Der Umbau des ARD-Vorabends 2011 schreitet voran. Das Label „Heiter bis tödlich“ ist nun in NRW angekommen, im fiktiven Örtchen Büdringhausen. In „Henker und Richter“ begleitet der Zuschauer ein illustres Ensemble ins kleinste Amtsgericht Westfalens. Dort, wo Männer bislang allein das Sagen hatten, ohne dabei allzu viele Worte zu machen („sach bloß“), bringt die ebenso attraktive wie intelligente Staatsanwältin Saskia Henker das System mit den kurzen Dienstwegen gehörig durcheinander. Amtsrichter Klaus Wagenführ scheint das gar nicht mal so schlecht zu gefallen. Auch dem Polizisten Peter Schulte kommt die Neue gerade recht – nennt sie ihn wenigstens nicht dauernd den „kleinen Peter“. Dagegen sieht der Wald- und Wiesenadvokat Johannes Bulitta seine Position als Platzhirsch extrem gefährdet und muss zum Ausgleich eine noch größere Nähe zur Presse suchen. Dass die junge Staatsanwältin sich das antut und aus Düsseldorf weggegangen ist, hat private Gründe: Sie glaubt, auf ihre Oma Hedwig aufpassen zu müssen, zumindest so lange, bis das Seniorenheim fertig gestellt ist.
Deutsche Serien, insbesondere am Vorabend, haben ihre eigenen Gesetze. Das Vertraute, das Gewohnte spielt für den Zuschauer die Hauptrolle. In diesem Sinne ist auch „Henker & Richter“ wie die beiden anderen neuen Vor-Acht-Formate des Ersten, „Nordisch herb“ und „Hubert und Staller“, eine „Familienserie“, wie sie im Buche steht. Im Zentrum: eine überschaubare Welt in Form eines kleinstädtischen Amtsgerichts mit einem Personal, das mehrere Generationen abdeckt und somit der ganzen Familie Identifikationsangebote macht. Ob das reicht, um auch die Zuschauer zwischen 20 und 40 anzusprechen – bleibt abzuwarten. Der Ansatz der ARD, sich auf die leichte serielle Fiktion und auf die Erzähl-Tradition des „Regionalprogramms“ der 80er und frühen 90er Jahre zu besinnen, indem man sich wieder den regionalen „Mentalitäten“ zuwendet, das ist jedenfalls ein besserer Weg zu einem besseren Image zu kommen (und irgendwann zu einer besseren Zuschauerresonanz), als sich mit kurzlebigen Shows und überholten Daily-Soaps öffentlich-rechtlich zu verzetteln.
16 Folgen von „Henker & Richter“ stehen zunächst ins Haus. Näher kommt einem das ungleiche Quartett schon in der ersten Folge „Feuerteufel“. Das Motto „das Gegenüber durch die Arbeit kennen lernen“ gilt auch für den Zuschauer. Die Serie und ihre Protagonisten kommen schnell zur Sache. Saskia Henker ist die Ungeduld in Person. Da trifft es sich gut, dass auch die Autoren geschickt mit Auslassungen arbeiten, um so zusätzlich ein wenig Tempo in das insgesamt gemütliche Tür-auf-Tür-zu-Ambiente zu kriegen – und ein wenig Neugier beim (vielleicht zu Abend essenden) Zuschauer zu wecken. Die originellsten Zwischentöne ergeben sich aus der Enge der Kleinstadt, dem Jeder-kennt-jeden-Prinzip – aber auch die eigensinnige Großmutter sorgt für humorige Abwechslung. Und auch die Schauspieler forcieren – außer rollenbedingt Moritz „Bulitta“ Lindbergh – trotz Krimi-Fall die familienserien-übliche Behaglichkeit: Hingucker Rike Schmid („Der Fürst und das Mädchen“), Normalo Martin Lindow (WDR-„Polizeirufe“) und die eher komödiantisch agierenden Golo Euler („Kasimir und Karoline“) und Dorothea Walda („Allein unter Bauern“) erzeugen mehr noch als das Ensemble von „Hubert und Staller“ eben jene „familiäre“ Grundbefindlichkeit.