In der Theorie klingt das klasse: Angesichts gesellschaftlicher und demografischer Entwicklungen sind neue Lebensentwürfe unausweichlich. Eins dieser Modelle ist jedoch ein alter Hut: Alle leben unter einem Dach. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die jungen Eltern, beide berufstätig, können sich darauf verlassen, dass immer jemand für die Kinder da ist; und die Großeltern sind im Alter nicht allein. Die Nachteile sind allerdings ebenfalls offenkundig: Big Mother is watching you; und davon erzählt die Comedyserie mit dem zunächst rätselhaften Titel „I don’t work here“ (ich arbeite hier nicht). Dawit und Laura (Akeem van Flodrop, Sina Martens) sind zu Lauras Eltern gezogen. Ihre Wohnung ließe sich wohlwollend als Souterrain bezeichnen, doch im Grunde leben sie im Keller; aber immerhin mietfrei. Die Hausgemeinschaft hat jedoch einen erheblichen Nachteil: Mutter Heidi (Gabriela Maria Schmeide) hat ein Distanzproblem. Die ehemalige Lehrerin meint es angeblich zwar gut, aber in Wirklichkeit hat sie gern alles unter Kontrolle, weshalb sie nicht nur die Post der jungen Leute öffnet, sondern auch in ihrem Müll stöbert; außerdem taucht sie regelmäßig unangekündigt in der Wohnung auf.
Was nach einer ziemlich schlichten Konstellation klingt, entpuppt sich als überaus heitere Sammlung witziger Ereignisse. Mitunter wirken die acht in sich abgeschlossenen Folgen von jeweils knapp 25 Minuten, als hätten Romina Ecker und Koautorin Malina Nnendi Nwabuonwor ihren gesamten Bekanntenkreis um möglichst peinliche Anekdoten über die Eltern gebeten. Gabriela Maria Schmeide stemmt sich dennoch mit fast schon heroischem Trotz gegen die Antipathie, die ihre Rolle provoziert. Gerade die Szenen mit Ehemann Walter sind pure Satire und erinnern an Loriots Zeichentrick-Sketche über das Ehepaar Berta und Hermann, allen voran „Das Frühstücksei“. Der Kurzfilm endet mit Hermanns finsterer Ankündigung „Ich bringe sie um. Morgen bringe ich sie um!“ Walter sagt das zwar nicht, aber Peter Lohmeyer ist anzusehen, dass dem Gatten der Gedanke durchaus durch den Kopf gehen könnte. Das Dasein dieses Paares ist ein ständiger Zweikampf, der im Wettbewerb um die Gunst der Enkelin gipfelt: Da Heidi das Vorlesen stets mit einem pädagogischen Impetus verknüpft, zieht Fiyori (Louisa Heinrich) den Opa als Vorleser vor, weil Walter dabei allerlei Faxen macht. Das Imperium schlägt jedoch zurück, denn Heidi engagiert kurzerhand einem komplett unkomischen, aber bei Kindern äußerst beliebten YouTube-Komiker als Gagschreiber: Rocko (Sebastian Hotz) begeistert seine Fans mit Zwiegesprächen, die er mit einer über seine Hand gestülpte Socke („Socko“) führt.
Bei Dawit und Laura ist ebenfalls nicht alles in Butter, auch hier mischt die Mutter kräftig mit. Auf dieser Ebene zeigt sich der Anspruch der Serie, denn der sympathische Kindskopf Dawit, dessen kleine Schwindeleien regelmäßig eine fatale Eigendynamik entwickeln, hat afrikanische Wurzeln, deshalb wird er im Supermarkt ständig für einen Mitarbeiter gehalten; so erklärt sich auch der Titel. Mutter Lemlem (Dennenesch Zoudé) ist eine einst nach Deutschland geflüchtete Äthiopierin, der Vater Nigerianer. Für die Schwiegereltern ist Dawits Herkunft kein Thema, für die Nachbarn in der Siedlung anscheinend auch nicht, für ihn selbst hingegen sehr wohl. Immer wieder veranschaulichen die Autorinnen, wie sich alltäglicher Rassismus aus Sicht der Betroffenen anfühlt: Als Laura ihren Partner bittet, Einkäufe aus dem Auto zu holen, wird Dawit prompt von einem Streifenpolizisten (Robert Schupp) angesprochen. Dass er in diesem Moment eine weiße Detox-Gesichtsmaske trägt, macht die Situation nicht einfacher. Laura kommt dazu und zückt prompt ihr Smartphone, um das „Racial Profiling“ umgehend publik zu machen. Die Botschaft dieser Szene, mit der die erste Folge beginnt, ist klar, aber sie kommt ohne den sonst oft üblichen Holzhammer aus, zumal Dawit den Beamten warnt, dass mit Laura nicht zu spaßen sei.
Vermutlich werden nicht alle Ideen aus den Federn der beiden Autorinnen stammen: „I don’t work here“ hat ein israelisches Vorbild („Nevsu“), das 2018 als Beste Comedy-Serie mit dem International Emmy Award ausgezeichnet worden ist. Die Leistung von Romina Ecker und Malina Nnendi Nwabuonwor schmälert das jedoch nicht. Die inhaltlichen Abweichungen liegen laut ZDF in den kulturellen Unterschieden: Im Vorbild spielten viele jüdische Themen eine wichtige Rolle. Die familiäre Struktur ist übernommen worden, manche Handlungsstränge seien „sehr nah am Original, andere ganz neu erfunden.“ Regie führte der in Wien aufgewachsene gebürtige Iraner Arman T. Riahi. Sein „Bewerbungsvideo“ war vermutlich „Schrille Nacht“ (2022); Arte hat den originellen Episodenfilm letztes Jahr kurz vor Weihnachten ausgestrahlt. Die Serie lebt zwar in erster Linie von den vielen absurden Situationen sowie den auch dank des schwarzen Humors zum Teil formidablen Dialogen, aber Riahis temporeiche Umsetzung ist nicht minder sehenswert. Die Arbeit mit dem Ensemble ist ebenfalls ausgezeichnet. Besonders hervorzuheben ist dennoch die Bildgestaltung (Jonas Schneider), und das nicht nur, weil die Kamera quasi das Publikum repräsentiert, wenn sie bei Auseinandersetzungen wie bei einem Tennismatch zwischen den Beteiligten hin und her schwenkt: Eine große Freude ist auch die Vorliebe für ungewöhnliche Blickwinkel. Mehr als nur eine Erwähnung verdient zudem die Produktionsfirma: Das junge Unternehmen NeueSuper hat unter anderem Serien wie „Hindafing“ (BR), „8 Tage“ (Sky), „Breaking Even“ (ZDFneo) und „Katakomben“ (Joyn) hergestellt; an den beiden letztgenannten war Chefautorin Ecker ebenfalls beteiligt.