Verkehrskontrolle. Wie man sich halt die Zeit vertreibt als Dorfsheriff in einer Kleinstadt. Frank Koops (Aljoscha Stadelmann) schnitzt am Straßenrand gelassen an seiner nächsten Speckstein-Figur, als sein Kumpel Heiner (Moritz Führmann) in die Blitzer-Falle tappt. Und während Heiner noch vergeblich um Gnade bittet, sieht Frank, wie ein anderes Auto in der Nähe von der Fahrbahn abkommt. Dem sterbenden Mann hinterm Lenkrad zieht er einen Briefumschlag aus der Rock-Tasche. Darin enthalten sind Porträt-Fotos von zwei Frauen, der erste von drei Teilen eines chiffrierten Codes („Die dunkle…“) sowie die Aufforderung, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Staumauer der Talsperre Königshütte zu begeben.
Foto: Degeto / Kai Schulz
Der tote Mann im Unfallauto war ein Chemiker, arbeitete bei einem Pharmakonzern und hatte für seinen Ausflug in den Harz vorsorglich die Personenschützerin Claudia Böhm (Franziska Weisz) engagiert. Die taucht nun bei Frank in der Polizeidienststelle auf – und als beide später aus dem Haus gehen, werden sie von einem Scharfschützen (Holger Handtke) beschossen, der dem Publikum bereits als eiskalter Gangster bekannt ist. In der Eingangsszene hatte er einem Unbekannten in dessen Wohnung aufgelauert. „Ich brauche die drei Namen“, hatte er gefordert – und den Fernseher laut gedreht. Nicht überraschend, dass das für sein Opfer böse endete. Wie sich herausstellen wird, war das Opfer der Notar, der die Briefe im Auftrag eines Professors für Molekularbiologie nach dessen Tod verschickt hatte und nun zu Tode gefoltert wurde. Weil auch der Killer den Unfall des Chemikers beobachtet, bleibt kein Zweifel daran, dass er auch die Namen der Frauen kennt, die die beiden anderen Briefe bekommen haben.
Die etwas verworren konstruierte Prämisse nimmt der Thrillerkomödie nichts von ihrer Leichtigkeit. Mit dem Kleinstadt-Polizisten Frank Koops hat Holger Karsten Schmidt eine der schönsten Ermittlerfiguren im deutschen Fernsehkrimi erfunden, einen Stoiker, der sich selbst genügt und scheinbar wunschlos glücklich ist, frei nach dem Motto: „Keine Wünsche, keine Aufregung“. Der aber zugleich aufmerksam, klug und tatkräftig handelt, wenn mal wieder Gewalt und Verbrechen Einzug halten in seinem kleinen Harzer Reich. Aljoscha Stadelmann spielt diesen sympathischen Einzelgänger hinreißend lässig, unaufgeregt und bodenständig, ohne ins Klischee und schon gar nicht ins heimattümelnde Pathos abzurutschen. Nichts kommt bei ihm mit großer Geste daher, doch mit seiner sparsamen Mimik, der immer leicht schlurfenden Art der Fortbewegung und seinem Sinn für das Timing in den lakonischen Dialogen gelingt Stadelmann die nahezu perfekte Verkörperung eines stets unterschätzten und stets über sich selbst hinauswachsenden Kleinstadt-Schupos.
Foto: Degeto / Kai Schulz
Dabei bleiben Drehbuch und Inszenierung – Regie hat diesmal Markus Sehr – konsequent „klein“ und regional verortet. Wenn mitten in dem Städtchen auf den Polizisten und seine Begleitung geschossen wird, rückt nicht etwa ein Sondereinsatzkommando an, sondern Frank Koops bittet seinen Freund zu Hilfe, den Briefträger Heiner, der ihm mit seinem Postauto Deckung geben kann. Und wenn es gilt, den im Hinterhalt lauernden Killer zu überraschen, zieht Franks Kollegin Mette (Anna Fischer) mit Rucksack und Revolver allein in den Wald. Hier wird also keine Polizei-Ermittlung möglichst realistisch erzählt, sondern das klassische Drama vom Kampf Davids gegen Goliath, von gewitzten Provinzlern, die sich unerschrocken den kriminellen Eindringlingen entgegenstellen – allerdings ohne Helden-Gedöns, sondern ganz und gar lakonisch. Briefträger Heiner zum Beispiel beunruhigt weniger die Schießerei im Ort als Franks Strafzettel und der von seiner geliebten Mette gebuchte gemeinsame Tanzkurs. Frank empfiehlt trocken einen Beinschuss und beweist damit auch prophetische Fähigkeiten.
Foto: Degeto / Kai Schulz
Denn die Story bleibt bleihaltig und wird noch turbulenter, als der Termin der Übergabe kommt. Die läuft aus dem Ruder und mündet in eine Verfolgungsjagd durchs Krankenhaus. Zugleich gewinnt die Geschichte an Substanz, als die erste der beiden Frauen, die wie der verunglückte Chemiker einen Brief erhielten, im Ort auftaucht. Gemeinsam mit der sterbenskranken – Vorsicht, Namenswitz – Maria Joseph (Sibylle Canonica), einer Autorin philosophischer Bücher, dringt Frank Koops zum Kern vor: der Frage, ob man Menschenleben gegen Menschenleben aufwiegen darf. In „Geheimcode“ wird allerdings die Frage, ob man die Formel für ein bahnbrechendes, neues Medikament einem nach Expansion und Rendite strebenden Pharmakonzern überlassen darf, zu einem vergleichbaren philosophischen Dilemma hochgejazzt wie bei einer konkreten existenziellen Bedrohung unter Zeitdruck. Also etwa der Frage, ob man die Flugzeuge hätte abschießen dürfen, die auf dem Weg ins World Trade Center waren. Das erscheint doch etwas plump und konstruiert, aber davon abgesehen steuert die Geschichte spannend und humorvoll auf ihr Dilemma-lösendes Finale zu.
Elegant und komisch wird zum Beispiel der notwendige „Info-Block“ inszeniert: Polizist und Philosophin holen erst den Chemie-, dann die Biologie-Lehrerin aus dem Unterricht und sorgen damit für einen interdisziplinären Flirt mit Aha-Effekt. Auch zwischen Maria und dem philosophischen Naturtalent Frank („Wer langsam denkt, denkt tiefer“) stimmt die Chemie. Die sporadisch eingestreuten Landschaftsbilder und die vielseitige Musik runden die Jagd durch den Harz visuell und akustisch ab. Dass im Soundtrack auch ein Song von Pink Floyd auftaucht, kommt natürlich nicht von ungefähr – auch wenn der dritte Teil des Codes vorerst unbekannt bleibt, weil die dritte Adressatin, Annett Kruse (Maike Jüttendonk), trotz falscher Namensangabe im Hotel vom Killer Besuch bekommt. Dank des Briefs an Maria Joseph liegen aber schon mal zwei Drittel vor: „Die dunkle Seite…“ Heiner schlägt als Ergänzung „vom Toast“ vor, aber da liegt er falsch. (Text-Stand: 30.11.2019)