Der fränkische Reichsritter Götz von Berlichingen ist zum Raubritter verkommen. Mit dem Überfall auf eine Kutsche scheinen sie das große Los gezogen zu haben. Doch das Gegenteil ist der Fall. Denn die drei Kisten Goldtaler gehörten dem französischen König Franz – eine Aufmerksamkeit für die Gattenmörderin Adelheid von Walldorf, die mit Giftmorden und Bestechung ihm den Weg auf den Kaiserthron ebenen will. Ihr intimer Verbündeter ist ausgerechnet ein alter Freund von Berlichingens: Adalbert von Weislingen, ein Ehrgeizling und Vatermörder. Götz durchschaut zwar die Intrige, aber was hilft es: der ehemalige Freund lässt ihn zwar am Leben, das aber ist nicht mehr viel wert mit nur noch ein paar Männern an seiner Seite und ohne seine schlagkräftige rechte Hand, die ihm in Adalberts Auftrag abgeschlagen wurde. Doch einer seiner Getreuen ist Erfinder – und so könnte Götz von Berlichingen bald seinen Ruf als harter Recke zurückerlangen: jetzt als der Ritter mit der eisernen Hand.
Ja so san’s die alten Rittersleut. Wein, Weib & Gesang, derbe Sprüche und das letzte Wort hat stets die Klinge. RTL hat nun also auch nach Sat 1 („Wanderhuren“-Trilogie), Pro Sieben („Isenhart“) und ZDF („Die Pilgerin“) das (Spät-)Mittelalter entdeckt. Ausgerechnet mit einem Ritter, dessen Name untrennbar mit Deutschlands Dichterfürst verbunden ist, meldet sich der Sender, der sich zuletzt nur noch zu einem TV-Movie pro Jahr hinreißen ließ, nach der peinlichen Weltuntergangsmär „Helden – Wenn dein Land dich braucht“ zurück an der Event-Fiktion-Front. Doch „Götz von Berlichingen“ ist so weit entfernt von Goethes Sturm-und-Drang-Schauspiel wie RTL von HBO (und beispielsweise seinem monumentalen Fantasy-Spektakel „Game of Thrones“). Selbstredend wartet man als Zuschauer auf das Zitat der Zitate. „Sag dem Bischof, er soll mich – im Arsch lecken.“ Endlich in der 27. Filmminute, nachdem die Nebenchargen das A-Wort schon desöfteren antizipierend im Mund führten, ist es heraus. „Am Arsch, nicht im Arsch“, verbessert ihn einer seiner Kumpanen. „Herrgott noch mal, ich hab mich eben versprochen; es wird schon nicht in die Geschichte eingehen.“
In die Fernsehgeschichte wird dieser 110minütige Ausflug ins Blut-und-Busen-Genre nicht eingehen – bestenfalls in Erinnerung bleiben wird „Götz von Berlichingen“ als ein Ritter-Spektakel zwischen passabel geschnittenem Schlachtengetümmel und ungelenken Indoor-Interaktionen. Die Story um die Verschwörung gegen den deutschen Kaiser, die Fürstinnen-Intrige und den Verrat des Freundes, ist schlicht und wird dem Zuschauer dennoch mehrfach im Dialog erklärt. Eine altbackene Dramaturgie steht der dürftigen Geschichte in nichts nach: „Du wirst tief stürzen, aber du wirst wieder aufstehen“, prophezeit die amazonenhafte Heilerin dem Helden. Und noch etwas sieht die von der spärlich bekleideten Dennenesch Zoudé gespielte „Hexe“ in der Zukunft. Was, das lässt sich alsbald erahnen bei einem Helden, der mit seiner Abkehr vom egoistischen Räuber auch zunehmend Gefühle zulässt. Bieder ist auch die Montage, vorzugsweise eine Parallelmontage, bei die Schnitte gelegentlich sogar verbal angekündigt werden („Aber wenn dieser hier nicht Götz ist, wo ist er dann?“ – und Cut!).
Henning Baum („Der letzte Bulle“) ist nicht zu beneiden in seiner Rolle, die in den 70er Jahren einmal Raimund Harmstorf („Der Seewolf“) in einer brav-biederen, Goethe-getreuen „Götz“-Verfilmung spielte. Es sind vor allem die Dialoge, die einem diesen ansehnlich von Carlo Rola („Rosa Roth“) inszenierten Mummenschanz verleiden. Außerdem fehlt es der UFA-Fiction-Produktion an eindrucksvollen Szenen, an pittoresken Totalen beispielsweise, in denen die Emotionen beim Zuschauer nachschwingen können, an Bildern, die man als Zuschauer mitnimmt (wie bei „Die Pilgerin“), aber auch an einem Subtext, der reizvoll ist (wie bei „Isenhart“) oder zumindest die Zielgruppe solidarisiert und einbindet (wie bei „Die Wanderhure“). Rola rückt ganz nah an seine Figuren, die Handlung bleibt im Kleinklein stecken. Die Kämpfe werden so zwar physisch und actionreich; in Gesprächsszenen wirkt das aber in Verbindung mit den gestelzten Dialogen allzu häufig hölzern. Allenfalls der wie so oft in sogenannten Event-Movies überzogene Score konnotiert ein klein wenig „Weite“. Und so ist „Götz von Berlichingen“ letztlich nur eine uninspirierte, oberflächliche Heldensaga, die selbst den Fans des Genres nicht wirklich zu empfehlen ist. (Text-Stand: 22.11.2014)