“Er umfasst dich wie ein Freund, wie eine tröstende Mutter. Er verwandelt die Wirrniss des Lebens in große Mythen.” Mag aus dem Leben auch der Sinn gewichen sein – in vino veritas. Das wissen die Bewohner des österreichischen Weinviertels. Zu den Momenten der größten Wahrheit gelangen sie in ihren Weinkellern. Hier steht die Zeit still, hier wird Tacheles geredet. Es riecht betörend nach Wein und Holz, nach Leben und Vergänglichkeit. Nicht das schlechteste Gemisch für einen Krimi mit Charakter.
Auch der dritte Kriminalfilm um den österreichischen Landgendarmen Simon Polt ist zu verstehen als eine Anleitung zum Thema “So trinken wir uns die Wirklichkeit erträglich”. Und der Provinzpolizist ist unschwer als ein Mensch zu erkennen, der viel zu tief in der Mentalität der Bevölkerung verwurzelt ist, um mit Leib und Seele die Täter zu überführen. Die Mörder sind unter uns. Das weiß er. Und weil er es weiß, durchforscht er voller tiefer Resignation über die Unzulänglichkeit der Menschen Landschaft und Leute. Dörfliche Abgründe klaffen in ganzer Pracht zwischen Frühschoppen und Abendandacht. Und so radelt er von Haus zu Haus, um zu tun, was zu tun ist.
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Die Vergeblichkeit in der Körperhaltung und im Blick, so begibt sich der von Alfred Komarek kreierte und von Julian R. Pölsler fürs Fernsehen adaptierte und von Erwin Steinhauer (kon)genial verkörperte Landgendarm auf Verbrecherjagd. Er will es eigentlich gar nicht so genau wissen, wer die Pfarrersköchin mit einem Gemisch aus Wein und Tollkirschensaft ins Jenseits befördert hat. Ob es nun der Pfarrer war, ein Gourmetkritiker aus der Stadt, der Mesner oder irgendeine der alten Liebschaften der gar nicht immer so frommen Frau – die Motive zur Tat kann Polt verstehen. Die Leidenschaft dahinter weniger. Da nimmt er lieber noch a Glaserl.
Aber Polt und Steinhauer sind nicht alles. Günther Maria Halmer als Pfarrer mit Fehl und Tadel, Ludwig Hirsch als Alt-68er im Dauerdelirium, Nikolaus Paryla als sprachwitzelnder Stadt-Kommissar oder Monica Bleibtreu als grantelndes Dorfweib – ein unvergessenes Panoptikum eigensinniger Typen, die dem “Tatort”-geschulten Auge und dem Dialekt-entwöhnten Ohr gelegentlich Kopfzerbrechen bereiten mögen, begegnet dem Zuschauer in dieser ORF-Produktion. “Himmel, Polt und Hölle” kommt wie sein schwergewichtiger Held als schwerer Roter daher. “Schwarz im Zentrum, voluminöser Körper, eindrucksvoll langer Abgang”, so wie es der Weinkritiker im Film dem Fernsehkritiker einflüstert.