Jakob ist fünfzehn – sensibel, verschlossen, ein musisch veranlagter Außenseiter. Bei seinen Eltern kracht es jeden Tag – bis die Mutter nicht mehr kann und auszieht. Jetzt muss der Vater sehen, wie er allein mit Jakob klar kommt. Bei dem Jungen laufen die Hormone Amok. Der leidenschaftliche Video-Macher hat nur noch Augen für Hannah – und die ist auch ganz angetan von dem Jungen, der anders ist als die Anderen. Doch die erste Liebe wird massiv gestört durch den „Mobber“ und Action-Macher Henry. Durch einen dummen Zufall kommt dieser an ein intimes Homevideo, in dem Jakob masturbiert und dazu noch „I love you, Hannah“ stöhnt. Jakob ist außer sich. Er weiß, was sich im Internet mit solchem „Material“ alles machen lässt. Sein Vater will helfen, aber der Polizist verkennt die Situation, sieht nur Tatbestände und Rechtslagen und nicht seinen Sohn. Der fühlt sich bald konfrontiert mit Ekel-E-Mails wie „Fick dich! versiffte schwule Nudel“ oder „Nimm dir n strick Psycho“.
Das Medium, das Schutz gewährte, die Kamera, die dem pubertierenden Helden die „böse Welt“ auf Distanz hielt, die seine Kreativität förderte, diese Kamera, Jakobs einziger Freund, dem er seine intimsten Geheimnisse anvertraut, wird plötzlich Jakobs größter Feind. Von dieser medialen „Freundschaft“, die in einer ausweglosen Ohnmacht gipfelt, erzählt „Homevideo“. Und der Film von Jan Braren (Buch) und Kilian Riedhof (Regie) erzählt nebenbei auch von der Hilflosigkeit der Eltern und der Ratlosigkeit der Lehrer. Das Medium selbst ist nicht „böse“, aber es kitzelt die Boshaftigkeit aus den Usern heraus. Es fällt schwer, gegenüber dieser modernen Form des medialen Mobbings dieselbe Coolness an den Tag zu legen, mit der man beispielsweise verallgemeinernden Verteufelungen des Internets begegnen würde. Denn diese Mediatisierung der Wirklichkeit könnte problematischer sein als beispielsweise das viel gerügte Abtauchen in die medialen Welten der Computerspiele. Kompromittierende Videos ins Netz zu stellen ist ein Akt der Gewalt. Die neuen Medien beeinträchtigen massiv die soziale Kompetenz, sie verändern schleichend „wertvolle“ Sozialpraktiken, ersetzen sie durch Rudeltrieb, Ausgrenzungstechniken und Machtspiele.
„Homevideo“ zeigt diese Mechanismen. Der Film erzählt aus der Opfer-Perspektive. Das ist gewagt. Das Konzept geht auf. Darüber, was den Jugendlichen im Film fehlt, Empathie, wird der Zuschauer in die Geschichte hineingezogen. „Der Junge ist wie abgeschaltet“, sagt die Mutter, die sich zwischenzeitlich wieder stärker um den Sohn bemüht. Dieser Eindruck stellt sich auch beim Zuschauer ein durch einen zunehmend assoziativen Erzählfluss, der der Wahrnehmung der Hauptfigur nachempfunden ist. Töne, Geräusche, Bilder – alles scheint zu verwischen. Die Wirklichkeit löst sich auf, jener Jakob fällt in ein Vakuum aus Scham, Angst und Selbsthass, andere Gefühle von außen erreichen den Jungen nicht mehr. Diese Tragödie konsequent subjektiv zu erzählen, die gesellschaftlichen Probleme anzuschneiden, aber nicht vornehmlich einen sozialkritischen Diskurs zu führen, auf Didaktik zu verzichten, aber ebenso auf eine genrehafte Zuspitzung – das macht „Homevideo“ noch eine Spur radikaler in seiner Gesamtanmutung und entlässt den Zuschauer aufgewühlter aus diesem Film als beispielsweise aus den beiden Ausnahme-Jugenddramen „Ihr könnt euch niemals sicher sein“ und „Wut“.