Der Titel klingt ungewöhnlich konfrontativ für den trotz gelegentlicher Dramatik Harmonie stiftenden Sonntagabend im „Zweiten“; aber „Keine Zeit für Arschlöcher“ heißt nun mal das Buch, das diesem Film zugrunde liegt. Der Zusatz, den TV-Koch und Moderator Horst Lichter („Bares für Rares“) seinem autobiografischen Bestseller gegeben hat, lautet „Hör auf dein Herz“, und das ist auch die Botschaft so gut wie jedes ZDF-„Herzkino“-Beitrags. Insofern passen Inhalt und Sendeplatz dann doch wieder zusammen, selbst wenn die Geschichte weitgehend ohne Romantik auskommen muss: Buch und Film schildern, wie sich Lichter, der am 15. Januar sechzig Jahre alt wird, im Rahmen eines Besuchs bei seiner Mutter im Rheinland mit seiner Kindheit auseinandersetzt. In der ansonsten unauffälligen Inszenierung sind vor allem die Zeitsprünge kleine Kunstwerke: Lichter kommt mit seinem Auto vor dem Elternhaus an, betrachtet die zum Trocknen aufgehängte Wäsche im Garten, dann zeigt die Kamera einen kleinen Jungen, der sein Kinderrad in ein Moped verwandelt hat. Übergänge dieser Art gibt es einige (Lichter wirft einen Ball an die Wand, der kleine Horst fängt ihn auf), und alle sorgen für willkommene kleine Überraschungsmomente, denn die auch wegen der vielen Rückblenden sehr anekdotisch-episodisch strukturierte Handlung ist über weite Strecken ein Zwei-Personen-Stück. Unbedingt sehenswert ist das Drama wegen Oliver Stokowski, der sich den stets heiteren Lichter mit Haut und Haar angeeignet hat („Haar“ nur im übertragenen Sinne), was auch die rechtsrheinische Sprachmelodie mit einschließt. Der typische Dialekt dieser Gegend klingt nicht bei allen Mitwirkenden restlos überzeugend.
Zweite Botschaft neben dem Herz-Appell ist die dringende Empfehlung, sich mit Vätern und Müttern auszusprechen, so lange dies noch möglich ist: Lichter nächtigt in seinem einstigen Kinderzimmer, und wenn er das Licht löscht, hört er prompt die Eltern streiten. Die Rückblenden zeigen einerseits typisch dörfliche Kindheitsbilder der späten Sechziger- beziehungsweise frühen Siebzigerjahre (Lichter ist Jahrgang 1962), aber auch Szenen einer Ehe, die zumindest aus Sicht des Sohnes offenbar von permanenten Auseinandersetzungen geprägt war. Erst gegen Ende öffnet ihm seine Tante (Johanna Gastdorf) die Augen für die Perspektive der Mutter. In Lichters bebilderten Erinnerungen ist der Vater (Toni Kalisch) stets voller Mitgefühl und Wärme, während die unbeherrschte Margret (Lou Strenger) dem Jungen auch schon mal eine Tracht Prügel verabreicht. Sinnbildlich für diese Ebene ist ein Schluchzen aus der Speisekammer, das Lichter mehrfach hört; aber jedes Mal, wenn er die Tür öffnet, ist dort nichts zu sehen. Das Rätsel wird erst gegen Ende aufgelöst, als sich der große Horst in einer berührenden Szene mit seiner Kindheit versöhnt.
Die Adaption der Vorlage hat Edda Leesch besorgt. Die Schauspielerin beschränkt sich seit einigen Jahren weitgehend aufs Schreiben. Ihre Geschichten, zuletzt unter anderem das Ehe- und Nachbarschaftsdrama „Ich war eine glückliche Frau“ (ARD, 2017) oder „Zwei verlorene Schafe“ (ZDF, 2016) haben gern eine heitere Anmutung, behandeln aber stets ernste Themen. Auf „Horst Lichter – Keine Zeit für Arschlöcher“ passt diese Beschreibung recht gut: Gewissermaßen das Gegenstück zu den Schluchzern aus der Speisekammer ist Lichters Beschwichtigung „Alles in Butter“. Tatsächlich ist gar nichts in Butter: 2014 wird bei Margret (Barbara Nüsse) ein bösartiger Nierentumor entdeckt, der nur im Rahmen einer komplizierten Operation entfernt werden kann; und damit ist die Sache längst noch nicht ausgestanden. Weil Lichter, der sich gemeinsam mit seiner zweiten Frau Nada (Chiara Schoras) umgehend auf den Weg in die alte rheinische Heimat macht, schon früh gelernt hat, dass man den Widrigkeiten des Daseins am besten mit guter Laune begegnet, versucht er auch diese Bedrohung wegzulächeln; bis ihn die Mutter auffordert, endlich mit den Clownereien aufzuhören.
Eine dritte Botschaft wird gleich zu Beginn vermittelt, als Lichter einem Freund von seinem Kindheitstraum erzählt, irgendwann mit dem Moped Richtung Sonne zu fahren. Der Freund verdeutlicht ihm mit Hilfe eines Maßbands, dass die Zeit, um diesen Plan in die Tat umzusetzen, immer weniger wird. Die Rahmenhandlung des Films zeigt Lichter auf dem Motorrad. Der Tod der Mutter hat ihm zur titelgebenden Erkenntnis verholfen: Das Leben ist zu kurz, um seine Zeit mit Arschlöchern zu verschwenden. Regie führte Andreas Menck, der zuletzt maßgeblich an der ausgesprochen liebevoll erzählten ZDF-Serie „Doktor Ballouz“ (2021, mit Merab Ninidze als melancholischer verwitweter Chefarzt einer kleinen Klinik in der Uckermark) beteiligt war. Er nimmt sich mitunter zu viel Zeit, etwa wenn die Kamera den kleinen Horst auf seinem Rad durch die denkbar langweilige rechtsrheinische Landschaft begleitet, zumal der Film ohnehin recht tempo- und zuweilen auch spannungsarm ist, aber die Leistung Stokowskis macht vieles wieder wett.