Hackerangriff auf eine Großbank. Die Spur führt zu einem 14-jährigen Rumänen
Lisa Metz (Anna Schumacher) ist Spezialistin für Internetkriminalität beim BKA. Dort registriert man einen aufsehenerregenden Hackerangriff auf eine Großbank, die Spur führt ins rumänische Timisoara. Der Hacker ist ein Programmiergenie, aber er transferiert nur 9,99 Euro. Wer ist diese Person, die durch alle Sicherheitssysteme dringen kann? Um das herauszufinden, wird Lisa nach Rumänien geschickt, sicher auch, weil sie als Kind in Timisoara lebte. Sie soll mit dem rumänischen Kollegen Adam Sandor (Andi Vasluianu) zusammenarbeiten und so schnell wie möglich wieder zurückkehren. Doch sie bleibt, als sie herausfindet, dass es sich bei dem Hacker um einen 14-jährigen Jungen mit dem Spitznamen „Cipi“ (Voicu Dumitras) handelt. Cipis Ausnahmetalent ist auch einer Organisation aufgefallen, die Geld mit Cyberkriminalität macht. Sie versucht, das Kind zu kidnappen. Lisa und Adam können Cipi befreien, aber sie müssen ihn jetzt gegen mächtige Verbrecher schützen. Dabei entwickelt sich eine starke Anziehung zwischen Lisa und Adam, die sie mit cooler Flapsigkeit überspielen. Lisa handelt nun auf eigene Faust und entdeckt, so auf sich gestellt, ihre Erinnerung an die Stadt wieder – einen Teil von sich, der verloren gegangen war.
Foto: WDR / Turner BS Deutschland
Für die Cyberthriller-Serie „Hackerville“ gab es 2019 den Grimme-Preis
Während große historische Fernsehproduktionen die deutsche Geschichte heute am Drehort Osteuropa nachstellen, ist Hackerville interessiert an der Gegenwart. Während im Fernsehen reihenweise deutsche Schauspieler*innen als Einheimische verkleidet an tourismusträchtigen Orten ermitteln, mutet Hackerville dem Zuschauer die volle Dosis Anderssein seines Schauplatzes zu – und zieht daraus eine Kraft, die sich im Soundtrack des rumänischen Trip-Hop-Künstlers Silent Strike grandios verdichtet. Es ist eine vom Cast bis zu den Autoren konsequent binationale Produktion und sie traut es sich tatsächlich, weite Teile der Handlung in Rumänisch mit deutschen Untertiteln zu zeigen. Erstaunlicherweise tut das der Spannung keinen Abbruch, sondern erweitert das Blickfeld – und gelegentlich auch den deutschen Humorbegriff. Und ja, Hackerville ist auch einfach eine spannende Jagd auf organisierte Cyberkriminalität in Osteuropa. Vor allem aber ist Hackerville preiswürdig im Sinne des Grimme-Preises, denn es zeigt ein Osteuropa jenseits der Klischees von Armutsmigration und Rückständigkeit. Es beseitigt diese Klischees nicht mit den Mitteln der Didaktik, sondern mit denen des Unterhaltungsfernsehens. Die Serie stellt auch Fragen nach Zugehörigkeit, Identität, Heimat. Aber sie stellt sie für eine digital weltweit vernetzte Gesellschaft, nicht vor dem Hintergrund rivalisierender Nationalitäten. Es sind Fragen aus Sicht einer heutigen Generation, die längst Zugang zur westlichen Welt hat und doch eine moderne osteuropäische Identität besitzt. (aus der Begründung der Grimme-Preis-Jury)
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„Hackerville“ versucht nicht, die ästhetische Finsternis von „Bad Banks“ zu erreichen
Rumänien gehört zu den Ländern mit dem schnellsten Internet in Europa, es hat eine technisch beeindruckend gut ausgebildete Jugend. Rumänische Kinder beherrschen das Codieren besser als deutsche Kinder die deutsche Sprache. „Hackerville“ ist eine Miniserie über den eigentlichen Krieg des 21. Jahrhunderts. Und sie funktioniert deswegen so gut, weil sie eben nicht versucht, wie eine Matrix-Nachgeburt auszusehen, noch moderner, schneller zu sein, als es die Geschichte ist, die sie eigentlich verhandelt.
