Sie sehnte sich nach Liebe und nach einem anderen Sozialismus. In der DDR konnte die Schriftstellerin Brigitte Reimann nicht glücklich werden. Amor und Psyche waren ihr näher als Hammer und Sichel, ihr eigenes Leben wichtiger als die Staatsräson. “Warum soll ich mein Leben nicht genießen – in zehn oder 20 Jahren ist alles vorbei”, notierte sie in ihr Tagebuch. Aber auch der Alltag der “Werkstätigen” ließ die Reimann ihr Leben lang nicht los. Literatur aus dem Elfenbeinturm wollte sie nie machen. Subjektive Perspektive und soziale Relevanz mischten sich in ihrem Schreiben zu einem paradiesischen Fluchtpunkt, zu dem sie im Leben nie gelangt ist.
“Hunger auf Leben” erzählt von dieser einzigartigen Frau, die schon zu Lebzeiten als Symbolfigur eines unangepassten und leidenschaftlichen Lebensanspruchs galt. Die Autorin Scarlett Kleint und Regisseur Markus Imboden zeichneten ihre Biographie zwischen 1955 und dem frühen Tod der Schriftstellerin im Jahre 1973 nach. Poetisch leise und ideologisch unprätentiös entsteht so ein Porträt vor den Augen des Zuschauers, das dem Fluss des Lebens und des jeweiligen politischen Zeitgeists abgelauscht scheint. Keine dramatischen Wendepunkte – statt dessen werden die Konfliktherde eines Lebens zwischen Utopie und Entfremdung, zwischen Leidenschaft und innerer Leere in ein dichtes, aber nie überladenes DDR-Zeitengemälde eingebunden.
Die Männer fliegen ihr zu – der schöne Arbeiter (Heinrich Schmieder), der sanfte Poet (Kai Wiesinger), der auf dem Index steht, der machohafte Ex-Knacki (Martin Feifel), der sich als Stasi-Spitzel entpuppt. Sie nimmt sie alle, um den Liebesentzug des Staates, an dessen ursprüngliche Ideen sie aufrichtig glaubt, zu verkraften. Wer anders als Martina Gedeck könnte diese Frau spielen?! Selbst als 22-Jährige wirkt sie glaubwürdig – wie sie schüchtern schaut, als sie im Schriftstellerheim zur Sprachschulung antreten muss. Doch bald weicht ihr zurückhaltendes Auftreten dem “unverschämten Blick”, von dem die Stasi-Beamten raunen.
Gedeck mischt nun ihrer Rolle die Portion Sinnlichkeit bei, die man bei ihr aus Filmen wie “Bella Martha”, “Romeo” oder “Das Leben ist eine Baustelle” kennt. Doch im Innern bleibt sie eine zutiefst unerfüllte, gespaltene Person, in deren Leben es nur wenig Gewissheiten gibt. “Hoyerswerda ist überwältigend”, schrieb Brigitte Reimann 1959. Zehn Jahre später nennt sie diese industriell erbaute Planstadt, von der andere nur träumen können, wo sie wohnte, um im nahen Braunkohlekombinat “Schwarze Pumpe” zu arbeiten, “eine amputierte Stadt“. Ihr Leben, ein einziger Widerspruch. Auch die Liebe wird diese intellektuelle Frau Zeit ihres Lebens nie verstehen: “Warum bist du nicht mein Mann geworden?!”, wundert sie sich in den Armen des über alles geliebten Bruders. (Text-Stand: 18.6.2004)