Herrgott für Anfänger

Deniz Cooper, Katharina Strasser, Mangold, Mraz, Bigler. Diener zweier Herren

Foto: ORF
Foto Rainer Tittelbach

Für die Liebe konvertieren ist ein häufiges Motiv in Multikulti-Komödien. Den Helden, noch dazu einen, für den keine Religion eine echte Herzenssache ist, in einen doppelten Glaubens-Wechsel zwischen Moslem und Christ zu verstricken – das ist das Besondere an „Herrgott für Anfänger“ (ORF, BR / Lotus-Film), einer Wiener Großstadt-Komödie, die Sascha Bigler nach dem Drehbuch von Berith Schistek & Karl Benedikter temporeich inszeniert hat. Trotz vieler  amüsanter Momente, darunter ein paar Wiener Schmäh-Einlagen und einer überzeugenden Besetzung fehlt dem Film ein narrativer und moralischer Kern. Die etwas oberflächliche Erzählweise spiegelt das Wesen der Hauptfigur, was zwar konsequent ist, die Rezeption – auch des Themas Vorurteile gegen Moslems – aber keinesfalls nachhaltiger macht.

Musa (Deniz Cooper), Anfang 30, sieht sich als „Wiener Türke“, weil „türkischer Wiener“ wie ein Würschtl klingt – und das geht ihm dann doch gegen die Türken-Ehre. Der Taxifahrer liebt seinen Job, die unterschiedlichen Menschen, die ihm dabei begegnen, besonders die Frauen. Mit Religion weiß er nichts anzufangen. Alles wird anders, als er Aisha (Zeynep Bozbay) begegnet. Für ihn ist es Liebe auf den ersten Blick. Jetzt weiß er, was sein bester Freund Yussuf (Tim Seyfi) meint mit „dem Leben Sinn geben“. Der Haken an der Sache ist nur, dass die Schöne die Tochter seines strenggläubigen Chefs (Ercan Durmaz) ist. Was bleibt ihm also anderes übrig, als ein mustergültiger Moslem zu werden! Das geht schneller als gedacht. Doch dann bringt ihn ein seltsames Testament in arge Gewissensnöte. Seine bärbeißige Stammkundin, die Weininger (Erni Mangold), hatte offensichtlich doch ein gutes Herz. Ihr plötzlicher Tod stellt ihm in Aussicht, Besitzer ihres Heurigen-Lokals samt dazugehörigen Weinbergs zu werden. Vorausgesetzt, er konvertiert binnen eines Jahres zum Christentum. Für einen wendigen Taxifahrer müsste so ein religiöses Doppelleben durchaus möglich sein. Allerdings ist es für einen „Osmanen“ – trotz eines rührenden „Vaters“ (Tho-mas Mraz) als Fürsprecher – gar nicht so leicht, als Schäfchen in die katholische Herde aufgenommen zu werden. Was werden im Übrigen die türkischen „Brüder“ sagen? Und dann ist da ja auch noch die Heurigen-Wirtin Miri (Katharina Strasser), die der alten Weininger zehn Jahre ihre Wirtschaft geführt hat. Wenn Musa das Lokal erbt, es womöglich verscherbelt, um bei seinem verschuldeten Chef als Bräutigam besser dazustehen, was wird dann aus ihr?!

TV-Spielfilm findet die österreichische Komödie richtig klasse:
„… liefert einen überspitzten Clash der Religionen und lässt mithilfe des wienerisch-derben Humors so gut wie kein Vorurteil aus. Genüsslich findet er in einfachen Metaphern genau den richtigen Mix aus Komik und Gesellschaftskritik.“

Herrgott für AnfängerFoto: ORF
Hinterfotzig, physisch und dann diese Mundart – echt pfundig: Katharina Strasser (der Trailer unten lohnt sich)