Die Geschichte spielt sich in Temeswar ebenerdig ab. Die Kamerafahrten werden länger. Etliches vom Tempo, das die Erzählung eigentlich gebraucht hätte, um heil über Logiklöcher hinwegzuspringen, wird herausgenommen. Mit ein bisschen Mutwillen – denkt man sich manchmal – hätte das auch ein ARD-Zweiteiler werden können. Polizeiruf Temeswar. Die Entschleunigung hat aber was. „Hackerville“ versucht gar nicht erst, die ästhetische Finsternis von „Bad Banks“ zu erreichen, dessen aufregende Schnelligkeit. Geht dafür auf dem Mittelweg zwischen rumänischem Sozialdrama und deutschem Fernsehkrimi konsequent und langsam in die Tiefe der bereitliegenden kulturellen und historischen Subgeschichten, in die wirtschaftlichen Abgründe. Und die menschlichen. (Elmar Krekeler, DIE WELT)
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Ein gutes Beispiel für modernes, authentisches europäisches Serienfernsehen
Dass „Hackerville“ bei aller Lust am Gamer-Budenzauber (und trotz leichter Hänger beim digitalen Katz-und-Maus-Spiel im Mittelteil) nicht zur Cyberpistole verkommt, liegt auch daran, wie sorgfältig die Lebenswelten verzahnt werden – die virtuelle mit der realen, die rumänische mit der deutschen.
In „Hackerville“ wird auch die Geschichte der Rumäniendeutschen verhandelt, jener Volksgruppe, die über die Siebziger- und Achtzigerjahre von der Bundesregierung aus der Ceausescu-Diktatur freigekauft wurde. So tritt vor dem Hintergrund der hochtourigen Digitalisierung der rumänischen Gesellschaft auch eine der großen, aber fast vergessenen Migrationsbewegungen auf dem Kontinent hervor. Hauptdarstellerin Anna Schumacher ist Deutschrumänin, Anca Miruna Lazarescu („Die Reise mit Vater“), eine der Regisseurinnen, ist eine in Deutschland aufgewachsene Rumänin. Für sie bedeutete der Dreh in Timisoara eine Rückkehr in ihren Geburtsort nach Jahrzehnten der Abwesenheit. „Hackerville“ zeigt beispielhaft, wie modernes europäisches Serienfernsehen auf einem boomenden Fernsehmarkt aussehen kann. (Christian Buß, SPIEGEL online)
Über eine außergewöhnliche Bildsprache verfügt die Serie nicht. Das passt zum Plot
Authentizität und Realismus sind schwierige Label, sie werden oft beschworen, wenngleich sie ja gar kein Kriterium für eine gute Serie sein müssen. In „Hackerville“ wirkt der Anspruch allerdings erfrischend, weil er nicht bei Sprache und Drehorten stehenbleibt. Bilder von Hackern, die sich kapuzenbedeckt in Kammern ohne Licht über grün leuchtende Tastaturen krümmen, sieht man nicht. Der Glaubwürdigkeit der Geschichte tut das gut. Die Serie bedient sich nicht beim Bild des Cyberspace als metaphysischer Blase, die mit dem Alltag nichts zu tun hat, und verzichtet auf technische Dialoge, die dem Zuschauer nur vor Augen führen, dass er in der Welt der Einsen und Nullen nicht zu Hause ist.
Über eine außergewöhnliche Bildsprache verfügt die sechsteiligen Serie nicht, dem deutsch-rumänischen Ermittlerduo Metz und Sandor folgt man dennoch gerne. Das Zusammenspiel vor der Kamera wirkt leicht, die Figuren erscheinen in sich schlüssig. Soweit sich das nach den ersten Folgen sagen lässt, wird die Handlung, die mit dem Diebstahl von 9,99 Euro beginnt, kein rasanter Sprung in die Tiefen des metaphorischen Kaninchenbaus, wie er beispielsweise in der Serie „Mr. Robot“ inszeniert wird. Die Stärke liegt in den Figuren. Beim Staat wie bei Kriminellen wecken Hacker Begehrlichkeiten. Genau das ist der Gegenstand von „Hackerville“. (Anna-Lena Niemann, Frankfurter Allgemeine)