Wilsberg zum Trotz ist der Privatdetektiv als Reihen- oder Serienfigur hierzulande die große Ausnahme; eigentlich seltsam, schließlich ist das Potenzial möglicher Geschichten ungleich größer als beim üblichen TV-Polizisten, der in der Regel der Mordkommission angehört. Die neue ARD-Serie „Huck“ nutzt das weidlich aus. Entführung, Drogenhandel, Weinskandal, Brunnenvergiftung: ein breites Spektrum. Zweite Besonderheit der Reihe soll die für die Vorabendserien mittlerweile obligate regionale Verortung sein: Titelfigur Huck hat sein Büro im ältesten und daher urschwäbischen Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt. Wie sich das für einen Privatermittler gehört, ist K.P. Huck eher Antiheld als Held, weshalb Patrick von Blume eine gute Wahl ist: Der Schauspieler mag nicht die landläufige Attraktivität des typischen TV-Stars mitbringen, aber er ist ein Mann mit Ausstrahlung. Dass seine Filmografie eine Vielzahl von Schurken aufweist, verleiht der Figur einen weiteren Reiz und passt zu ihrem Wesen: Huck ist zwar kein ausgesprochener Bruddler, wie der Schwabe Menschen nennt, die anderswo Grantler heißen, aber gute Laune strahlt er auch nicht gerade aus. Vor allem aber ist der Schauspieler gebürtiger Ravensburger und somit waschechter Oberschwabe, sodass sein Dialekt im Gegensatz zu den Dialogen einiger Nebendarsteller nicht künstlich klingt.
Dass die achtteilige SWR-Serie den Anhängern des einstigen Stuttgarter „Tatort“-Kommissars Bienzle gefallen wird, ist dagegen eher eine schlechte Nachricht, denn die Filme wirkten gegen Ende (2007) genauso betulich und aus der Zeit gefallen wie der von Dietz-Werner Steck verkörperte Ermittler. Auch „Huck“ legt ein Tempo vor, das diese Bezeichnung nicht verdient, weshalb zumindest der von Patrick Winczewski inszenierte Auftakt ähnlich beschaulich wirkt wie die Filme, die der Regisseur für den SWR im Rahmen des Bodensee-„Tatorts“ gedreht hat. Bei seinen Krimis aus Ludwigshafen hat er zuletzt mehrfach gezeigt, dass er auch anders kann. Von Thomas Freundner stammen ähnlich viele „Tatort“-Beiträge für den SWR, die gleichfalls mal bemerkenswert, mal durchschnittlich sind; seine ARD-Weihnachtskomödie „Bettis Bescherung“ war allerdings äußerst unterhaltsam. Die ersten „Huck“-Episoden hingegen sehen aus, als hätten sich beide bremsen müssen. Das mag zwar zum Klischee der schwäbischen Gemütlichkeit passen, ist aber trotzdem kein Grund, sich einfallsloser Versatzstücke der Filmsprache zu bedienen, was die Serie wie eine Produktion für das dritte Programm des SWR erscheinen lässt. Der Lokalkolorit resultiert jedoch überwiegend aus dem Dialekt; Szenen wie jene in der Auftaktfolge, als Huck zu den Klängen der Stadionhymne „You’ll Never Walk Alone“ auf einem Rennrad durch die Stadt braust, haben Seltenheitswert.
Foto: SWR / Olaf Raymond Benold
Wenig originell sind auch die Nebenfiguren. Aykut Kayacik ist für Huck, was Wilsbergs Kumpel Ekki für den Detektiv aus Münster ist: irgendwie Freund, aber vor allem Fahrer, denn wie alle fiktionalen Schnüffler ist Huck chronisch pleite. Dass sich sein Nachbar Cem, Obst- und Gemüsehändler mit türkischen Wurzeln, trotzdem regelmäßig breitschlagen lässt, liegt an seiner Abenteuerlust. Das ist einerseits ganz nett, aber andererseits muss Kayacik viel zu offensichtlich das komische Moment der Serie verkörpern. Dritte im Bunde, aber zurecht viel seltener im Bild, ist eine Anwältin, die Huck immer wieder Aufträge zukommen lässt. Angeblich hat der „schwäbische Sherlock“ (wie er sich im von Blume selbst gesungenen Vorspannlied nennt) ein mehr als bloß berufliches Interesse an der Zusammenarbeit, aber Valerie Koch verkörpert die Frau auf eine Weise, die ihren knallroten Sportwagen aus selbstredend einheimischer Produktion ungleich attraktiver wirken lässt. Und dann ist da noch Hucks Neffe als Repräsentant einer eventuellen jüngeren Zielgruppe, aber der Student wird dermaßen auf seine Faulheit reduziert, dass man ihn kaum wahrnimmt; es sei denn, er kann sich mit seinem Computerwissen nützlich machen. Die Episodendarsteller sind auch nicht immer glücklich ausgewählt. Der Profitorwart, dessen Freundin in der ersten Folge angeblich entführt worden ist, ist als Leistungssportler völlig unglaubwürdig. Die Fälle sind ohnehin kein wirklicher Einschaltgrund, zumal man meist früh ahnt, worauf die Geschichten hinauslaufen.
Auffällig ist dagegen die Musik von Andreas Schäfer und Biber Gullatz, aber selbst das spricht nicht für, sondern gegen „Huck“, weil sie wie eine Nummer zu groß für die gezeigte Beschaulichkeit klingt. Natürlich darf man eine Vorabendserie nicht mit den Maßstäben eines Fernsehfilms messen, und die Macher würden die verschiedenen Anschlussfehler vermutlich mit der knappen Drehzeit entschuldigen; aber es gab zuletzt Vorabendproduktionen im „Ersten“ wie beispielsweise „Unter Gaunern“, die die Überschaubarkeit ihres Budgets durch Kreativität und Einfallsreichtum wettgemacht haben. (Text-Stand: 28.8.2015)