Vom Blaumann- zum Sakko-Träger, vom aufmüpfigen Vorarbeiter zum aufrechten Betriebsrat – Frank Sperber befindet sich seit Neuestem in Reichweite zu den Mächtigen seines Unternehmens. Er will das Beste für sich und seine Kumpels des so genannten „Kessels“ herausholen. Es wird gemunkelt, dass dieser Teil des Werks nicht zu halten sein wird. Gibt es Entlassungen? Wird der Kessel verkauft? Oder gleich ganz dicht gemacht? Auch die Managerin Marie Sandberg kann ihm keine genaueren Auskünfte geben. Beide haben ein Verhältnis miteinander. Als Frank ein einziges Mal auf Wunsch des Betriebsratschefs Lohmann die toughe Führungsfrau ausspioniert, zieht das sofort einen Skandal nach sich. Die Folge: jener Lohmann steht nun ganz oben, er hat noch andere Trümpfe im Ärmel und Marie könnte bald ausmanövriert sein. In was für einen Dschungel ist Frank da nur hineingeraten!?
Aus dieser Geschichte kommt keiner sauber heraus – das ahnt man als Zuschauer in den ersten Bildern. Das dramatische Intro in der marokkanischen Wüste, das mit zwei Schüssen endet, legt sich vorausdeutend über die Bilder vom Aufstieg des Frank Sperber. „Ich hab’ ein anderes Leben – das geht nicht“, sagt Marie zu Beginn und man spürt, sie könnte Recht behalten. Weil sie sich selbst schuldig gemacht hat in einem Machtsystem aus Korruption, Karrierestreben und Kompromissen, in dem der Mensch zynisch als „Faktor Mensch“ bemessen wird, versucht sie diesen sympathisch naiven Frank Sperber zu schützen. Doch der läuft trotzdem ins offene Messer seines falschen Freundes – und er verliert seine Ideale.
Nähe und Distanz sind die Prinzipien, mit denen „Im Dschungel“ den Zuschauer einfängt. Jörg Tensing und Elmar Fischer holen den Zuschauer ganz nah ran an die Schalthebel der Macht. Und doch bleibt man wie die Hauptfigur außen vor. Die gläserne Architektur des modernen „Führungsbunkers“ gibt sich transparent, doch hinter die entscheidenden Türen blickt keiner. Auch der Verhandlungstisch, an dem die Chefetage und der Betriebsrat Platz nehmen, um offen gute Firmenpolitik zu machen, gaukelt Nähe vor. Entscheidungen werden anderswo getroffen. Und auch die Figuren, die eingebunden sind in dieses System der scheinbaren Zusammenarbeit, übernehmen folgerichtig das Spiel zwischen Nähe und Distanz.
Blicke sind die Währung guter Filme: der Zuschauer sieht, was die Figuren sehen und vor allem wie sie sehen. Heino Ferch spielt Lohmann als Mann des alles kontrollierenden Blicks. Ina Weisses Marie ist eine Frau, die diesen machthungrigen Blick ebenso beherrscht, die aber gleichzeitig den geheimnisvollen, liebenden Blick an den Tag legt. Er ist ein weibliches Versprechen. Und die Blauäugigkeit von Ronald Zehrfelds Frank Sperber lässt im Verlauf des Films deutlich nach, was gerade seine Funktion als Identifikationsobjekt kein bisschen schmälert. In „Im Dschungel“ muss man den Schauspielern ins Gesicht sehen, dann versteht man den Film am besten. Man sieht, wer vor einem steht. Ohne viel Gerede. „Und es wird auch nicht gleich erklärt, warum die Personen so handeln, wie sie handeln“, betont Ferch.
Hingucken und verstehen – wenige Fernsehfilme halten einem solchen ästhetischen Prinzip stand, das sich durch die Handlung und gleichsam durch Szenen, Situationen und das Spiel der Schauspieler zieht. Fischer & Co bedienen sich unterschiedlichster Motive und Stilmittel: da geht ein Betriebsrat seinen Weg wie zu Zeiten, in denen man rote Fahnen noch besser sah, da wird im Intro gleich mit Thrill zur Sache gegangen, da spiegelt sich einiges von den deutschen Wirtschaftsskandalen der letzten Jahre in der Handlung wieder, da sind Verrat, Erpressung und Liebe im Spiel. Dass der Film bei all diesen Ingredienzien nicht auseinander fällt, das ist das Verdienst einer umsichtigen Regie. Und es ist die Genauigkeit im Detail, die diese Homogenität des Inhomogenen ermöglicht hat. Ein starker, vitaler, packender Film.