, Schnellrestaurants, die Straße – Orte, an denen man trotz der Großstadt fremden Blicken ausgeliefert ist. Die Geldübergabe in einer Waschstraße ist eine besonders coole Situation. Beobachten, verfolgen, sich verstecken sind mögliche Aktionen in diesem (halb)öffentlichen Raum. Privatheit ist selten. Wer früher Wenders-Filme mochte oder die Gangsterfilme von Jean-Pierre Melville, heute Regisseure wie Christian Petzold („Jerichow“), Maren Ade („Alle anderen“) oder Christoph Hochhäusler („Dreileben: Eine Minute Dunkel“) schätzt – für den muss „Im Schatten“ mit seiner blutigen Lakonie im Schlussdrittel ein Fest sein – gerade und vor allem auch in Zeiten des Fernsehformat-Krimis. (Text-Stand: 29.1.2012)