Carla Schön arbeitet als Gerichtsvollzieherin. Sie lebt allein, kümmert sich im Wechsel mit ihrem Ex um ihre 14-jährige Tochter Eva. Sie hat ihr Leben im Griff – und sie scheint sich darin zu gefallen, stets zu wissen, was Sache ist. Nachdem ihr Mann mit einer jüngeren Frau das Weite suchte, hat sie das Thema Partnerschaft ad acta gelegt. Ihr Job, bei dem sie es mit sozialem Elend und gescheiterten Existenzen zu tun bekommt, fördert ihre desillusionierte Haltung. Nichts Menschliches ist ihr fremd. Entspannung vom Alltag findet sie in einem Orchester, in dem sie das Bandoneon spielt. Dort lernt sie Andi kennen, den Hausmeister an der Schule ihrer Tochter. Dass sie seinem Werben nachgibt, obwohl der trockene Alkoholiker sicher nicht der Traummann für Carla ist, zeigt ihre tiefe Sehnsucht nach Nähe. Mit ihrer Tochter, die sich besser mit ihrem Vater versteht, ist diese Nähe schwer lebbar. Indem sich Carla dem ebenfalls geschiedenen Andi öffnet, kommt sie näher heran an ihre verdrängten Gefühle – und damit auch an eine Lebenslüge, die sie seit Jahren mit sich herumschleppt. Als sie Andi dann auch noch beruflich begegnen muss, weil er seinen Unterhaltszahlungen für Frau und Tochter nicht nachkommt, droht Carla, in eine tiefe Krise zu fallen.
Soundtrack: David Gray („Coming Down“), Diana Krall („Cry me a river“), Root 70 („Nightbeat 1“), Einstürzende Neubauten („Tagelang weiß“), Quadro Nuevo („Tu vuo‘ fa l’americano“), Ellie Goulding („Wish I stayed“)
„Ich habe es dir nie erzählt“ zeigt den Versuch einer Partnerschaft zweier erwachsener Menschen, die einige Beziehungen hinter sich haben und entsprechend vorbelastet sind – durch Verletzungen, wiederkehrende Verhaltensmuster und andere nachhaltige Liebes- und Lebenserfahrungen. Was in Filmen der romantischen Gangart zur „zweiten Chance“ hoch stilisiert wird, ist ein schmerzlicher Weg für zwei verwundete Seelen. Autorin Britta Stöckle, die einem dokumentarischen Realismus verpflichtet ist, hat eine Geschichte über zwei Erwachsene geschrieben, die offen zueinander sind, sich nichts vormachen und auf Spielchen verzichten, deren Glück allerdings durch die äußeren Verhältnisse, dem Leben vor ihrer Beziehung, gefährdet ist. Die beiden nähern sich einander an, dem Mann gelingt es, den Schutzpanzer der Frau zu durchbrechen. Doch sie misstraut dem Glück. „Und durch eine Verkettung von vielen Umständen kommt es dann zu erneuten Verletzungen“, so Stöckel.
Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
„Ich habe es dir nie erzählt“ ist angenehm unparteiisch, wertet das Verhalten seiner Charaktere nicht und spielt sie erst recht nicht moralisch gegeneinander aus. Alle, am deutlichsten Mutter und Tochter, lügen, belügen sich und andere. „Es geht dabei weniger um die Schuldfrage, sondern eher darum, was das Lügen mit den Beteiligten macht“, sagt Hauptdarstellerin Barbara Auer. Die langlebige Lebenslüge ihrer Figur hat jene Carla verändert, „diese Lebenslüge hat sie sogar charakterlich verändert, denn sie versucht, dadurch alles andere im Leben ganz besonders richtig und perfekt zu machen“. Barbara Auer endlich mal wieder in einer Rolle, die ihr etwas abverlangt! Schön, wie sie diese Frau mit dem Schutzwall um sich herum spielt – immer wieder mit einem Lächeln. Diese Frau ist so souverän, dass sie sich nur selten etwas anmerken lässt von ihrer Unsicherheit und ihrem Schmerz. Carla funktioniert so, wie eine Frau in ihrer Position im Leben funktionieren muss. Schön auch, dass Johannes Fabrick nicht die überzogenen Mittel schwerblütiger TV-Dramen sucht und er die Schauspieler nicht permanent nachdenklich die Welt oder bedeutungsvoll die Wände anstarren lässt. Der Film findet eine wohldosierte Mischung aus Alltagsdramaturgie und Seelen-Ikonografie. Das sieht man viel zu selten im deutschen Fernsehfilm!