Charmante Ekel, die zur Läuterung freigegeben werden, gehören zum Standard-Personal der Degeto-Komödien in der ARD. Frauen, die hinter forscher Fassade wie einst im Mai von Romantik träumen, gehören zu den häufigen weiblichen Pendants. „Ich leih’ mir eine Familie“ bedient dieses Typen-Muster aufs Vortrefflichste. Dass einem die vielen Klischees nur gelegentlich das Vergnügen vermiesen, liegt an der Besetzung und einer Bildsprache, deren Chic nicht nur eine angenehme Abwechslung zu anderen TV-Schmonzetten darstellt, sondern auch zum Milieu der Werbewelt passt, in der die Hauptfigur lebt. Jener Ben ist ein selbstverliebter Yuppie auf der Überholspur. Tolles Auto, attraktive Freundin, Luxus-Wohnung – er ist ein Macher, der seine Gefühle in eine Welt des schönen Scheins investiert. Bindung ist nicht sein Metier. Bis das Thema Familie den fast 40-Jährigen durch eine millionenschwere Babyprodukt-Kampagne einholt. Um den Auftrag zu bekommen, heuchelt der Kinderhasser den liebenden Familienvater. Aushelfen muss ihm dabei seine Jugendliebe Hanna, die zwei Söhne und gerade eine Trennung hinter sich hat. Schon einmal hat sie sich auf Ben eingelassen. Es war eine schmerzliche Erfahrung. Jetzt will sie den gleichen Fehler nicht noch einmal machen und will sich den Herzensbrecher vom Leibe halten.
Hans-Werner Meyer spielt Ben. Einer, der nicht sagt „Ich liebe dich“, sondern „Du bist es.“ Für ihn ist das Leben ein einziger Wettkampf. Ben, der Werbefachmann, ist auch privat gefangen in einer Welt der Lügen. Beziehung ist für ihn Überredung. Sein Job färbt bis ins Intimleben ab: Er ist zum „heimlichen Verführer“ mutiert. Das Schlimmste dabei: Er merkt es gar nicht mehr. Meyer passt äußerlich perfekt ins Bild mit seiner leicht sardonischen Ausstrahlung. Auch Sandra Speichert ist als Juliane die ideale Frau an Bens cooler Seite. Doch die Sympathien in diesem Film vom Michael Rowitz liegen auf der Seite von Lisa Martinek. Sie spielt den toughen Wildfang Hanna, die gerne Hektik und auf Dickschädel macht, um so ihre Gefühle zu verstecken. Wenn sie so durch die Szenerie wirbelt und ihr Gegenüber zur Weißglut treibt, besitzt dieser Beziehungsclinch fast Screwball-Touch. Das sind leider nur kurze Momente. Auch dominiert die Romantik über die Situationskomik. Schade. Denn in Sachen Optik und Sound(design) unterscheidet sich „Ich leih’ mir eine Familie“ deutlich vom altbackenen ARD-Unterhaltungsfilm. Auch wie Rowitz Lisa Martineks Antlitz gelegentlich ins Bild zaubert, hat Klasse und verströmt einen Hauch von Dior. (Text-Stand: 3.5.2007)