Hedi Schneider steckt fest

Laura Tonke, Hans Löw, Melanie Straub, Sonja Heiss. Die Angst vor der Angst

Foto: HR / Nikolai von Graevenitz
Foto Tilmann P. Gangloff

„Hedi Schneider steckt fest“: Das klingt nach Komödie, und so beginnt der Film von Sonja Heiss auch. Was folgt ist ein Warnschuss des Körpers, eine Angststörung aus heiterem Himmel. Der Film erzählt die Geschichte einer Frau, Mitte 30, die in ihrem Leben „feststeckt“ oder – anders gesagt – noch nicht angekommen ist. Nur eines ist klar: Die Party ist vorbei! In dem mehrfach preisgekrönten Film geht es nicht nur darum, wie die Hauptfigur zurück ans Licht findet, sondern auch um die Frage, welche Belastung eine Liebe aushalten kann. „Humor ist der Zuckerguss, der die bittere Pille erträglich schmecken lässt“ (Spiegel).

„Hedi Schneider steckt fest“: Das klingt nach Komödie, und so beginnt der Film auch. Hedi (Laura Tonke) ist Mitte 30 und eine Frau, die schon mit ihrem ungewöhnlichen Kleidungsstil signalisiert, dass sie die Dinge etwas lockerer nimmt als ihre Kollegen im Büro. Regisseurin Sonja Heiss führt ihre Heldin mit einigen launigen Szenen ein: Erst bleibt Hedi tatsächlich stecken, nämlich im Fahrstuhl, aber das erträgt sie mit der gleichen heiteren Gelassenheit wie später die indignierten Blicke eines Kollegen, dem es ein körperliches Unbehagen bereitet, dass sie seinen Kaffeebecher benutzt. Nach der heiteren Einführung aber ist Schluss mit lustig, nun nimmt der Film auch optisch eine Wende zum Düsteren: Mitten im Sex wird Hedi von einer Panikattacke heimgesucht; fortan ist ihr Dasein von der Angst vor der Angst geprägt.

Sonja Heiss weiß, wovon sie in ihrem ersten Spielfilm nach dem mehrfach ausgezeichneten tragikomischen Debütdrama „Hotel Very Welcome“ (2007) erzählt: Sie hat in ihrem Drehbuch persönliche Erfahrungen verarbeitet. Am schlimmsten fand sie während jener Zeit, dass sie ihren Humor verloren hatte. Deshalb hat sie der eigentlichen Handlung den fröhlichen Prolog vorangestellt, der Hedi gerade im Zusammenspiel mit Mann Uli (Hans Löw) und Sohn als ausgeglichenen, unbeschwerten Menschen zeigt. Wohlfeile Erklärungen bleibt der Film klugerweise schuldig; die Angst kommt aus heiterem Himmel. Später gibt es zwar Hinweise auf mögliche Ursachen, doch in erster Linie wollte Sonja Heiss verdeutlichen, dass man „kein nachdenklicher, ängstlicher, melancholischer Mensch“ sein muss, um von so einer Krankheit getroffen zu werden; auch eine gut gelaunte, offene Person wie Hedi ist nicht gefeit.

Hedi Schneider steckt festFoto: HR / Nikolai von Graevenitz
Wie viel Angststörung hält eine Liebesbeziehung aus? Laura Tonke und Hans Löw in „Hedi Schneider steckt fest“

„Und immer wieder berühren besonders die Bilder, in denen Uli und Hedi sich begegnen, versuchen, sich zu erklären, die Angststörung, die zwischen ihnen steht, zu vertreiben, zu verstehen, wegzulachen. Dann weist die Bilderwelt des Films in ihrer kammerspielartigen Intimität weit über das Problem der Angststörung hinaus. Es geht um das universelle Thema, wie es gelingen kann, eine Liebesbeziehung zu führen, wenn einer der Partner in einer Krise steckt, die auch das Leben des anderen in Mitleidenschaft zieht.“ (Psychologie heute)

„Sie ist nicht wirklich angekommen in diesem Leben, in dem die Party zu Ende ist und jemand den Müll vor die Tür bringen muss. Das diffuse Neben-sich-Stehen bekommt der Film aber nicht wirklich in den Griff. Dazu wird die Hauptfigur, eine schwermütige Pipi Langstrumpf, zu sehr gefeiert… Sehenswert ist der ambitionierte Versuch über Angst aber allemal.“ (Manfred Riepe: epd film)

„Tonke wie auch Löw als Uli spielen komische und tragische Momente mit der ähnlichen, nötigen Trockenheit, nur so gelingt dem Film seine ambitionierte Gratwanderung: glaubhaft von den Folgen einer seelischen Erkrankung zu erzählen, ohne dem Zuschauer die Figuren zu sehr zu entfremden.“ (Spiegel)

Hedi Schneider steckt festFoto: HR / Nikolai von Graevenitz
Ohne Psychopharmaka geht bei Hedi (Laura Toke) nichts. „Mother’s Little Helper“ hieß der Arbeitstitel.

Die große Herausforderung für Autor-Regisseurin Heiss bestand darin, den inneren Schrecken einer psychischen Krise zu erfassen. Das ist schon mit Worten kaum möglich, aber erst recht nicht mit Bildern; es sei denn, man macht Anleihen beim Horrorfilm. Die Regisseurin versucht auch gar nicht erst, in Hedis Kopf zu schauen, sondern beschränkt sich aufs Beobachten: mit einer Mischung aus Sympathie und Anteilnahme, aber auch einer gewissen Hilflosigkeit; also mit der Haltung ihres Mannes, der mehr und mehr ins Zentrum rückt. Weil sich irgendwann alles nur noch um Hedis Angst dreht, bleiben die gemeinsamen Pläne des Paares auf der Strecke; das gilt vor allem für Ulis Lebenstraum als Entwicklungshelfer in Afrika.

Der kleine Sohn (Leander Nitsche), von Heiss ausgezeichnet geführt, ist mit der Situation verständlicherweise ohnehin überfordert, zumal seine Mutter aufgrund der Psychopharmaka ständigen Stimmungsschwankungen ausgesetzt ist. Und so wandelt sich der Film kaum merklich erneut. Natürlich geht es weiterhin um die Frage, wie Hedi zurück ans Licht findet, aber Heiss interessiert sich mindestens genauso sehr dafür, welche Belastung eine Liebe aushalten kann. Dass sie diese Frage nicht abschließend beantworten will, ist ein mutiger Schluss für dieses vorzüglich gespielte und immerhin nicht hoffnungslos endende Drama.

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Kinofilm

ZDF

Mit Laura Tonke, Hans Löw, Leander Nitsche, Melanie Straub, Simon Schwarz, Margarita Broich, Matthias Bundschuh

Kamera: Nikolai von Graevenitz

Schnitt: Andreas Wodraschke

Musik: Lambert Ringlage

Produktionsfirma: Komplizen Film

Drehbuch: Sonja Heiss

Regie: Sonja Heiss

EA: 02.12.2016 20:15 Uhr | Arte

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