Guten Morgen, Herr Grothe

Blomberg, Trepte, Kunzendorf: echte Lehrer unterrichteten die „Schauspieler“

Foto: WDR
Foto Rainer Tittelbach

Alltag in der „Aufbewahrungsanstalt“ Hauptschule. Im Mittelpunkt: ein engagierter Lehrer, der die Distanz zu seiner Arbeit verliert, und ein Problemschüler. „Guten Morgen, Herr Grothe“ ist ein Porträt eines Lehrers in schweren Zeiten für höhere Ideale. WDR-Fernsehfilm mit Echtheitsanspruch, leise und poetisch erzählt. Mehrfach Grimme-Preis-gekrönt.

Das Thema Schule ist in die Schlagzeilen geraten. Unerträgliche Gewalt, katastrophale Lernbedingungen, Lehrer im Krankenstand. Die „Pisa-Studie“ gab dem Image des deutschen Bildungssystems den Rest. Besonders desillusionierend sind die Zustände an den deutschen Hauptschulen. Sie verkommen zu „Aufbewahrungsanstalten“, in denen die Perspektivlosigkeit der Schüler verwaltet wird. Außer einigen Dokumentationen wie Thomas Schadts „Beruf Lehrer“ gibt es nur wenig Filme, die sich des Themas annehmen. Denn es bedarf nicht nur eines großen Engagements, Lehrer in einer sogenannten „Restschule“ einer Großstadt zu sein, es bedarf auch Courage, sich als Filmemacher in eine solche Schule zu wagen.

Der WDR hat sich getraut. Zwar ist „Guten Morgen, Herr Grothe“ (Trailer) ein Spielfilm, aber er ist fast mit dokumentarischen Mitteln entstanden. Bis auf Ludwig Trepte, den jugendlichen Hauptdarsteller, sind alle Schüler Laien und auch im wahren Leben Hauptschüler. „Sei beim Dreh so weit es geht, wie Du in Echt bist“, forderte Regisseur Lars Kraume seine „Zöglinge“ auf. Die Rollen wurden nah an der eigenen Biografie entwickelt. Da mit zwei Kameras gearbeitet wurde, war Raum für Improvisation gegeben. Es wurden sogar echte Lehrer eingeladen, um die Klasse zu unterrichten. „Die waren nach einer Schulstunde runter mit den Nerven“, erinnert sich Kraume. Auch Grothe-Darsteller Sebastian Blomberg bekam einen authentischen Eindruck vom Milieu Schule. „Bereits am ersten Drehtag war ich mit einer Klasse von 16 Schülern konfrontiert, die auf Krawall gebürstet waren“, so der auf introvertierten Schöngeist abonnierte Schauspieler. „Dieser Beruf wird fatal unterschätzt, ich bewundere jeden, der unter den Zweifeln an dem Sinn seines Berufs nicht zusammenbricht.“

Guten Morgen, Herr GrotheFoto: WDR
Wenigstens gibt es eine Kollegin, die Herrn Grothe zuhört und ihn verstehen kann. Stark: Sebastian Blomberg & Nina Kunzendorf

In „Guten Morgen, Herr Grothe“ spielt Blomberg einen Lehrer, der die Distanz zu seiner Arbeit verliert, der sich aufreibt mit seinem Engagement für einen Problemschüler. Seine Ehe ist gescheitert, nun muss er sich ganz besonders im Beruf beweisen. Seine Klasse ist ihm das Wichtigste. Doch über den Wunsch, seine desorientierten Schüler wenigstens ein bisschen für Literatur zu begeistern und „seinen“ Nico ein Mindestmaß an menschlichen Umgangsformen jenseits von „Null Bock“-Haltung und Gewalt zu vermitteln, vergisst er, dass er Lehrer ist. Vaterersatz kann und darf er nicht sein. Diese psychologische Ebene ist es, die dem Film seine überzeitliche Tiefe gibt. „Es ist eine abstrakte Vater-Sohn-Beziehung, ein Ringen um gegenseitiges Verständnis und um gegenseitige Akzeptanz“, so Kraume. Als Nur-Themenfilm wollen die Macher ihr TV-Experiment nicht verstanden wissen. Der offene Brief der Lehrer der Berliner „Rütli-Schule“, in dem sie ihre Kapitulation vor der Gewalt an ihrer Bildungseinrichtung erklärten, war nicht Anlass zum Film. Autorin Langmaack: „Als das Thema Hauptschule zu einem Brennpunktthema wurde, war das Drehbuch längst fertig.“

Der Film ist ein Porträt eines Lehrers in schweren Zeiten für höhere Ideale. Der ästhetisch leise, ganz ohne künstliche Dramatik auskommende Film ist aber auch ein Beitrag zum Thema „Integration“. Er zeigt junge Menschen aus den verschiedensten Kulturen, unter einem Dach vereint. „Es sind junge Menschen in einer Warteposition, in einem Niemandsland zwischen Schule und dem Leben danach, das für viele nur ein dunkles Nichts ist“, bringt es WDR-Fernsehfilmchef Gebhard Henke auf ein stimmiges Bild. Die Spannungen, die sich aus dieser Situation ergeben, fängt diese bewegende Produktion mit der Lust am ebenso authentischen wie poetischen Erzählen ein. Und der Lehrer soll es am Ende richten. (Text-Stand: 2.4.2007)

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Fernsehfilm

WDR

Mit Sebastian Blomberg, Ludwig Trepte, Nina Kunzendorf, Steffi Kühnert, Nele Müller Stöfen

Kamera: Jens Harant

Szenenbild: Irina Kromayer

Schnitt: Barbara Gies

Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas

Casting: Nessie Nesslauer

Produktionsfirma: AllMedia Pictures

Drehbuch: Beate Langmaack

Regie: Lars Kraume

EA: 02.04.2007 20:15 Uhr | ARD

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