Ich hab den Weihnachtsmann geküsst

Henriette Richter-Röhl, Schade, Lansink, Alex Schmidt. Das Glück der kleinen Dinge

Foto: ZDF / Boris Laewen
Foto Tilmann P. Gangloff

„Ich hab den Weihnachtsmann geküsst“ (ZDF / Sabotage Film) ist eine sympathische Sonntags-Tragikomödie mit Henriette Richter-Röhl als Weihnachtshasserin, die ihren jährlichen Pflichtbesuch bei der Familie auch diesmal nur höchst widerwillig absolviert. Das ändert sich, als in der Heiligen Nacht allerlei absonderliche Dinge geschehen und sie sich am ersten Feiertag im Verlauf der Suche nach ihrer verschwundenen Oma ausgerechnet in den Mann verliebt, der ihre Santa-Clausophobie einst ausgelöst hat. Die Geschichte ist kurzweilig und flott erzählt; trotzdem fehlt dem Film neben dem Schnee auch ein gewisser Charme.

Ein hartherziger Geizhals erlebt durch den Besuch von vier Geistern in der Weihnachtsnacht eine wundersame Läuterung: Charles Dickens’ dutzendfach adaptierte Erzählung vom gierigen Geldverleiher Ebenezer Scrooge ist die vermutlich schönste Weihnachtsgeschichte überhaupt. Seither ist der Sinneswandel ein beliebtes Motiv vieler Filme. Auch Laura Stiedler ist bekennende Weihnachtshasserin, woran schon der Prolog keinen Zweifel lässt, als sie ihre Wut am Gedöns eines Weihnachtsmarkts auslässt. In langer Rückblende schildert die Sonntags-Tragikomödie „Ich hab den Weihnachtsmann geküsst“ anschließend, wie es dazu kam, dass sich die Elektrikerin ausgerechnet in jenen Mann verliebt, für den sie eine mindestens ebenso ausgeprägte Aversion hegt wie für die familiären Weihnachtsrituale.

Zunächst jedoch wird Alex Schmidt (Buch und Regie) mit ihrem Film all’ jenen aus dem Herzen sprechen, die dem jährlichen Pflichtbesuch im Eltern- oder Schwiegerelternhaus mit Schrecken entgegensehen: Mutter Vera (Birge Schade) lässt kaum ein gutes Haar an Laura (Henriette Richter-Röhl), bürdet ihr aber lauter Aufgaben im Haushalt auf. Vater Rainer (Leonard Lansink) ist gleichfalls nicht gerade ein Ausbund an Herzlichkeit. Als dann auch noch Lauras Lebensgefährte Lutz (Björn Harras) auftaucht, will sie endgültig umgehend zurück nach Köln, wo sie sich vor einiger Zeit mit eigenem Betrieb selbstständig gemacht hat. Das Paar hat sich vor drei Jahren getrennt, als Lutz aus Karrieregründen nach Braunschweig gezogen ist. Nun plant er ein Comeback, nicht nur ins Rheinland, sondern auch ins familiäre Nest, zumal die beiden eine kleine Tochter haben. Mutter Veras Unterstützung ist ihm sicher.

Ich hab den Weihnachtsmann geküsstFoto: ZDF / Boris Laewen
Sind drei einer zu viel? Laura (Henriette Richter-Röhl) freut sich über den Überraschungsgast. Niklas Osterloh und Björn Harras

Schmidt hat nach ihrem Kinodebüt mit dem Mystery-Thriller „Du hast es versprochen“ (2012) die sehenswerte Fantasy-Serie „Armans Geheimnis“ (WDR, 2015) inszeniert. In den Jahren seither drehte sich ihr Berufsleben dank diverser Produktionen über Beutolomäus, den „wahren Sack des Weihnachtsmannes“ (Kika), fast ausschließlich um Weihnachten; das könnte erklären, warum Lauras Rolle so überzeugend gelungen ist. Dass es dem Film trotzdem an einem gewissen Charme mangelt, hat andere Gründe und liegt keineswegs nur daran, dass Geschichten dieser Art ohne Schnee nur halb so schön sind; anders als Hollywood kann es sich das ZDF bei Dreharbeiten im Februar nicht leisten, die Szenerie mit Kunstschnee auszustatten. Die Umsetzung ist zwar flott, aber dem Ensemble fehlt jene Natürlichkeit, die nötig ist, um die Mitwirkenden tatsächlich als Familie erscheinen zu lassen.

