Marie geht in ihrer Rolle als Mutter auf. Sie ist glücklich verheiratet, ihre Nora wird in wenigen Tagen ein Jahr alt – und über ein zweites Kind haben sie und ihr Mann schon nachgedacht. Doch ein Termin beim Jugendamt versetzt die Mutter in Entsetzen: „Ich muss Ihnen leider sagen, dass Nora nicht ihr leibliches Kind ist.“ Marie glaubt, sie hört nicht recht. Das Neugeborene ist in der Klinik vertauscht worden. Ihr leibliches Kind ist das erste Lebensjahr bei einer allein erziehenden Studentin aufgewachsen. Jene Sandra ist eine nette Person, aber ihre Lebensbedingungen sind nicht das, was sich Marie für „ihre“ Tochter wünscht. Eine Psychologin wird hinzugezogen. Es sieht so aus, als ob die „Parteien“ die schwierige Situation besser bewältigen, als zunächst befürchtet. Dass die Kinder getauscht werden müssen – darüber sind sich alle einig. Je früher dieser Schritt unternommen wird, umso besser. Den ersten Geburtstag der Mädchen wollen Marie, Holger & Sandra gemeinsam feiern. Für den Tag danach planen sie den „Austausch“ der Kinder. Doch dann macht Marie der jungen Mutter ein unsensibles Angebot – und Sandra setzt sich mit „ihrem“ Kind ab.
„Im falschen Leben“ folgt der Chronologie der dramatischen Ereignisse. Da muss nichts dazu erfunden werden – keine dramaturgischen Tricks, keine emotionalen Kicks. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, durch das die drei Elternteile und Sandras Ex-Freund, der sich in der Rolle des Vaters überfordert sieht, aber zunehmend Verantwortung übernehmen will, gehen müssen. Marie ganz besonders. Schmerzliche, verdrängte Erinnerungen treten wieder in ihr Bewusstsein. Als sie so alt war wie Sandra, war sie schon einmal schwanger. Sie hat sich gegen das Kind entschieden. Ein Wink des Schicksals? Zu Beginn ist Marie der größte „Unsicherheitsfaktor“ für eine friedvolle Lösung. Das spürt auch Ehemann Holger, der Bewunderung für Sandra hegt. Die junge Frau erinnert ihn an seine Mutter, die auch auf sich allein gestellt war. Sandra ist 23, sie muss viele Entscheidungen pragmatisch treffen, „kein Problem“, so ihre Haltung. Sie hat keine Zeit, alles in Zweifel zu ziehen. Als ihr dann aber die andere Mutter einen egoistischen Vorschlag unterbreitet – da bricht plötzlich alles über ihr zusammen. Die nach außen so Starke ist auf einmal schwach. Sandra empfindet ihre Unsicherheit, sie spürt ihren Zweifel daran, ob es richtig ist, wie sie die Dinge angeht, ihren Schmerz über die bevorstehende Trennung von dem Menschen, den sie am meisten liebt.
Wer in dem Fernsehfilm „Im falschen Leben“ mehr als nur eine bewegende Geschichte um zwei vertauschte Babys sehen möchte – der kann den Film auch als eine Reflexion über den Mythos von der guten Mutter „lesen“. Anders als „Das geteilte Glück“, das eine ganz ähnliche Geschichte zu einer Art sozialem Lehrstück über die Vererbung machte, bleibt die Geschichte von Autorin Regine Bielefeldt eng an die subjektiven Normen, Vorurteile und Wünsche der Hauptfigur gebunden. Sie wird nicht von Standesdünkel angetrieben, sondern von Erfahrung. Sie, Mitte 30, ist eine Mutter mit klaren Vorstellungen davon, was richtig und was falsch ist, was gut oder weniger gut ist. Das ist nicht alles, was in dem nie überdramatisierten, sehr überzeugend von Sonsee Neu und Anna Maria Mühe gespielten Fernsehfilm zu entdecken ist, der bei einem Gedankenspiel seinen Ausgang nimmt (die geschilderte Situation dürfte in der Realität nicht allzu oft vorkommen) und sich aufmacht, ein ungewöhnliches, kleines Drama zu erzählen von zwei Müttern, von ihren Gefühlen, ihren Wünschen, von ihren Zweifeln.