Für die Liebe konvertieren ist ein häufiges Motiv in Multikulti-Komödien. Den Helden, noch dazu einen, für den keine der beiden Religionen eine echte Herzenssache ist, in einen doppelten Glaubenswechsel zu verstricken – diese Wendung ist das Besondere an „Herrgott für Anfänger“, einer Wiener Großstadt-Komödie, die Sascha Bigler („Kommissar Pascha“) nach dem Drehbuch von Berith Schistek und Karl Benedikter (beide „SOKO Kitzbühel“-erfahren) temporeich inszeniert hat. Temporeich auch deshalb: weil die von Deniz Cooper sympathisch gespielte Hauptfigur ja die beiden Welten unter einen Hut bringen muss, die türkische in Wien und die katholische vor den Toren der Stadt, wo sich auch das Heurigen-Lokal befindet. Und so wechseln vor allem in der zweiten Hälfte des Films immer rasanter die Schauplätze. Dass Musa dabei seine Herzensdame immer mehr zu entgleiten droht, dürfte dabei kaum einem Zuschauer entgehen. Noch dazu, weil der verliebte Taxler nimmermüde wird, seine Geschichte gelegentlich mit amüsanten, meist aber mit ziemlich überflüssigen Einwürfen aus dem Off zu kommentieren und dabei auch einiges von seiner Beziehung, die noch gar keine Beziehung ist, frühzeitig zu verraten. Und wer ein kleines Bisschen Erfahrung mit romantischen Komödien hat, wird sich denken können, dass die herzliche Abneigung, mit der sich Musa und Miri (schon die Namen schreien nach einer amourösen Verbindung) begegnen, die perfekte Voraussetzung zumindest für eine heiße Liebesnacht ist. Mit dieser Szene, vorweggenommen & kurz angespielt, beginnt der Film dann auch vielversprechend: nächtliches Schlammcatchen – dazu die Worte: „Eigentlich ist das eine Liebesgeschichte“.

Immer wenn die Macher die Möglichkeiten des Genres nutzen, von der verspielten Montage über den Einsatz von Johnny Cashs „Personal Jesus“ bis hin zu einem ersten Happy End, das der ironische Ich-Erzähler wieder zurücknimmt, dann entwickelt „Herrgott für Anfänger“ einen für sich einnehmenden Charme. Wenn dann noch – motiviert durch den Drogen-Einfluss des Helden – eine nächtliche Autoabschleppaktion unter Wiener-Walzer-Klängen als großangelegtes Ballett choreographiert wird, dann haben Bigler & Co zwischenzeitlich die Sympathien ganz auf ihrer Seite. Köstlich auch eine Cola-Bomben-Szene, in der der Held einigen kleinen Hosenscheißern („Kannst du Bomben basteln? Mein Papa sagt, alle Musis basteln Bomben“) das Islamisten-Klischee um die Ohren knallt. Auch die Szenen zwischen Cooper und Miri-Darstellerin Katharina Strasser, ein echtes Pfund, besitzen eine Physis und Hinterfotzigkeit (was auch an der österreichischen Mundart liegt), die so typisch ist für Ösi-Komödien. Und Thomas Mraz, der Kommissar aus „Vorstadtweiber“, bestätigt einmal mehr sein komödiantisches Ausnahmetalent; ein Hochgenuss an Wiener Schmäh ist eine Beicht-Szene mit ihm und Strasser. Und auch die Rolle der Polizei und des Verfassungsschutzes, die um Musa eine konspirative Zelle wittern, ist dramaturgisch geschickt in die Handlung  integriert (aber ein Tick zu viel). Trotz solcher amüsanter Momente, der guten Besetzung (auch des Türken-Clans mit Tim Seyfi & Ercan Durmaz) und der inszenatorischen Rasanz können einem die 90 Minuten lang werden. Dem Ganzen fehlt ein narrativer und moralischer Kern. Und das ausgerechnet bei einer Geschichte um Glauben und Spiritualität. „Herrgott für Anfänger“ spiegelt also letztlich in seiner oberflächlichen Erzählweise das Wesen seiner Hauptfigur, was zwar konsequent ist, die Rezeption – auch des Themas Vorurteile gegen Moslems – deshalb aber keineswegs nachhaltiger macht. (Text-Stand: 6.12.2017)

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Fernsehfilm

BR, ORF

Mit Deniz Cooper, Katharina Strasser, Erni Mangold, Thomas Mraz, Zeynep Bozbay, Hary Prinz, Ercan Durmaz, Tim Seyfi, Cornelius Obonya, Peter Mitterrutzner

Kamera: Carsten Thiele

Szenenbild: Conrad Moritz Reinhardt

Musik: Alexander Maschke

Redaktion: Sabine Weber (ORF), Anke Ferlemann (BR)

Produktionsfirma: Lotus Film

Produktion: Tommy Pridnig, Peter Wirthensohn

Drehbuch: Berith Schistek, Karl Benedikter

Regie: Sascha Bigler

Quote: 3,11 Mio. Zuschauer (9,8% MA)

EA: 10.01.2018 20:15 Uhr | ARD

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