Außerdem könnte es zwischen dem potenziellen Liebespaar ruhig stärker knistern: Dass Laura und Fin (Eugen Bauder) füreinander bestimmt sind, obwohl zwischen ihnen Eiszeit herrscht, seit er sie zu Schulzeiten kurz vor Weihnachten zur Lachnummer des Ortes gemacht hat, bleibt eine Behauptung. Die überzeugendste Figur ist Lauras jüngere Schwester Lizzi, gespielt von Sarah Alles, für die vor allem zählt, ob die Harmonie zwischen Make-up und Kleidung stimmt. Die schönste Rolle hat jedoch Marie Anne Fliegel, die anderswo gern als Giftspritze besetzt wird (etwa in der ARD-Reihe „Die Eifelpraxis“). Oma Sophie ist das einzige Familienmitglied, zu dem Laura uneingeschränktes Zutrauen hat, was wohl auch daran liegt, dass die in einer eigenen Welt lebenden alte Frau sie weder mit ungebetenen Ratschlägen noch mit Vorwürfen belästigt: Sie spricht nicht.

Soundtrack: CeeLo Green („What Christmas Means To Me“), Dean Martin („Let It Snow“), April Smith and the Great Picture Show („Movie Loves A Screen“), Jane Krakowski („I Saw Mommy Kissing Santa Clause”), Sarah Connor („Santa, If You’re There”), Rozz („Creep”), Ingrid Michaelson & Sara Bareilles („Winter Song”), Christina Perri („The Words”), Sara Bareilles („Love Is Christmas”) Colbie Caillat („Brighter Than The Sun”), Ulrikke („A Storm For Christmas”)

Ich hab den Weihnachtsmann geküsstFoto: ZDF / Boris Laewen
Weihnachts-Hasserin Laura (Henriette Richter-Röhl) absolviert ihren alljährigen Pflichtbesuch über die Feiertage bei ihren Eltern. Doch dieses Mal entwickelt sich das „Fest der Liebe“ völlig anders und verrückt. Über Nacht sind die Gänse los! Birge Schade

Ein Vergnügen ist auch der Tag danach, weil Schmidt nun nach und nach rekonstruiert, was in der Heiligen Nacht passiert ist: Als Laura am Morgen des ersten Feiertags mit Kater und Filmriss erwacht, herrscht im Wohnzimmer komplettes Chaos, und das nicht nur wegen der fünf Gänse, die sich hier rätselhafter Weise tummeln. Außerhalb des Elternhauses ist ebenfalls einiges passiert. So werden zum Beispiel die Nachbarn, die sich schon seit Lauras Jugend mit Rainer einen erbitterten Wettbewerb um den Pokal für die schönste Weihnachts-Deko liefern, in diesem Jahr leer ausgehen: In ihrem Vorgarten haben die Vandalen gehaust; in der Schule waren sie auch. Weil außerdem nicht nur Sophie, sondern auch Fins Auto verschwunden ist, vermutet er einen Zusammenhang; also machen sie sich gemeinsam auf die Suche nach beiden. Am Ende wendet sich alles zum Guten, aber Weihnachtshasser kommen dennoch auf ihre Kosten; schon allein der permanent im Hintergrund dudelnde Christmas-Pop wird bei Menschen mit Santa-Clausophobie Aversionen aller Art wecken. Der Botschaft, dass sich das Glück oft durch die kleinen Dinge ergibt, werden sich allerdings nur Zyniker verschließen.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Henriette Richter-Röhl, Birge Schade, Eugen Bauer, Leonard Lansink, Björn Harras, Sarah Alles, Marie Anne Fliegel, Niklas Osterloh, Annette Strasser, Ramona Krönke, Vedat Erincin, Lani Kalea Maurischat

Kamera: Timo Moritz

Szenenbild: Jost Brand-Hübner

Kostüm: Coline Dubois-Gryspeert

Schnitt: Tatjana Schöps, Michael Timmers

Musik: Marian Lux

Redaktion: Silvia Hubrich

Produktionsfirma: sabotage films

Produktion: Annedore von Donop, Karsten Aurich

Drehbuch: Alex Schmidt

Regie: Alex Schmidt

Quote: 4,18 Mio. Zuschauer (15,2% MA)

EA: 17.11.2024 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 08.12.2024 20:15 Uhr | ZDF

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