Die moderne Kommunikationstechnologie macht die Welt klein. Doch die luftige Sommerkomödie „I Phone You“ von Dan Tang zeigt wie trügerisch die vermeintliche Nähe zwischen Handys und Computern tatsächlich ist. Nachdem ihr Liebhaber in seine Wahlheimat Berlin abgereist ist, bleibt der jungen Chinesin Ling nur ein iPhone, um mit Yu Liebesschwüre auszutauschen. Doch während die Blumen-Kurierin noch auf Wolke Sieben schwebt, ahnt der Zuschauer bereits, dass sich diese Romanze einen Tick zu süß ausnimmt.
Die gebürtige Chinesin Dan Tang siedelt den ersten Akt ihres Debütfilms in ihrer Heimatstadt Chong Qing an und es ist ihrer Inszenierung deutlich anzumerken, dass sie von innen auf diesen „exotischen“ Ort blickt. Tangs Inszenierung ist ebenso selbstbewusst und lebensfroh wie die Protagonistin dieses Films, die trotz zahlreicher Hürden niemals den Mut verliert. Als Ling spontan nach Berlin reist, um Yu zu überraschen, trifft sie am Flughafen Tegel statt ihrem Liebhaber nur dessen Bodyguard Marco (Florian Lukas) an, der sie in einem schäbigen Hotel einquartiert und mit einer schwer verständlichen Mischung aus Deutsch und Englisch auf den nächsten Tag vertröstet. Und als wäre das alles noch nicht genug, verschwindet auch noch Lings Pass und das Geld, dass Yu ihr für den Berlinaufenthalt hat zukommen lassen.
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Auf dieser Prämisse ließe sich ein Drama oder zumindest eine romantische Tragikomödie über eine hilflose Chinesin in einer fremden Stadt entwickeln, die von einem freundlichen, aber bodenständigen Einheimischen aus ihrer misslichen Lage errettet wird. Autor Wolfgang Kohlhaase & Dan Tang brechen mit dieser Zuschauererwartung und präsentieren stattdessen eine ungekannt taffe und doch stets feminine Heldin, die sich niemals unterkriegen lässt. „I Phone You“ profitiert von der Energie Yiyan Jiangs, die den unsterblichen Optimismus ihrer Filmfigur mit jeder Pore ausstrahlt. Niemals verlangt sie nach dem Mitleid des Publikums, sondern hat selbst in den deprimierendsten Momenten noch einen kecken chinesischen Spruch parat. Ihre Lebenslust ist ansteckend und ergibt zusammen mit dem Sommersetting eine Gute-Laune-Mischung jenseits des pubertären deutschen Mainstream-Komödienkinos.
Dass Dan Tang ihre Heldin so auffällig durch die Sehenswürdigkeiten Berlins manövriert ist ein veritabler Wermutstropfen, verleiht sie dem Film hiermit doch zuweilen das Antlitz eines Werbespots für die Hauptstadt. Das Berlin dieses Films ist wie sein eigenes Facebook-Profil: Immer sonnig und hip. Selbstredend gibt es da ein paar nervige Ordnungsbeamte und einen wenig hilfsbereiten Taxifahrer, doch wirken diese zu lustig, um das glatt polierte Berlin-Bild tatsächlich zu trüben. Die Auftritte zahlreicher deutscher Film- und Fernsehgesichter wie Annette Frier, Tino Mewes, Marie Gruber und Kida Ramadan in kleinen Nebenrollen wirken fast wie bewusst platzierte Cameos. Auch wenn hier die Karikatur der Berliner Typen grundsätzlich gelingt, bleibt Dan Tang in dieser Hinsicht einen Tick zu brav. Pointiertere Gags und etwas mehr Mut zur Boshaftigkeit hätten dem Film noch mehr Frische verliehen. Aber auch wenn an dieser Stelle Luft nach oben bleibt, zeigt Dan Tang deutlich ihr Gespür für subtile Situationskomik, die es stets zu vermeiden weiß, in platten Slapstick abzugleiten.
Der Film aus dem Jahre 2011 behält sich große Leichtigkeit und wirkt insbesondere durch die außerordentlich gelungene Musikuntermalung und sein fröhlich-buntes Antlitz wie ein Pop-Märchen, in dem es erfreulicher Weise einmal nicht darum geht, Prinz und Prinzessin zusammen zu führen. Nur worum geht es stattdessen? So richtig lässt sich diese Frage nicht beantworten. Ling gerät von einer Katastrophe in die nächste, läuft dem überforderten Marco immer wieder davon und praktischer Weise immer an hübschen Sehenswürdigkeiten vorbei, doch was der Film dabei erzählen will, bleibt unklar. Trotz der guten Laune, die „I Phone You“ verströmt, gibt es ob dieser unklaren Richtung der Handlung einige dramaturgische Hänger. Das Ende jedoch versöhnt mit allen Zweifeln. Zu herrlich ist die erneute Frustration der Zuschauererwartung und Lings triumphales Grinsen. Sie hat es allen gezeigt, wie auch Dan Tang uns mit ihrer vermeintlich romantisch-komödiantischen Inszenierung immer wieder ein Schnippchen schlägt. Bei all der positiven Energie, mit der sie den Zuschauer zurücklassen, ist dies jedoch beiden nicht übel zu nehmen. (Text-Stand: 13.6.2014)