Obwohl Katja Baumann mal ein paar Tage keinen Dorfhelferinnenjob übernehmen muss, hat sie dennoch alle Hände voll zu tun – wodurch sich ihr neuer Freund Cem, der überraschend aus Berlin angereist war, bald fühlt wie das fünfte Rad am Wagen und sich entsprechend auch rasch wieder verabschiedet. Die Seniorin Erna Krawinkel ist aus ihrem Altenheim ausgebüxt. Wenige Tage vor ihrem 100. Geburtstag kommt bei ihr offenbar eine alte Geschichte aus ihrem bewegten Leben wieder hoch. Katja entdeckt die rüstige Greisin am Straßenrand. Die Frau irrt keineswegs hilflos durch die Gegend, sondern sie verfolgt einen klaren Plan: Ziel ist ihr (verfallenes) Elternhaus auf dem Berg. Die Dorfhelferin heftet sich auf die Fersen der eigensinnigen Alten und gewinnt bald deren Vertrauen. Am Abend bringt Katja sie in ihr Heim zurück, doch am nächsten Tag ist sie schon wieder weg. Jetzt will Erna einen Übernacht-Ausflug machen – und natürlich rechnet sie damit, dass ihre neue Freundin auch kommt. Erna brennt ein großes Geheimnis auf der Seele, das sie Katja anvertrauen möchte. Die Frau hat Sorge, diese alte Geschichte zu vergessen. Deshalb muss sie so dringend auf den Berg.
Die Gegen-Meinung:
„Schade: Die pathostrunkene Kerngeschichte erstickt an zu vielen vorgestanzten Aufsagedialogen. Die gestandenen Mimen sind dabei zwischen pittoresken Schauplätzen, ‚Landlust‘-Blumengebinden und schmalzigem Geigengefiedel völlig verschenkt. Nur die Nebenhandlungen sind lockerer.“ (TV-Spielfilm)
Die elfte Episode um Dorfhelferin Katja Baumann, „Hundertmal Frühling“, schließt direkt an die Jubiläumsfolge „Zeit für Frühling“ an, die Ende Januar 2016 ausgestrahlt wurde. Mark, der Freund der „Familie“, hängt an seinen vorzeitig abgebrochenen Regenurlaub in den Bergen eine „Mallorca“-Woche ran, und Fernbeziehung Cem macht sich früh vom Acker. Das sind die besten Voraussetzungen für eine sehr emotionale Hauptgeschichte, die vornehmlich einen inneren Konflikt spiegelt und die durch ihre sensiblen Zwischentöne überzeugt. Der Verweis auf den Nationalsozialismus und das Thema Zwangsarbeiter bereichert die Schicksals-Geschichte nachhaltig, hebt sie ein wenig aus dem Umfeld des Nur-Liebesfilms heraus und gibt der Dramödie mit kurzen Rückblenden auch filmästhetisch durchaus einen kleinen Mehrwert. Vor allem aber sind es die Szenen zwischen den beiden Frauen, die „Hundertmal Frühling“ zu einem Film machen, dem man mit Sympathie begegnet, wenngleich die Geschichte deutlich im Wohlfühlmodus verbleibt. Anrührend ist vor allem das Spiel von Erni Mangold, dieses charmante, leichte Neben-der-Spur sein, zwischen Altersstarrsinn und keckem Witz. Aber auch die Dialoge sind in diesen Interaktionen auf dem Berg, die leicht abgehoben (aber nicht übermäßig tiefschürfend) sind vom typischen TV-Alltagssprech im Dorf, für „Frühling“-Verhältnisse besonders gut. Die Mischung dieser Episode stimmt also weitgehend, auch und vor allem das Doppelungsspiel alt/historisch vs. jung/zeitgeistig, was eben auch in der Sprache deutlich wird. Ist der eine Pol Mangolds Performance, wird der andere Pol am „natürlichsten“ von Ava Celik verkörpert, während beispielsweise Carolyn Genzkows Kiki durch den Druck, den sie von der dominanten Mutter her spürt oder den sie sich selber macht, zu sehr noch in der Rolle des zickigen Teenagers verharrt bleibt.
Wie sich bereits in der letzten „Frühling“-Episode zeigte, trägt es zur allgemeinen Stimmigkeit bei, wenn nicht jede Figur jedes Mal in einen wesentlichen Konflikt gerät, der womöglich noch mit dem Hauptkonflikt kurzgeschlossen wird. In „Hundertmal Frühling“ sind die Nebenplots besonders deutlich der Hauptgeschichte untergeordnet. Sie laufen mehr oder weniger beiläufig mit und sie sind vor allem dazu da, die horizontale Privaterzählung nicht abreißen zu lassen und ihr mögliche Perspektiven für die Zukunft zu weisen. Aber auch für die Hauptfigur eröffnet diese (Familienzusammenführungs-)Geschichte, die kurz vorm Ende sicher dem einen oder anderen die Tränen in die Augen treiben dürfte, eine Möglichkeit, wie Katja Baumann ihre verkorkste Ursprungsfamiliengeschichte vielleicht verarbeiten könnte: „Ich werde meinen Vater suchen“, beschließt die von Simone Thomalla grundsolide gespielte Dorfhelferin, die offenbar „panische Angst vor zu viel Nähe“ hat, wie ihr neuer Lover beiläufig scherzhaft am Abreisetag anmerkt. Fazit: Wer gegen die „Herzkino“-Formel nicht allergisch ist und wer sich in den „Frühling“-Mikrokosmos eingesehen hat, für den müsste „Hundertmal Frühling“ einer der besseren Filme der Reihe sein. (Text-Stand: 26.1.2016)