Hand in Hand

Harfouch, Breitkreiz, Justus Pfaue. Tröstliche Film-Elegie über die Vergänglichkeit

Foto: ZDF / Volker Roloff
Foto Rainer Tittelbach

Ihre Hände führen eine Geigenvirtuosin und eine Gefäßchirurgin zusammen. Die Hand der einen und der Körper der anderen sind unheilbar krank. In dieser Ausnahmesituation machen sich die zwei auf ins lettische Heimatdorf der Künstlerin. So wird der Weg frei für eine Tragikomödie voller Transzendenz, Phantasie und morbider Märchenhaftigkeit. Corinna Harfouchs Spiel, wunderbar austariert zwischen Nähe und Distanz, entspricht dem Grundton dieser angenehm altmodischen TV-Erzählung nach dem Buch von Justus Pfaue. Einfühlsame Regie. Klare Kamera. Von der Stimmung her sechs Wochen zu früh im Programm!

Ihre Hände, die Fertigkeit, mit ihnen Gutes und Schönes zu tun, führen zwei Menschen zusammen: Mathilda Wahry, weltberühmte Star-Geigerin, und die Gefäßchirurgin Heike Laurens, eine Koryphäe auf ihrem Gebiet. Beide haben ein unlösbares Problem: Die Hand der Musikerin, die den Bogen so virtuos führt, ist unheilbar krank, und bei der Ärztin wurde ein bösartiges Karzinom entdeckt. Die eine, deren einziger Lebensinhalt ihr Geigenspiel ist, wird ihre Karriere beenden müssen. Die andere hat nicht mehr lange zu leben. In dieser Ausnahmesituation machen sich die Frauen auf in das lettische Heimatdorf der Wahry, zu den Orten ihrer Kindheit. Für sie die Möglichkeit, sich auf etwas Neues zu besinnen, auf ihr kommendes Leben. Und für die leidenschaftliche Ärztin ergibt sich die Möglichkeit, bei den Kranken und Kindern des Dorfes ein letztes Mal etwas Gutes, etwas Sinnvolles zu tun.

Hand in HandFoto: ZDF / Volker Roloff
Keiner will die Wahry operieren. Jeder fürchtet um seine Reputation als Chirurg. Heike Laurens (Corinna Harfouch) macht es. Sie hat nichts zu verlieren, ist todkrank.

„Ich soll ein Monster sein. Ich bin berühmt, aber sehr unbeliebt. Man liebt nur meine Musik, mich nicht“, sagt die sonst so zickige Wahry der Ärztin beim ersten Aufeinandertreffen. So offenherzig ist die zum leisen Zynismus neigende Uniklinikprofessorin nicht – und doch, ein, zwei Blicke, und das Band ist geknüpft zwischen diesen Ausnahmepersönlichkeiten. Zwischen Semperoper und OP entwickelt sich eine Beziehung zweier Frauen, deren Lebensentwürfe zerfallen. Die Männer gehen, werden weggeschickt – so wird der Weg frei für eine Tragikomödie voller Transzendenz, Phantasie und morbider Märchenhaftigkeit. Margarita Breitkreiz scheint das Klischee vom überspannten Superstar, der zickigen Klassik-Ikone, anfangs zu überreizen, doch im Verbund mit der anderen Frau, die der lebensunfähigen Künstlerin neue Wege weist, kommt diese slawische Furie rasch zur Ruhe. Die vermeintlich entspannte Unausweichlichkeit, mit der sich die Ärztin in ihr Schicksal einfindet, flankiert von Momenten stiller Verzweiflung, wunderbar zwischen Nähe und Distanz austariert von Corinna Harfouch, entspricht dem Grundton dieser angenehm altmodischen TV-Erzählung.

Die Gegenstimme: „Überhaupt ist dieser Film auf jeder Ebene gemacht von Könnern, und doch hat sich die so eskapistische Grundstimmung der Geschichte wie Mehltau auf alle Gewerke gelegt. Alles ist … der barrierefreien Konsumierbarkeit verpflichtet. ‚Hand in Hand‘ ist wie ein weicher Händedruck: Er tut nicht weh. Und gerade das macht ihn so unangenehm.“ (Klaudia Wick in der Berliner Zeitung).

Gegenstimme zur Gegenstimme von Michael Hanfeld in der FAZ: „Allzu viele Stücke dieser Machart sehen wir heutzutage nicht mehr – und das ist kein Fortschritt.“

Hand in HandFoto: ZDF / Volker Roloff
Ihre Hände führten sie zusammen. Sie kommen sich näher. Corinna Harfouch und Margarita Breitkreiz.

Insbesondere die zweite Hälfte des Films besitzt eine utopisch-poetische Kraft, die moderne Fernsehfilme bei aller zunehmenden dramaturgischen Perfektion heute nur noch selten in der Lage sind zu entwickeln. Zwei Jahre musste „Hand in Hand“ auf seine Ausstrahlung warten, um nun Mitte August den dem anspruchsvollen Melodram geneigten Zuschauern präsentiert zu werden. Nichts gegen TV-Premieren im August. Aber diese tröstliche Film-Elegie über die Vergänglichkeit nach dem Drehbuch von Justus Pfaue („Die Kirschenkönigin“), überaus einfühlsam und konzentriert von Thomas Berger („Kommissarin Lucas“) inszeniert und von Gunnar Fuß fotografiert, ist von seinem Stimmungsgehalt der ultimative Film für den späten September oder frühen Oktober. Dass der Film nicht recht ins dramaturgisch durchgestylte ZDF-Fernsehfilmprofil passen mag, ist nicht sein Problem. (Text-Stand: 11.7.2011)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Corinna Harfouch, Margarita Breitkreiz, Christine Schorn, Rolf Hoppe, Pierre Besson, Jürgen Heinrich, Tonio Arango

Kamera: Gunnar Fuß

Szenenbild: Susann Bieling

Schnitt: Ute A. Rall

Musik: Dieter Schleip

Produktionsfirma: Novafilm

Drehbuch: Justus Pfaue

Regie: Thomas Berger

Quote: 3,70 Mio. Zuschauer (12,4% MA)

EA: 15.08.2011 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

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